Kliniken 2020: Falsche Corona-Fälle, Patientenschwund und selbstgemachter Notstand

Am 18.2 ver­öf­fent­li­che mul​ti​po​lar​-maga​zin​.de einen Arti­kel der Autorin Sus­an Bonath, den sie lei­der nie in der Tages­zei­tung "jun­ge Welt", für die sie auch schreibt, hät­te unter­brin­gen kön­nen. Dar­in heißt es:

»„Kran­ke“, die nicht krank waren

Die Zahl 5.639 über­schat­te­te den Jah­res­wech­sel zu 2021. So vie­le angeb­li­che COVID-19-Inten­siv­pa­ti­en­ten führ­te das Regis­ter der Deut­schen inter­dis­zi­pli­nä­ren Ver­ei­ni­gung für Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin, kurz DIVI, am letz­ten Tag des ers­ten Pan­de­mie­jah­res 2020 auf – Ten­denz damals noch wei­ter stei­gend. Alles schwer­kran­ke Coro­na-Pati­en­ten? Mit dem Damo­kles­schwert der Tria­ge wur­de die Öffent­lich­keit in Panik ver­setzt. Erst Mit­te Dezem­ber war der Lock­down ver­schärft worden.

Doch vie­le Skep­ti­ker trau­ten schon damals den Zah­len nicht. 

Es war bekannt, dass jeder Pati­ent zunächst einen PCR-Test auf das Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2 bekam, bevor er in einer Kli­nik behan­delt wur­de – egal ob es um eine Krebs-The­ra­pie oder eine Knie-OP ging. Die­ses Vor­ge­hen hat tat­säch­lich vie­le Zufalls­fun­de zuta­ge geför­dert, die trotz posi­ti­vem Befund kei­ne Sym­pto­me der Lun­gen­er­kran­kung COVID-19 zeig­ten, wie aus einem Bericht der ZEIT die­se Woche her­vor­geht.

Dem­nach räum­ten 20 Kli­ni­ken aus ganz Deutsch­land ein, dass 20 bis 30 Pro­zent der „COVID-19-Pati­en­ten“ wegen ganz ande­rer Erkran­kun­gen oder für eine Ent­bin­dung ins Kran­ken­haus gekom­men waren. Wegen eines posi­ti­ven Tests lis­te­te sie das Robert-Koch-Insti­tut (RKI) trotz feh­len­der Sym­pto­ma­tik als COVID-19-Pati­en­ten auf. Auch die DIVI räum­te auf Nach­fra­ge der ZEIT ein: Auf den Inten­siv­sta­tio­nen wer­de jeder zehn­te im Regis­ter auf­ge­führ­te Pati­ent wegen ande­rer Erkran­kun­gen behan­delt. Der­weil die­nen gera­de die­se Zah­len der Poli­tik als Alarm­mel­der für „schwe­re Fälle“.

Das Robert-Koch-Insti­tut (RKI) wink­te auf Anfra­ge der Jour­na­lis­ten ab: Das „har­te Kri­te­ri­um“, um als COVID-Fall in die Daten ein­zu­ge­hen, sei nun mal ein posi­ti­ver Test. Doch selbst davon gibt es der­zeit immer weni­ger. Von Anfang Janu­ar, als der Höchst­stand von „COVID-Fäl­len“ auf Inten­siv­sta­tio­nen (ITS) mit 5.762 ange­ge­ben wor­den war, bis zum 18. Febru­ar san­ken die Zah­len um rund 45 Pro­zent. Wer von den aktu­ell 3.177 Pati­en­ten an COVID-19 lei­det, bleibt unklar.

Weniger Patienten als im Vorjahr

Die Hor­ror­sze­na­ri­en stim­men in wei­ten Tei­len offen­sicht­lich nicht mit der Rea­li­tät über­ein. Dafür spre­chen auch neue Daten der IQM, die der Ver­band von 431 deut­schen Kli­ni­ken erho­ben und am 16. Febru­ar ver­öf­fent­licht hat. Das ist ein Vier­tel aller Kran­ken­häu­ser in der Bun­des­re­pu­blik, die 2020 rund ein Drit­tel aller Bet­ten stellten.

Dem­nach behan­del­ten die Ein­rich­tun­gen letz­tes Jahr ins­ge­samt rund sechs Mil­lio­nen Men­schen – fast eine Mil­li­on weni­ger als 2019, wie Tabel­le 1 belegt. Tabel­le 4 gibt einen tie­fe­ren Ein­blick. Danach gin­gen auch die Pati­en­ten­zah­len auf den Inten­siv­sta­tio­nen die­ser Häu­ser gegen­über dem Vor­jahr um fast 5 Pro­zent zurück. Die Anzahl der Behan­del­ten mit Erkran­kun­gen der Atem­we­ge, soge­nann­te SARI-Fäl­le (Schwe­re Aku­te Respi­ra­to­ri­sche Infek­ti­on), zu denen COVID-19 gehört, schrumpf­te sogar um gut zehn Pro­zent. Die Sor­ge um feh­len­de Beatmungs­plät­ze kann die­se Stu­die eben­falls nicht unter­mau­ern: Eine inva­si­ve Intu­ba­ti­on muss­ten rund 163.000 Men­schen über sich erge­hen las­sen. Das waren 6,4 Pro­zent weni­ger als 2019.

