Drosten gibt nicht auf

In sei­nem Kampf um Lockerung der Prüfbedingungen für neue Impfstoffe bleibt Christian Drosten hartnäckig.
Der Mann, dem wir unsterb­li­che Sätze ver­dan­ken wie "Wir sind jetzt gera­de in der anstei­gen­den Flanke einer expo­nen­ti­el­len Wachstumskinetik", hat­te schon am 18.3. erklärt:
»Wenn wir nicht eine erhöh­te Todesrate in der älte­ren Bevölkerung akzep­tie­ren wol­len, dann müs­sen wir, was den Impfstoff angeht, regu­la­ti­ve Dinge außer Kraft set­zen – und schau­en, wo kön­nen wir einen Impfstoff her­bei­zau­bern, der schon rela­tiv weit ent­wickelt ist, der viel­leicht schon kli­nisch aus­pro­biert wur­de", erklärt Drosten. Dies sei aber sei­ne ganz per­sön­li­che Meinung, betont er in dem Podcast. 
Für sol­che Risiken bei einer ver­än­der­ten Zulassung müss­te dann der Staat haf­ten.« Link

Man mag ihm zugu­te hal­ten, daß damals die Infektionen nach den ver­öf­fent­lich­ten Zahlen in die Höhe schos­sen. Nur, woll­te er das nicht viel­leicht? Am 20.3. erklär­te er auf die Frage in einem Interview mit der Zeit:

»ZEIT ONLINE: Wie lan­ge kom­men wir hier­zu­lan­de mit dem Testen noch hinterher?

Drosten: Irgendwann wird das nicht mehr mög­lich sein…

Man muss Abkürzungen neh­men. Wenn eine Person im Haushalt posi­tiv gete­stet wur­de, könn­ten wir den gan­zen Haushalt als posi­tiv defi­nie­ren – auch ohne Test. Weil man ein­fach weiß, dass es so ein­tre­ten wird: Ist ein Familienmitglied infi­ziert, steckt es alle ande­ren an. Sagt man gleich, die sind alle posi­tiv, spart man sich viel Testaufkommen… Ich wer­de das jetzt auch in Gesprächen mit Gesundheitsämtern in Deutschland vorschlagen.«

Nach Drosten, der damit die off­zi­el­le Linie vor­gibt (ver­knif­fen sei hier der Hinweis auf die BMGS), hilft ange­sichts der Zahlen dann nur Impfen. Notfalls mit einem Impfstoff, der schon rela­tiv weit ent­wickelt ist, der viel­leicht schon kli­nisch aus­pro­biert wur­de. Man kommt nicht umhin, das ver­ant­wort­li­ches medi­zi­ni­sches Handeln zu nennen…

Natürlich weiß Drosten es bes­ser. Nicht, weil es für ihn eine neue Erkenntnis wäre, son­dern weil es inzwi­schen all­ge­mein beob­acht­bar war, stell­te er Ende April in sei­nem Podcast klar, daß sich in einem Haushalt "viel­leicht 15 Prozent" anstecken. Da gebe es eine "gewis­se Hintergrundimmunität". Er reagier­te damit auf eine Studie eines Immunologen der Charité, in der 34% der Probanden eine Hintergrundimmunität auf­wie­sen. Doch Drosten wäre nicht Drosten, wenn er nicht nachschöbe:

»Es ist nicht so, dass man aus so einer ein­fa­chen wis­sen­schaft­li­chen Information immer gleich was für den Verlauf der Epidemie und das Schicksal der Pandemie in Deutschland ablei­ten kann.«

Das gilt näm­lich nur für sei­ne eige­nen Studien.

Das Drostensche Prinzip ist: Besorgniserregende Warnungen raus­hau­en, die mas­sen­me­di­al ver­brei­tet wer­den. Anschließende vor­sich­ti­ge Relativierungen gibt es immer wie­der. Sie wer­den nur nicht mehr rezi­piert. Ein Beispiel: Am 2.4. bekräf­tigt er in einem wei­te­ren Podcast die Forderung nach Lockerung der Zulassungsregeln, gibt aber beschei­den zu bedenken:

»Ich bin kein Impfstoffforscher, ich bin ein all­ge­mei­ner Wald- und Wiesen-Virologe, viel­leicht mit Spezialkenntnissen zu epi­de­mi­schen Coronaviren. Aber die Impfstoffforschung, Entwicklung von Impfstoffen, wird immer mehr zu einer eige­nen Wissenschaft. Da stecke ich nicht mittendrin.«

Nachdem er zwei Stränge der Impfstoffentwicklung dar­stellt, resü­miert er in sei­ner flap­si­gen Art:

»Ab einem bestimm­ten Zeitpunkt muss sich eine Firma, die eigent­lich stets auch mit aka­de­mi­schen Gruppen zusam­men­ar­bei­tet, auf einen der Wege ein­schie­ßen. Dann kann man das nicht mehr ein­fach ver­glei­chen. Man kann nicht erwar­ten, dass Impfstoffstudien durch­ge­führt wer­den, wo ein­fach bei­de Wege mit­ein­an­der ver­gli­chen wer­den. Das über­steigt ein­fach jede zu lei­sten­de Arbeit und jeden leist­ba­ren, auch Finanz- und Organisationsaufwand. Die Arbeitsgruppen müs­sen ein­fach ab einem bestimm­ten Zeitpunkt ihre Studien für sich, für ihre Vakzinen durch­zie­hen und erst mal die Daten so sam­meln, dass die im Kasten sind, dass man das sicher hat. Und dann, hin­ter­her, kann man vergleichen.«

