Zu diesen Fragen erreichen mich einige Zuschriften. Darin wird beispielsweise darauf hingewiesen, daß andere Hochschulen unter definierten Bedingungen die Herbeiziehung eines dritten Gutachtens empfehlen. Das ist etwa in der Promotionsordnung der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von 2017 vorgesehen.
Das beschreibt das Problem. In den Darstellungen der Goethe-Universität werden an mehreren Stellen Bestimmungen herangezogen, die woanders oder zu anderen Zeitpunkten in Frankfurt galten. Das betrifft u.a. eine "Ehrenwörtliche Erklärung", die Angabe von Dekan und Prüfern und eben einen dritten Gutachter. Ausschlaggebend und von rechtlicher Bedeutung ist aber die seinerzeit geltende Prüfungsordnung. Dort gibt es diesen Passus:
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Begutachtung der Dissertation
… (2) e) Wird die Annahme der Dissertation nicht von allen Gutachter/innen empfohlen, ist ein/e weitere/r Gutachter/in zu bestellen. Danach entscheidet die Prüfungskommission über Annahme oder Ablehnung der Dissertation.«
Diese Bestimmung wird die Hochschule nicht gemeint haben.
Lange Dauer und Fachbereichsrat
Sie selbst hat die lange Dauer zwischen Einreichung (6.2.2002) und mündlicher Prüfung (22.3.2003) problematisiert. Zur Begründung wird gerade das dritte Gutachten genannt, das "den gültigen Standards entsprechend" angefordert wurde. Die Frankfurter Promotionsordnung schreibt hier keine Zeiten vor. Die oben zitierte Bestimmung aus Mainz könnte vielleicht als Standard dienen. Dort heißt es: "Die Gutachten sind innerhalb von acht Wochen nach ihrer Anforderung einzureichen."
Korrektur 15:22: Zu Recht werde ich darauf hingewiesen, daß auch § 8 (2) der Frankfurter Promotionsordnung festlegt, (danke!):
»d) Die Gutachten sollen unabhängig voneinander innerhalb von sechs Wochen erstellt werden. «
Weitere zwei Monate brauchte es für die "erforderliche, ordnungsgemäße Herbeiführung eines einstimmigen Beschlusses des Fachbereichsrates zur Bestätigung dieser Bewertung". Eine solche Erfordernis gibt es in der Promotionsordnung nicht. Dieser Rat erscheint dort in eher nicht zutreffenden Zusammenhängen:
»Der Fachbereichsrat kann den Doktorgrad entziehen. Die Entziehung richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Führung akademischer Grade.« (§ 14 2).
»Der Fachbereichsrat entscheidet in zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden promovierten Mitglieder über die Ehrenpromotion.« (§ 15 3)
Kumulative Dissertation
Weiter erhalte ich Hinweise darauf, daß eine kumulative Dissertation, also die Zusammenfassung mehrerer Publikationen z.B. in Zeitschriften, inzwischen durchaus möglich sind. Das ist richtig und wurde hier mehrfach so benannt. Auch dabei ist es aber so, daß im Jahr 2002 die Promotionsordnung von 1997 galt, und die definiert in § 12, wie eine Veröffentlichung vorzunehmen war. Eine kumulative Dissertation erscheint dort nicht.
Samstag und die Zeitbelastung
Selbstverständlich beweist die Tatsache, daß die mündliche Prüfung an einem Samstag stattfand, überhaupt nichts. Denkbar ist, daß ein oder mehrere Teilnehmer zeitlich derart überlastet waren, so daß diese Wahl getroffen werden mußte. Es könnte hier allenfalls bemäkelt werden, ob derart eine "universitätsöffentliche Disputation" (§ 10) gegeben war.
Das Problem der Zeitbelastung stellt sich auch an anderer Stelle. Die Goethe- Universität erklärt, die Dissertation sei "Ende 2001 fertiggestellt" worden. Nun hat Herr Drosten laut eigenem Lebenslauf zwischen 2000 und 2002 die 18-monatige Ausbildung als "Arzt im Praktikum" in Hamburg durchlaufen. Nach der damals geltenden Approbationsordnung für Ärzte sollte es sich dabei um eine ganztägige Tätigkeit handeln
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- im Krankenhaus,
- in der Praxis eines niedergelassenen Arztes oder einer sonstigen Einrichtung der ambulanten ärztlichen Versorgung,
- in einem Sanitätszentrum oder einer ähnlichen Einrichtung der Bundeswehr oder
- in einer Justizvollzugsanstalt mit hauptamtlichem Anstaltsarzt.
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Es sei hier unterstellt, daß die Abteilung für Virologie am BNTM damals diesen Kriterien entsprach. Neben dieser Ganztagstätigkeit in Hamburg hat Herr Drosten eine Dissertation erstellt, die eine aufwändige Laborarbeit in Frankfurt beschreibt . Sie trägt den Vermerk "Aus dem Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Blutspendedienst des DRK Hessen, Frankfurt am Main".
Habilitation
Nach academics.de, dem Portal der "Zeit" für Forschung und Lehre, gilt:
»Die Landeshochschulgesetze schreiben vor, dass Universitätsprofessoren – anders als ihre Kollegen an der Fachhochschule – neben der Promotion "zusätzliche wissenschaftliche Leistungen" vorweisen müssen. Das kann zum einen die Habilitation sein, zum anderen aber auch die Juniorprofessur, die Leitung einer Nachwuchsgruppe oder eine andere eigenständige wissenschaftliche Tätigkeit mit einem adäquaten Publikationsvolumen…
So kommt man in bestimmten Fächergruppen wie in der Medizin und den Geisteswissenschaften oft nicht um die Habilitation herum. Bei der Berufung achten die Universitäten nicht allein auf die fachliche Qualifikation der Bewerber, sondern auch auf deren internationale Vernetzung und Kontakte zu potenziellen Drittmittelgebern.«
Die Hochschulen, die Drosten beriefen, mußten Gründe haben, vom üblichen Verfahren abzuweichen und auf eine Habilitation zu verzichten. Hier sei dahingestellt, ob eher die internationale Vernetzung oder die Kontakte zu potenziellen Drittmittelgebern ausschlaggebend waren. Im übrigen wurde hier stets darauf verwiesen, daß es diese Möglichkeit rechtlich gab. Die Begleitumstände der Berufung Drostens an die Charité müssen aber Fragen provozieren (C. Drostens wundersamer Weg auf die Lehrstühle der Charité).