Über den Grund für den Rück­gang der Pati­en­ten­zah­len lässt sich spe­ku­lie­ren. Die Annah­me, ande­re Erkran­kun­gen könn­ten zurück­ge­gan­gen sein, ist wenig plau­si­bel. Die­ser Fakt kor­re­liert aller­dings mit Hun­dert­tau­sen­den ver­scho­be­nen Ope­ra­tio­nen vor allem im Früh­jahr, dar­un­ter auch Krebsbehandlungen.

Höherer Anteil an Sterbefällen

Gestie­gen ist aller­dings der Anteil der Todes­fäl­le in den Kran­ken­häu­sern. 2019 über­leb­ten 2,3 Pro­zent aller Pati­en­ten ihren Kli­nik­auf­ent­halt nicht. 2020 star­ben 2,7 Pro­zent. Dass SARI-Fäl­le, in der Regel schwe­re Lun­gen­ent­zün­dun­gen, häu­fi­ger zum Tod führ­ten, fällt beson­ders ins Gewicht. Wäh­rend 2019 ins­ge­samt 12 Pro­zent die­ser Pati­en­ten star­ben, über­leb­ten im Fol­ge­jahr 15 Pro­zent ihre Erkran­kung nicht. Die Todes­fäl­le in den Inten­siv­sta­tio­nen ins­ge­samt nah­men aber nur gering­fü­gig um 0,6 Pro­zent zu. Die abso­lu­te Zahl der Ver­stor­be­nen, die zuvor beatmet wur­den, sank indes leicht von 52.450 auf 51.375.

Bis hier­hin ist fest­zu­hal­ten: Ins­ge­samt star­ben 2020 ins­ge­samt 0,3 Pro­zent mehr Men­schen in den unter­such­ten Kli­ni­ken, als im Jahr davor, dies aber von 13,6 Pro­zent weni­ger Pati­en­ten, womit die Ster­be­ra­te um 0,4 Pro­zent­punk­te stieg. Anders gesagt: Die Anzahl schwe­rer Atem­wegs­er­kran­kun­gen ging zurück, zugleich führ­ten die­se häu­fi­ger zum Tod. Ob dies tat­säch­lich an der beson­de­ren Schwe­re von COVID-19-Erkran­kun­gen liegt oder an einer mög­li­cher­wei­se inad­äqua­ten Behand­lung in einem finan­zi­ell unter Druck ste­hen­den Gesund­heits­sys­tem, ist unklar.

IQM-Daten: COVID-Fälle ohne COVID

Die neu­en Zah­len der IQM bestä­ti­gen auch Recher­chen der ZEIT: Wer als COVID-Fall gilt, muss nicht immer COVID haben. Tabel­le 2 zeigt Fäl­le auf, die zwei ver­schie­de­nen Dia­gno­se­schlüs­seln zuge­ord­net wur­den: U07.1 und U07.2. Ers­te­rer steht für mit­tels PCR-Test „bestä­tig­te COVID-19-Fäl­le“, letz­te­rer fasst soge­nann­te „COVID-19-Ver­dachts­fäl­le“ zusam­men. Die­se wur­den bemer­kens­wer­ter­wei­se nega­tiv getes­tet. Um als Ver­dachts­fall ver­merkt zu wer­den, reicht bereits ein nach­ge­wie­se­ner Kon­takt zu einer posi­tiv getes­te­ten Per­son – unab­hän­gig vom Krank­heits­bild – oder eine Lungenentzündung.

Dem­nach behan­del­ten die IQM-Kli­ni­ken etwa 69.000 posi­tiv getes­te­te COVID-Pati­en­ten und 84.000 nega­tiv getes­te­te „Ver­dachts­fäl­le“. Die Fra­ge, ob für letz­te­re die glei­chen Hygie­ne-Son­der­maß­nah­men gal­ten, beant­wor­tet die Stu­die nicht. Soll­te dies der Fall sein, dürf­te sich das ver­schär­fend auf die Lage aus­ge­wirkt haben.

Ange­sichts die­ser Zuord­nungs­kri­te­ri­en ist es auch wenig erstaun­lich, dass nur zwei Drit­tel der 69.000 posi­tiv Getes­te­ten und drei Vier­tel der nega­tiv getes­te­ten Pati­en­ten in den COVID-Daten­ban­ken über­haupt eine Atem­wegs­er­kran­kung hat­ten, also ein SARI-Fall waren.