Als über­zeug­te Marktwirtschaftler erklärt Drosten, war­um es gigan­ti­sche öffent­li­che Gelder für die Forschung gibt, sie aber in Konkurrenz der Pharmaindustrie vor­ge­nom­men wird:

»[Es ist] so, dass natür­lich auch Betriebsgeheimnisse bestehen. Das sind nun mal Industrieunternehmungen, so einen Impfstoff zu machen. Also die Vorstellung, dass eine Uniklinik einen Impfstoff macht, ist falsch. So was gibt es nicht. Impfstoffe wer­den nur in der Industrie her­ge­stellt. Da gibt es natür­lich extrem hohe Investitionsvolumina, die getä­tigt wer­den müs­sen. Da müs­sen bestimm­te Dinge geschützt werden…

Und die Vorstellung, dass das alles nur Steuergelder sind, also die CEPI, das sind ja Forschungsfördermittel von ver­schie­de­nen Ländern, die in einen gro­ßen Topf getan wer­den. Das stimmt, das sind Steuergelder. Aber die ste­hen den­noch nur ergän­zend da zu der Grundinvestition von wich­ti­gen phar­ma­zeu­ti­schen Unternehmen, und auch von risi­ko­rei­chen bio­tech­no­lo­gi­schen Start-up-Firmen, deren Schicksal an sol­chen Dingen hängt. Das ist also eher, war­um die­ser gan­ze Impfstoffbereich zumin­dest bis zu einem bestimm­ten Zeitpunkt in der Entwicklung nicht voll­kom­men offen ist, son­dern auch einem gewis­sen Schutz unter­lie­gen muss.«

Impfstoffe sol­len es für ihn schon sein, aber bit­te von den Richtigen her­ge­stellt. Große Skepsis gegen­über einem bil­li­gen und schnell ver­füg­ba­ren Impfstoff aus China äußert er in sei­nem Podcast vom 24.4. Auch die­se Warnung wur­de brei­test­mög­lich publiziert.


Was es mit Drostens Forderung auf sich hat, erklär­te am 20.3. Dr. Fabian Huber, Jurist der inter­na­tio­na­len Großkanzlei Simmons & Simmons LLP im Bereich Healthcare and Life Sciences:

»Im Hinblick auf das Coronavirus (SARS-CoV‑2) sind mög­li­cher­wei­se die Ausnahmen nach der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung in Betracht zu zie­hen. Diese Verordnung sieht bei­spiels­wei­se für den Bereich des Zivilschutzes und des Katastrophenschutzes auch Ausnahmen von der arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Zulassungspflicht vor. Mit Hilfe die­ser Ausnahmen könn­te ein Impfstoff durch­aus schnel­ler auf den Markt gebracht wer­den – ohne, dass arz­nei­mit­tel­recht­li­che Vorschriften „außer Kraft“ gesetzt wer­den müssten…

Der kon­kre­te Vorschlag käme einer staat­li­chen Produkthaftung gleich, die es so nicht gibt. Es ist nicht der Staat, der das Arzneimittel – hier einen Impfstoff – her­stellt oder auf den Markt bringt. Insofern hal­te ich von die­sem Vorschlag eher weni­ger, zumal das Arzneimittelgesetz grund­sätz­lich schon für einen (mate­ri­el­len) Schutz des Patienten sorgt. Anders ist es natür­lich, wenn eine Impfung bei­spiels­wei­se behörd­lich emp­foh­len oder sogar ange­ord­net wür­de. Hier wür­de auch von staat­li­cher Seite aus für Schäden gehaf­tet, und zwar nach den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes…

Die Verwendung von vor­han­de­nen Impfstoffen gegen das Coronavirus (SARS-CoV‑2) setzt vor­aus, dass die ent­spre­chen­den Impfstoffe kon­kret in Bezug auf das Coronavirus (SARS-CoV‑2) nach den arz­nei­mit­tel­recht­li­chen Vorschriften erprobt und auch (grund­sätz­lich) zuge­las­sen wur­den. Eine Impfung „ins Blaue hin­ein“, nur weil ent­spre­chen­de Impfstoffe für ein altes Coronavirus (SARS-CoV) erprobt wur­den, wäre wohl nicht nur aus juri­sti­scher Sicht unver­tret­bar. « Link zum Focus


Auch Karl Lauterbach (SPD und ehe­mals Aufsichtsrat der pri­va­ten Rhön Klinikum AG) stößt am 24.3. ins Horn der Liberalisierung:

»Müssen die Hürden also gesenkt wer­den, damit Impfstoffe schnel­ler ent­wickelt und zuge­las­sen wer­den kön­nen in Deutschland? Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält das für sinn­voll. Es dür­fe nicht sein, dass die Entwicklung eines Impfstoffs an poli­ti­schen Regularien hän­gen blei­be oder ver­zö­gert wer­de, so Lauterbach.« Link zur Tagesschau

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

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