Dissertationen: Charité und FU verstießen gegen Recht

Vordergründig hat es gar nichts mit der Dissertation von Christian Drosten zu tun, was faz​.net heu­te berich­tet. Thema ist der Plagiatsfall Giffey, die offen­bar rechts­wid­ri­ge Reaktion der FU dar­auf und daß sehr wohl Öffentlichkeit und Justiz das Agieren von Hochschulen über­prü­fen kön­nen. Dennoch liest sich vie­les wie auf Herrn Drosten zuge­schnit­ten. "Versagen auf der gan­zen Linie" ist der Artikel überschrieben.

»Es war zuge­ge­be­ner­ma­ßen ein durch­trie­be­ner Plan der Berliner CDU, am Mittwoch ein ver­nich­ten­des Gutachten zur Überprüfung der Dissertation von Franziska Giffey (SPD) vor­zu­stel­len. Denn an die­sem Samstag bewirbt sich Bundesfamilienministerin gemein­sam mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus Raed Saleh um den SPD-Vorsitz in Berlin. Gelingt ihr das, ist so gut wie sicher, dass sie Spitzenkandidatin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters wird. Je näher die Entscheidung rückt, desto bri­san­ter wird der poli­ti­sche Streit über die von der Freien Universität Berlin erteil­te Rüge beim Überprüfungsverfahren von Giffeys Dissertation. Denn für eine Rüge gibt es in Berlin kei­ne Rechtsgrundlage, das hat­te auch der wis­sen­schaft­li­che Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses schon fest­ge­stellt. Die Charité hat­te sie über ein Dutzend mal aus­ge­spro­chen. Bei der FU war es im Fall Giffey eine Premiere. In allen elf ande­ren Fällen eines Entzugs des Doktorgrads hat sich die FU nie der nach Berliner Hochschulrecht rechts­wid­ri­gen Rüge bedient.

Angesichts des wach­sen­den Drucks hat­te die FU den Rechts- und Verwaltungswissenschaftler Ulrich Battis beauf­tragt, ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit der Rüge im Fall Giffey zu prü­fen. Sein Gutachten soll bis Ende November vor­le­gen. Die Berliner CDU ist der FU nun zuvor­ge­kom­men. Sie hat ein Gutachten bei dem Bonner Verfassungs- und Wissenschaftsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz in Auftrag gege­ben, das am Mittwoch in Berlin vor­ge­stellt wurde.

Gärditz soll­te prü­fen, ob es zuläs­sig war, die Rüge zu ertei­len, ob die inhalt­li­che Würdigung der Dissertation durch die FU mit gel­ten­dem Recht ver­ein­bar ist und ob sich die untä­tig geblie­be­ne Rechtsaufsicht der zustän­di­gen Senatsverwaltung, sprich der Wissenschaftssenator und Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und sein Staatssekretär Steffen Krach (SPD) rechts­kon­form ver­hal­ten haben.

Eigentlich wäre die Rechtsaufsicht zustän­dig gewesen
Vernichtender hät­te die Antwort des Bonner Gutachters für alle Beteiligten nicht aus­fal­len kön­nen. Gärditz spricht von einer auf­fäl­li­gen "Summation erheb­li­cher Rechtsverstöße" und kon­sta­tiert: "Die Hochschulleitung hat auf­grund des Vorschlags eines unzu­stän­di­gen Gremiums eine geset­zes­wid­ri­ge Rüge aus­ge­spro­chen und sich hier­bei auf einen Bericht gestützt, der die recht­lich ein­schlä­gi­gen Maßstäbe grund­sätz­lich ver­kennt". Gärditz räumt ein, dass Hochschulen immer wie­der Rechtsanwendungsfehler bege­hen. "Hier irri­tiert jedoch die Willkür und Unprofessionalität im Umgang mit der poli­tisch heik­len Promotionssache der­art, dass dies Indikator für grund­sätz­li­che – über den Einzelfall hin­aus­wei­sen­de – Schieflage in der Fähigkeit und/oder Bereitschaft zur Rechtsbefolgung sein dürfte"…

Die FU als Exzellenzuniversität soll­te zwei­fels­oh­ne in der Lage sein, ein ord­nungs­ge­mä­ßes und rechts­kon­for­mes Verfahren einer so wich­ti­gen wis­sen­schaft­li­chen Qualifikationsarbeit wie der Dissertation zu orga­ni­sie­ren, sie war nur in einer äußerst schwie­ri­gen Lage. Denn Giffeys Doktormutter Tanja Börzel spielt für ein Exzellenzcluster eine Schlüsselrolle und soll­te nicht beschä­digt werden…

Börzel war auch an der Einsetzung des Prüfungsgremiums betei­ligt, was Gärditz nicht expli­zit sagt. "Warum schrei­tet die Universitätsleitung nicht ein, wenn Zweifel an der Unabhängigkeit des Prüfungsgremiums zu Recht bestehen", fragt Grasse.

Allerdings bezwei­felt der Gutachter, dass das Prüfungsgremium über­haupt recht­lich zustän­dig war. Das war nicht der Fall. Zuständig wäre der Promotionsausschuss des Fachbereichs Politik gewe­sen

Damit stützt sich die Rüge auf ein nicht zustän­di­ges Gremium und "ist inso­weit schon for­mell rechts­wid­rig", stellt Gärditz fest… 

"Schlichte Empirie ohne metho­di­sche Reflexion füllt offen­kun­dig nicht die Anforderungen an eine wis­sen­schaft­li­che Dissertation aus", heißt es im Gutachten. Gerade dann, wenn die Arbeit kei­ne neu­en theo­re­ti­schen Konzepte ent­wicke­le, wie das Prüfungsgremium der FU fest­stellt, sei es beson­ders wich­tig, die über­nom­me­nen metho­di­schen und theo­re­ti­schen Konzepte trans­pa­rent zu machen, was offen­kun­dig unterblieb…

Für die Rechtsaufsicht durch den Wissenschaftssenator bzw. sei­ne Behörde dür­fe das Ministeramt der Betroffenen kei­ne Rolle spie­len. "Allenfalls kann die Rechtsaufsicht den poli­ti­schen Kontext des Falles zum Anlass neh­men, die Behandlung durch die Hochschule beson­ders sorg­fäl­tig zu beglei­ten, um sicher­zu­stel­len, dass dort der Fall aus poli­ti­schen Gründen nicht in die eine oder ande­re Richtung aty­pisch behan­delt wird". «

(Hervorhebungen nicht im Original.)

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