Dividenden mit staatlicher Coronahilfe – "Deutsche Unternehmen besonders dreist"

»Der Coronakrise zum Trotz lei­sten sich Konzerne welt­weit hohe Dividenden, zeigt eine Oxfam-Studie. Deutsche Firmen gin­gen beson­ders dreist vor.«

Darüber schreibt am 10.9. der Tagesspiegel.

»Die 25 pro­fi­ta­bel­sten Unternehmen der Welt wer­den dem­nach in die­sem Jahr 378 Milliarden Dollar an ihre Aktionäre aus­schüt­ten – mehr als sie 2020 mut­maß­lich ver­die­nen wer­den. Gemessen an den abso­lu­ten Zahlen lie­gen dabei zwar die gro­ßen US-Konzerne von Apple bis Walmart vor­ne. Die deut­schen Unternehmen zeich­ne­ten sich jedoch beson­ders "durch Dreistigkeit und Maßlosigkeit aus", schreibt Oxfam.

Als Beispiel nennt die NGO BMW. Der Autobauer hat in die­sem Jahr 1,6 Milliarden Euro an Dividenden aus­ge­zahlt – gleich­zei­tig aber Kurzarbeit ein­ge­führt und sich öffent­lich für eine staat­li­che Kaufprämie stark gemacht. BASF wie­der­um über­weist Dividenden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro, hat in Großbritannien aber eine Staatshilfe in Milliardenhöhe ange­nom­men. Bayer will drei Milliarden Euro an sei­ne Aktionäre zah­len, hat aber eben­falls 670 Millionen Euro aus dem bri­ti­schen Nothilfefonds kassiert.

Schweden gilt als Vorbild

Manche Länder haben die­se Praxis inzwi­schen unter­sagt. In Schweden zum Beispiel erhal­ten Firmen kein Kurzarbeitergeld, wenn sie Dividenden an Aktionäre aus­schüt­ten. Frankreich und Dänemark hal­ten es ähn­lich. Hierzulande hin­ge­gen hat sich die Wirtschaft mit dem Argument durch­ge­setzt, dass Kurzarbeit kei­ne Form von Staatshilfe ist, weil die Gelder aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung stammen…

Die NGO for­dert einen Systemwechsel: "Die EU muss Unternehmen gesetz­lich auf das Gemeinwohl ver­pflich­ten, um zu ver­hin­dern, dass die­se wei­ter­hin nur den Interessen der Kapitaleigner dienen." 

Was Oxfam kri­ti­siert, ist ein Wirtschaftsmodell, das über Jahrzehnte die Ökonomie geprägt hat. Formuliert hat es der Wirtschaftsnobel­preisträger Milton Friedman 1970, als er schrieb: "Die sozia­le Verantwortung eines Unternehmens ist es, sei­ne Gewinne zu maxi­mie­ren."…

Besonders schlimm ist die Lage in der Bekleidungsindustrie

Die NGO gibt den Konzernen des­halb eine Teilschuld dar­an, dass der Staat sie nun ret­ten muss. "Viele der Unternehmen, die heu­te finan­zi­ell in Schwierigkeiten sind, haben erst letz­tes Jahr den Großteil ihrer Gewinne an Aktionäre aus­ge­schüt­tet." In der Coronakrise fehl­te ihnen dann das Geld. Ganz beson­ders gilt das laut Oxfam für die Bekleidungsindustrie. Allein die zehn größ­ten Modemarken hät­ten im ver­gan­ge­nen Jahr zusam­men 21 Milliarden Dollar für Dividenden oder Aktienrückkäufe aus­ge­ge­ben. Auch des­halb hät­ten sie in der Coronakrise schnell Aufträge strei­chen müs­sen und Zulieferer nicht bezah­len kön­nen – mit der Folge, dass Millionen Arbeiter von Bangladesch bis Mexiko ihre Jobs ver­lo­ren hätten.

Oxfam wirft den Konzernen außer­dem vor, dass sie mit ihrer Unternehmenspolitik die Ungleichheit in der Coronakrise ver­stär­ken. Während Arbeiter, ihre Familien und Kleinbetriebe sich gera­de so über Wasser hiel­ten, sei es den Konzernen gelun­gen, sich von den wirt­schaft­li­chen Folgen abzu­kop­peln oder mit der Krise sogar Gewinn zu machen. Gleichzeitig pro­fi­tie­ren beson­ders die Wohlhabenden von den hohen Ausschüttungen. Während die Armen stark unter der Pandemie lei­den, wer­den die Reichen noch reicher.

