„Ich bin nicht mehr bereit, diese heile Scheinwelt aufrechtzuerhalten“

Aich­ba­cher Zei­tung (29.1.)

Neben vie­len ande­ren Grün­den nennt Schüssler:

»AZ: Wel­che Vor­ga­ben sind aus Ihrer Sicht absurd?

Schüssler: … Ich muss­te teil­wei­se Men­schen über Wochen in Iso­la­ti­on schi­cken, obwohl sie gesund waren, kei­ne Sym­pto­me hat­ten – nur weil ihr Test immer wie­der posi­tiv aus­fiel. Der CT-Wert des PCR- Tests war aber so hoch, dass von ihnen kei­ne Anste­ckungs­ge­fahr mehr aus­ging. Das sind frei­heits­ent­zie­hen­de Maßnahmen.

AZ: Sie hätten sich also mehr Frei­raum für indi­vi­du­el­le Ent­schei­dun­gen für das Gesund­heits­amt gewünscht?

Schüssler: Ja. Vor der Pan­de­mie hat­ten wir ein Mit­spra­che­recht und konn­ten im Ein­zel­fall prüfen, wie lan­ge jemand iso­liert wer­den muss­te. Man hat auf unse­re Kom­pe­tenz ver­traut. Seit der Pan­de­mie wur­de mei­ne sehr selbstständige Arbeits­wei­se dras­tisch eingeschränkt… Wir wur­den überschwemmt von zusätzlichen, teils fach­lich unsin­ni­gen Auf­ga­ben und ver­lo­ren dadurch den Fokus auf das Wesent­li­che, nämlich den Schutz der alten und vul­ner­ablen Personen.

AZ: Aktu­ell sind Sie die ein­zi­ge in Voll­zeit beschäftigte aus­ge­bil­de­te Hygie­ne­kon­trol­leu­rin am Gesund­heits­amt. Sie geben Ihre Stel­le nun auf. Damit ver­lie­ren Sie auch Ihren Beam­ten­sta­tus. War­um haben Sie sich für die­sen Schritt entschieden?

Schüssler: Ich kann mich mit der Insti­tu­ti­on Frei­staat Bay­ern und dem Beam­ten­tum nicht mehr iden­ti­fi­zie­ren. Ich fühlte mich gefan­gen in einem Sys­tem mit streng hier­ar­chi­schen, star­ren und ver­al­te­ten Struk­tu­ren. Ich bin jung, moti­viert und mag mei­nen Beruf sehr. Seit Pan­de­mie­be­ginn kann – ja darf – ich mei­ne Tätigkeit nicht mehr nach rein fach­li­chen Gesichts­punk­ten ausüben. Die Ämter ver­lie­ren immer mehr Fachpersonal.

AZ: Per­so­nal­man­gel war und ist am Aich­acher Gesund­heits­amt ein Problem.

Schüssler: Ja, vor allem herrscht aku­ter Man­gel an aus­ge­bil­de­tem Fach­per­so­nal. Und es wird nichts dage­gen unter­nom­men. Wenn ich gehe, steht das Amt ohne Voll­zeit-Hygie­ne­kon­trol­leu­rin da. Die Stel­le ist noch nicht ein­mal aus­ge­schrie­ben. Wir waren zeit­wei­se sogar ohne Amts­arzt tätig. Auch aktu­ell gibt es in Aichach kei­nen festen Amts­arzt… Zum Ver­gleich: Vor der Pan­de­mie hat­ten wir vier Amtsärzte. Hin­zu kommt, dass momen­tan ein Nicht­me­di­zi­ner das Amt lei­tet, weil es die Regie­rung von Schwa­ben in über einem Jahr nach der Abord­nung von Dr. Pürner (ehe­ma­li­ger Gesund­heits­amts­lei­ter, Anmer­kung der Redak­ti­on) nicht geschafft hat, die Stel­le dau­er­haft zu besetzen…

Mit der Abord­nung von Dr. Pürner ist das Team aus­ein­an­der­ge­fal­len und alles begann zu bröckeln. Nach außen wur­de die Situa­ti­on anders dar­ge­stellt als sie in Wahr­heit war und ist…

AZ: Haben Sie die­se The­men intern angesprochen? 

