(K)eine akademische Karriere

Es gibt aka­de­mi­sche Lebensläufe mit vie­len Fragezeichen, die den­noch in Ruhm und Ehren gip­feln. Und es gibt ande­re Fälle. Einen beschreibt faz​.net am 23.10. unter der Überschrift "Verletzung des Rechts: Wie Sachsens Verfassungsschutz einen Menschen kalt­stell­te". Dort liest man:

»… Zehn Jahre lang hat­te der etwa nicht die qua­si vor sei­ner Haustür unter­ge­tauch­ten Mörder der rechts­extre­mi­sti­schen Gruppe NSU ent­deckt und statt­des­sen einen "Sachsensumpf" genann­ten Skandal her­bei­phan­ta­siert, der den Freistaat repu­blik­weit zum Gespött machte.

Angesichts des­sen wun­dert ein neu­er­li­cher Fall, der nun zum Nachteil des Landes aus­ging, kaum: Vor dem Oberlandesgericht Dresden stimm­te der Freistaat nach lan­gem Prozess und drin­gen­der Empfehlung durch die Richter einer Schadenersatzzahlung über 145.000 Euro an einen Bürger zu, des­sen Existenz Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bei­na­he ver­nich­tet hät­ten. Die Entscheidung selbst und vor allem die Höhe der Summe dürf­ten bun­des­weit ein­ma­lig sein, über die Gründe aber schwei­gen sowohl der Verfassungsschutz als auch das Innenministerium beharrlich.

Der Geschädigte Omar B., ein Mann heu­te mitt­le­ren Alters, der mit sei­nem rich­ti­gen Namen nicht in der Öffentlichkeit auf­tau­chen will, kommt vor 20 Jahren aus dem Nahen Osten nach Sachsen, absol­viert an einer Universität ein natur­wis­sen­schaft­li­ches Studium, pro­mo­viert und hat eine wis­sen­schaft­li­che Karriere vor sich. Zunächst arbei­tet er bun­des­weit mit Jahresverträgen und hat 2010 in Sachsen, wo er mit sei­ner Frau lebt, einen Dreijahresvertrag an einer Universität in Aussicht, für den sich auch sein frü­he­rer Institutsleiter stark­macht. Kurz vor der Unterzeichnung jedoch lehnt die Universitätsleitung auf ein­mal ohne Begründung ab. Der Institutsleiter, der den Mann hal­ten will, beschäf­tigt ihn dar­auf­hin an einer befreun­de­ten Einrichtung, wo B. noch in der Probezeit gekün­digt wird. Auch die Vermittlung an ein Forschungsinstitut in einer ande­ren Stadt, wohin er nun mit sei­ner Familie umzieht, endet mit einer begrün­dungs­lo­sen Kündigung in der Probezeit.

B. und sei­ne wis­sen­schaft­li­chen Förderer sind rat­los. An sei­ner Arbeit, da sind sie sich sicher, kann es nicht lie­gen. Bitten um Begründungen leh­nen alle Arbeitgeber ab, sie müs­sen die­se in der Probezeit auch nicht geben. B. aber, der inzwi­schen drei schul­pflich­ti­ge Kinder hat, steht nun arbeits­los und ohne Einkommen da. Er schreibt, so schil­dert es sein Rechtsanwalt, mehr als 100 Bewerbungen, die wegen der nicht plau­si­blen Kündigungen jedoch erfolg­los blei­ben, arbei­tet dann pre­kär selb­stän­dig, um sich und sei­ne Familie über Wasser zu hal­ten. Vor allem aber will er wis­sen, war­um ihm mehr­fach gekün­digt wur­de, auch um sich end­lich dage­gen weh­ren zu kön­nen. Eine unbe­grenz­te Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis besitzt B. längst, und als Nachfragen bei Ausländerbehörde und Ausländerbeauftragtem ergeb­nis­los blei­ben, wen­det er sich an die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, die ihn an den Datenschutzbeauftragten ver­weist. Inzwischen sind fünf Jahre ins Land gegangen.

Der Datenschutzbeauftragte fin­det eine Spur
Der Datenschutzbeauftragte lässt den Fall unter­su­chen – und wird beim Verfassungsschutz fün­dig. Er kann B. jedoch nur eine zum Großteil geschwärz­te Auskunft ertei­len. Immerhin ist dar­in zu erfah­ren, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes B. bei sei­nen tat­säch­li­chen und poten­ti­el­len Arbeitgebern hin­ter sei­nem Rücken ange­schwärzt haben. Der Anlass dafür waren offen­bar Besuche sowie sei­ne gele­gent­li­che Tätigkeit als Vorbeter im "Arbeitskreis mus­li­mi­scher Studenten", den es damals offi­zi­ell an der Universität gab und dem das Rektorat sogar Räume zur Verfügung gestellt hat­te. Obwohl der Verfassungsschutz offen­bar kei­ner­lei Anhaltspunkte für eine Gefährdung fest­stell­te – wes­halb er der Ausländerbehörde auch kei­ne Verwehrungsgründe für die Daueraufenthaltserlaubnis mit­teil­te –, warn­te er die Arbeitgeber münd­lich vor dem Betroffenen, der angeb­lich radi­kal sowie ein Extremist und Hauptdrahtzieher sei, wes­halb die­se sich von ihm tren­nen müssten.

Die Gründe dafür lie­gen bis heu­te im Dunkeln. B. ist weder vor­be­straft noch kri­mi­nell in Erscheinung getre­ten. Dennoch for­der­ten die Verfassungsschützer die Universitäts- und Institutsleitungen expli­zit auf, über die Gespräche streng­stens zu schwei­gen, obwohl die­se B. min­de­stens hät­ten mit­tei­len müs­sen, dass sie sei­net­we­gen mit dem Geheimdienst in Kontakt stan­den. Sachsens Datenschutzbeauftragter Andreas Schurig sieht in die­sen "rechts­wid­ri­gen Übermittlungen", die es drei Jahre lang gab, einen kla­ren Rechtsverstoß, auf den er mit dem ver­gleichs­wei­se schar­fen Mittel einer Rüge reagier­te und dem Fall im Jahresbericht 2017 vier Seiten widmete…

B. aller­dings will nun noch wis­sen, was die Verfassungsschützer einst ande­ren über ihn erzähl­ten, und hat des­halb vor dem Verwaltungsgericht in Dresden auf Auskunft geklagt. Er glaubt, dass das Amt ihm gegen­über zumin­dest die Daten offen­le­gen muss, die es auch sei­nen Arbeitgebern über­mit­telt hat. Der Verfassungsschutz und das Innenministerium sträu­ben sich dage­gen mit aller Macht. Der Prozess ist noch anhän­gig, aber soll­te das Gericht B.s Auffassung fol­gen, wäre das wohl recht­li­ches Neuland, hat doch ein Geheimdienst schon im Namen ste­hen, dass er sei­ne Informationen nicht öffent­lich zu Markte trägt.

Für Rechtsanwalt Thomas Giesen, der mal Sachsens Datenschutzbeauftragter war und B. in dem Verfahren ver­tritt, ist die Sache klar: "Das Amt kann nicht auf Geheimhaltung bestehen, wenn es bereits den Arbeitgebern mei­nes Mandanten gehei­me Informationen wei­ter­ge­ge­ben hat", sagt er…«

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