Das geheimnisvolle Corona-Hoch

So ist die Rubrik "Börsenwoche" der FAZ am 5.9. über­schrie­ben. Dort wird über das "Corona-Hoch" im DAX spe­ku­liert. Es wird etwa erör­tert, daß es "dem DAX schließ­lich voll­kom­men egal ist", war­um er steigt, oder daß ein "Rücksetzer auf 10 780 Punkte 'chart­tech­nisch hel­fen'" könn­te. Es wird ver­mel­det, daß zu den Gewinnern Continental gehört.

»Der Automobilzulieferer, so zynisch kann die Börse sein, hat­te einen dra­ma­ti­schen Stellenabbau angekündigt.«

Gerade erst hat das Unternehmen sei­ne Geschichte auf­ar­bei­ten las­sen. Dabei zeig­te sich: Conti war "Rückgrat" der NS-Wirtschaft. Der Großbetrieb hat­te nicht nur am Ersten Weltkrieg ordent­lich profitiert.

»Der Münchener Historiker Paul Erker kommt in sei­ner mehr als 850 Seiten umfas­sen­den Studie zu dem Ergebnis, dass der Konzern eng mit dem natio­nal­so­zia­li­sti­schen Regime ver­bun­den und Teil der Ausbeutungsmaschinerie eines tota­li­tä­ren Systems war. Conti sei ein wich­ti­ger Akteur in einer Branche gewe­sen, die "das eigent­li­che Rückgrat der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Rüstungs- und Kriegswirtschaft" bil­de­te, so der Wissenschaftler. "Die Lektüre war an vie­len Stellen sehr bedrückend", sag­te Conti-Chef Elmar Degenhart…

Sie bau­ten Reifen für Militärfahrzeuge, Panzerbremssysteme, Flugzeugteile, Steuergeräte für Raketen, Schuhabsätze für Armeestiefel und zu guter Letzt Gasmasken. Zuvor sei das Unternehmen auf Parteilinie gebracht wor­den. Jüdische Mitarbeiter und Manager ver­lie­ßen die Conti. Viele Führungskräfte tra­ten der NSDAP bei. "Im Laufe der 1930er Jahre hat sich das Unternehmen dann aber selbst ari­siert", sag­te Erker. Täter und Betreiber von Diffamierungskampagnen muss­ten sich häu­fig ver­ant­wor­ten. Das Management sei über wei­te Strecken "aktiv invol­viert" gewesen.

Kapitel Zwangsarbeiter
Der Konzern soll rund 10.000 Zwangsarbeiter ein­ge­setzt und "bis zu Entkräftung und Tod aus­ge­beu­tet und miss­han­delt" haben, so Erker. Sie sei­en in der Fertigung von Gasmasken und bei der Produktion unter Tage ein­ge­setzt wor­den. "Die dama­li­gen Entscheidungen waren durch nichts zu recht­fer­ti­gen", sag­te Degenhart. Über die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft hat Conti nach eige­nen Angaben einen zwei­stel­li­gen Millionenbetrag für die Entschädigung ehe­ma­li­ger Zwangsarbeiter zur Verfügung gestellt. "Damit ist noch kein Schlussstrich gezo­gen", sag­te Degenhart.

Kapitel Ausbeutung
Eine beson­ders gro­tes­ke Geschichte habe sich im Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg nörd­lich von Berlin zuge­tra­gen – auf der soge­nann­ten Schuhprüfstrecke. Gefangene muss­ten täg­lich stun­den­lang in Schuhen mit Conti-Sohlen um die­se Prüfstrecke her­um lau­fen, um die Leistungsfähigkeit des Materials zu über­prü­fen – bei jedem Wetter und täg­lich. Prügel waren vor­pro­gram­miert. "Die jewei­li­gen Leiter waren für ihre Brutalität bekannt, und es gab zahl­rei­che Fälle vor­sätz­li­cher Ermordung von dort ein­ge­setz­ten Häftlingen", so Erker. "Und jede Runde kamen sie am Galgen des KZ-Lagers vorbei."

"Verantwortung und Zukunft": Conti will Werte stärken
Conti will die Ergebnisse der Aufarbeitung der Vergangenheit für die Sensibilisierung der Beschäftigten in der Zukunft nut­zen. "Wir hal­ten es nicht für oppor­tun, unter­schied­li­che Gruppen der Gesellschaft aus­zu­schlie­ßen. Rassismus ist unter kei­nen Umständen tole­rier­bar", sag­te Degenhart. 2016 ist Conti mit einem Programm gestar­tet, das Nachwuchskräfte in die Auseinandersetzung mit der Firmenhistorie gebracht hat. 450 Auszubildende hät­ten seit­dem die­ses Programm in Hannover durch­lau­fen, hieß es. Es sol­le nun unter dem Titel "Verantwortung und Zukunft" wei­ter­ge­führt wer­den – für alle Beschäftigten.
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Was Verantwortung in der Gegenwart angeht: Siehe oben.

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