Schüssler: Ich habe das, was in mei­nen Augen schiefläuft, oft intern ange­spro­chen. Ohne Erfolg…

AZ: War­um wen­den Sie sich nun an die Öffentlichkeit?

Schüssler: Weil ich hof­fe, dass sich dadurch etwas ändert. Ich bin nicht mehr bereit, die­se hei­le Schein­welt nach außen mit auf­recht­zu­er­hal­ten… Hier ist so viel schief­ge­lau­fen. Die mas­si­ven Versäumnisse wur­den unter den Tep­pich gekehrt und mei­ner Ansicht nach ver­tuscht. Mich persönlich hat das rich­tig zer­ris­sen…«


Zum "Fall Pür­ner" sie­he Bay­ern: Gesund­heits­amt-Chef straf­ver­setzt und ver­schie­de­ne ande­re Bei­trä­ge hier.

5 Antworten auf „„Ich bin nicht mehr bereit, diese heile Scheinwelt aufrechtzuerhalten““

  1. Der Rest vom Inter­view betrifft das Fried­ber­ger Krankenhaus.
    https://​www​.br​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​b​a​y​e​r​n​/​s​i​e​b​e​n​-​t​o​d​e​s​f​a​e​l​l​e​-​t​a​s​k​-​f​o​r​c​e​-​b​e​l​a​s​t​e​t​-​f​r​i​e​d​b​e​r​g​e​r​-​k​l​i​n​i​k​-​s​c​h​w​e​r​,​S​P​p​J​PLz

    Es ist schon lan­ge ein gene­rel­les Pro­blem in deut­schen Kran­ken­häu­sern. Vie­le Men­schen kom­men da krän­ker her­aus als sie hineingehen.
    https://​www​.rki​.de/​D​E​/​C​o​n​t​e​n​t​/​S​e​r​v​i​c​e​/​P​r​e​s​s​e​/​P​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​e​n​/​2​0​1​9​/​1​4​_​2​0​1​9​.​h​tml
    "Die in der neu­en Stu­die geschätz­te Zahl der noso­ko­mia­len Infek­tio­nen in Deutsch­land liegt bei 400.000 bis 600.000 pro Jahr und damit im Bereich vor­he­ri­ger Hoch­rech­nun­gen. Die Zahl der Todes­fäl­le kann durch die wei­ter­ent­wi­ckel­te Metho­dik ver­läss­li­cher erfasst wer­den und liegt jetzt bei 10.000 bis 20.000. Eine frü­he­re Schät­zung hat­te 10.000 bis 15.000 Todes­fäl­le pro Jahr erge­ben. Gene­rell sind Todes­fäl­le durch noso­ko­mia­le Infek­tio­nen schwer zu bestim­men, ins­be­son­de­re weil vie­le Betrof­fe­ne an schwe­ren Grund­krank­hei­ten lei­den, die bereits ohne Kran­ken­haus­in­fek­ti­on häu­fig zum Tod führen."