Allein die 25 reich­sten Milliardäre der Welt haben ihr Vermögen von Mitte März bis Ende Mai Oxfam zufol­ge um 255 Milliarden Dollar ver­grö­ßert. Wie viel das im ein­zel­nen aus­macht, zeigt das Beispiel von Amazon-Chef Jeff Bezos. Er könn­te jedem sei­ner 876.000 Mitarbeiter einen Bonus in Höhe von 105.000 Dollar zah­len – und wäre immer noch so reich wie zu Beginn der Coronakrise, rech­net die NGO vor.

Während einer­seits 400 Millionen Jobs durch die Pandemie ver­lo­ren gegan­gen sind, stei­gern die 32 pro­fi­ta­bel­sten Unternehmen der Welt ihren Gewinn in die­sem Jahr um 109 Milliarden Dollar. Allein auf Microsoft Google, Apple, Facebook und Amazon ent­fal­len davon 46 Milliarden Dollar. In Europa wie­der­um zäh­len laut Oxfam Nestlé, die Deutsche Telekom und Telecom Italia zu den größ­ten Profiteuren der Krise. "Die enor­men Gewinne der Unternehmen wären kein Problem, wenn sie geteilt wür­den und der Rest der Gesellschaft davon pro­fi­tie­ren wür­de", schreibt Oxfam. Stattdessen aber wür­den die 32 größ­ten Corona-Profiteure unter den Konzernen 88 Prozent ihrer Gewinn an ihre Aktionäre ausschütten.«

Frieden, Freiheit, EU

Die Analyse von Oxfam dürf­te zutref­fen. Die Forderungen sind eher rüh­rend. Von Kapitalisten zu ver­lan­gen, ihre Gewinne zu tei­len, ähnelt dem an die Sonne gerich­te­ten Wunsch, sie möge bit­te im Westen auf­ge­hen. Die EU zu mah­nen, Unternehmen auf das Gemeinwohl zu ver­pflich­ten, ver­kennt ihren Zweck, der u.a. die "Sicherstellung eines frei­en und unver­fälsch­ten Wettbewerbs" umfaßt (s. Wikipedia)..

Gerade die Analyse der Geschichte der EU könn­te einen Brückenschlag zwi­schen "Corona-KritikerInnen" und Kapitalismus-GegnerInnen ermög­li­chen. Erinnert sei dar­an, was Wikipedia zum "Vertrag über eine Verfassung für Europa" schreibt:

»Er soll­te ursprüng­lich am 1. November 2006 in Kraft tre­ten. Da jedoch nach geschei­ter­ten Referenden in Frankreich und den Niederlanden nicht alle Mitgliedstaaten den Vertrag rati­fi­zier­ten, erlang­te er kei­ne Rechtskraft…

In Deutschland wur­de ein Referendum zwar von der FDP gefor­dert; hier­für wäre jedoch eine Grundgesetzänderung not­wen­dig gewe­sen, die von den übri­gen Parteien abge­lehnt wur­de. Ein euro­pa­wei­tes Referendum, wie es etwa die Europäischen Grünen vor­schlu­gen, fand eben­falls kei­ne mehr­heit­li­che Zustimmung.«

Auch in Dänemark, Irland, Portugal und Großbritannien waren Referenden geplant, deren Ausgang unge­wiß schien.

Da man den euro­päi­schen Völker nicht trau­en konn­te, nah­men statt ihrer sich die Regierungen das Recht auf eine EU nach ihren Vorstellungen. So

»… schlos­sen im Dezember 2007 die euro­päi­schen Staats- und Regierungschefs unter por­tu­gie­si­scher Ratspräsidentschaft den Vertrag von Lissabon ab, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. Ein erneu­tes fran­zö­si­sches oder nie­der­län­di­sches Referendum im Zuge des­sen fand nicht statt…«

Herausgekommen war eine Staatengemeinschaft mit einem Parlament, das kei­ne eige­nen Gesetzesvorschläge ein­brin­gen darf, in der die Mitgliedstaaten ver­pflich­tet sind, „ihre mili­tä­ri­schen Fähigkeiten schritt­wei­se zu ver­bes­sern“, mit kaum kon­trol­lier­ten KommissarInnen und fak­tisch allein ent­schei­den­den Staats- und Regierungschefs.

Wenn der Gedanke von "Frieden und Freiheit" bei den "Corona-Protesten" sich mit einer Kritik der unde­mo­kra­ti­schen, unso­zia­len und mili­ta­ri­sti­schen Strukturen der EU tref­fen könn­te, wäre das eine pro­duk­ti­ve Begegnung.

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

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