  2. Ja, das ken­ne ich, was sie beklagt. Ich arbei­te in Pro­jek­te und wenn irgend­wel­che Ter­mi­ne ein­rei­ßen zu dro­hen, kom­men die Feu­er­wehr­män­ner, die alles auf den Kopf stel­len und selbst Din­ge in Angriff neh­men, wo es gar kei­ne Pro­ble­me gibt. Die Feu­er­wehr­män­ner müs­sen sich pro­fi­lie­ren. Und die Poli­tik hat bei einem medi­zi­ni­schen The­ma ver­sucht sich zu pro­fi­lie­ren, des­we­gen stand auch nie die Behand­lung einer Krank­heit im Vor­der­grund, denn da kann sich kein Poli­ti­ker pro­fi­lie­ren. Ein Poli­ti­ker kann sich pro­fi­lie­ren, wenn er Mas­ken bestellt und Mas­ken­ver­ord­nun­gen erlässt (so geschah es). Ein Poli­ti­ker kann sich pro­fi­lie­ren, wenn er Lock­downs und Kon­takt­ver­bo­te erlässt und sich "sin­ken­de Inzi­den­zen" ans Revers hef­ten kann (so geschah es, auch wenn schon im Früh­jahr 2020 klar war, dass der Coro­na-Hus­ten mit zuneh­men­den Tem­pe­ra­tu­ren ohne­hin sinkt). Und dann ist da doch nicht die­se Pro­phy­la­xe vom Onkel Ugur. Die Immu­ni­tät steigt ja auf natür­li­che Wei­se, wes­halb die auch in Gän­ze Koch­salz­lö­sun­gen hät­ten ver­sprit­zen kön­nen. Dann wären uns Impft­o­te erspart geblieben.

  3. Die Kom­pe­tenz an der Spit­ze von Gesund­heits­äm­tern scheint mir ein all­ge­mei­nes Pro­blem zu sein.
    Die Lei­te­rin des Gesund­heits­am­tes in mei­nem Land­kreis zum Bei­spiel ist Psy­cho­lo­gin. Immer­hin irgend­et­was medi­zi­ni­sches, bes­ser als nichts, soll­te man meinen.
    Aber die Dame hat kürz­lich gesagt, das Infek­ti­ons­ge­sche­hen wür­de immer dif­fu­ser, offen­sicht­lich rei­che jetzt schon, wenn im Super­markt kurz die Mas­ke ver­rut­sche. Hin­ter­grund der Äuße­rung war, dass man die hohen Zah­len kei­nen Aus­brü­chen mehr zuord­nen kann.
    Dar­auf, dass sym­ptom­freie (das sind mitt­ler­wei­le fast alle) Men­schen mit einem posi­ti­ven PCR-Test mög­li­cher­wei­se nie­man­den mi rein­rei­ßen wol­len und dem Gesund­heits­amt nicht von der 2G+Party oder dem Abend mit unge­impf­ten Freun­den erzäh­len kommt die Dame als Psy­cho­lo­gin nicht…
    So paart sich ideo­lo­gi­sche Blind­heit mit Unwis­sen­heit über die Ver­brei­tung von Krank­hei­ten. Am Ende gehen dann die Leu­te, die etwas von ihrem Job ver­ste­hen, und die Befehls­aus­füh­rer bleiben.

  4. Falls Frau Schüss­ler das mitliest:
    Ich kann Ihren Schritt ver­ste­hen und bewun­de­re ihren Mut und Ihre Auf­rich­tig­keit, die­sen Schritt gegan­gen zu sein! Intel­li­gen­te, mit­den­ken­de Men­schen wer­den im öffent­li­chen Dienst zer­rie­ben. Ich ken­ne das Sys­tem selbst von innen. Mei­ne Hoch­ach­tung, dass sie sich dort raus­ret­ten konn­ten! Vie­le ande­re schaf­fen das nicht. Ich wün­sche Ihnen für die Zukunft alles Gute und dass sie einen Bereich fin­den, wo Sie sich etwas Neu­es auf­bau­en können!
    Dan­ke, dass Sie den Mut haben, die­se Zustän­de anzu­spre­chen. Aber wirk­lich viel wich­ti­ger ist, dass sie per­sön­lich dort weg­ge­gan­gen sind, denn als Hand­lan­ger des Bösen soll­te man nicht arbeiten.

  5. Das war eine gute Tat. Man kann eine Dik­ta­tur nicht ver­hin­dern, indem man mit­macht. Es wer­den Schlech­te­re nach­fol­gen, davon gibt es genug. Sie­he die Ver­bre­cher in Berlin.

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