Hohe Sterberate bei Positiven und Beatmeten

Zieht man die SARI-Fäl­le her­an, stellt man Erstaun­li­ches fest: Waren die­se Pati­en­ten posi­tiv getes­tet, lag die Beatmungs­ra­te mit 20,2 Pro­zent nied­ri­ger als bei den nega­tiv getes­te­ten SARI-Fäl­len (25 Pro­zent). Zugleich star­ben von den posi­tiv getes­te­ten SARI-Betrof­fe­nen mehr (23,2 Pro­zent), als bei den nega­tiv Getes­te­ten (14,6 Prozent).

Erschre­ckend gering stellt sich in den IQM-Daten die Über­le­bens­ra­te von inva­siv beatme­ten Pati­en­ten dar. Fast die Hälf­te der posi­tiv getes­te­ten Betrof­fe­nen (46,4 Pro­zent) star­ben, bei den nega­tiv getes­te­ten „Ver­dachts­fäl­len“ waren es 33,9 Pro­zent. Ins­ge­samt fan­den fast 40 Pro­zent der Posi­ti­ven auf Inten­siv­sta­tio­nen den Tod, unab­hän­gig von der Behand­lung, bei Men­schen mit Ver­dachts­dia­gno­se waren dies gut 23 Prozent.

Der Chef­arzt der Lun­gen­kli­nik Moers, Tho­mas Vos­haar, beklag­te nicht als ein­zi­ger Fach­ex­per­te eine zu frü­he Intu­ba­ti­on, also inva­si­ve Beatmung, von Pati­en­ten mit einer COVID-19-Dia­gno­se. Er sehe davon ab, sag­te er gegen­über der Frank­fur­ter Rund­schau. Er wies damit eine um drei Vier­tel nied­ri­ge­re Todes­ra­te bei den COVID-Fäl­len aus. Häu­fig, so der Fach­mann, füh­re die Intu­ba­ti­on selbst zum Tod.

Die Beatmungs­ra­te bei „COVID-Fäl­len“ beträgt laut DIVI-Regis­ter aktu­ell 57 Pro­zent – liegt also sehr hoch. Mög­li­cher­wei­se spie­len dabei höhe­re Fall­pau­scha­len für inva­siv Intu­bier­te eine Rol­le. So ver­schafft die­se Behand­lung den Kli­ni­ken hohe Ein­nah­men. Dar­über berich­te­te die WELT schon zu Beginn der Coro­na-Kri­se im April 2020.

Deutlich höhere Todesrate im letzten Quartal

In Tabel­le 3 för­dert die IQM-Ana­ly­se einen wei­te­ren bedenk­li­chen Befund zu Tage: In der soge­nann­ten zwei­ten Coro­na-Wel­le stieg der Anteil der Ver­stor­be­nen an den ins­ge­samt behan­del­ten posi­tiv Getes­te­ten dras­tisch an. Unter der Rubrik „1. Wel­le“ erfass­te die IQM den Zeit­raum bis zur Kalen­der­wo­che 40, also bis Anfang Okto­ber. Das letz­te Jah­res­quar­tal dekla­rier­te der Ver­band als „2. Welle“.

In „Wel­le 1“ star­ben dem­nach 16,8 Pro­zent aller Pati­en­ten. Von den danach bis Jah­res­en­de Behan­del­ten ver­lie­ßen 18,9 Pro­zent das Kran­ken­haus nicht lebend. Der Anteil der SARI-Fäl­le an den posi­tiv Getes­te­ten lag in „Wel­le 1“ bei 72,5 Pro­zent, von die­sen star­ben 20,9 Pro­zent. In „Wel­le 2“ betrug ihr Anteil nur noch 66,7 Pro­zent, von denen nun­mehr 24,8 Pro­zent star­ben. Die Ster­be­ra­te bei posi­tiv Getes­te­ten lag in den Inten­siv­sta­tio­nen in „Wel­le 1“ bei 32,6 Pro­zent, in „Wel­le 2“ klet­ter­te sie auf 42,5 Pro­zent. Bei den Beatmungs­pa­ti­en­ten war der Anstieg der Ster­be­ra­te noch gra­vie­ren­der: von 38,5 auf 50,7 Prozent.

Falsche Behandlung? IQM hofft auf Einzelfalldaten

Die IQM begrün­det die höhe­re Sterb­lich­keit in „Wel­le 2“ unter ande­rem wie folgt: „Das mitt­le­re Alter der Pati­en­ten der zwei­ten Wel­le war mit 64,6 Jah­ren vier Jah­re höher als die 60,4 Jah­re der ers­ten Wel­le.“ Da dem Ver­band kei­ne Daten zu den ver­ab­reich­ten Medi­ka­men­ten und den jewei­li­gen Ein­zel­fäl­len über­mit­telt wor­den sei­en, kön­ne man „hier­zu ledig­lich spe­ku­lie­ren“. Die Autoren hoff­ten, „dass Regis­ter­da­ten mit auf die indi­vi­du­el­len Pati­en­ten bezo­ge­nen Ana­ly­sen bald Auf­schluss über die mög­li­chen Ursa­chen geben werden“.

Fer­ner kön­nen sich die Autoren „die gerin­ge­re pro­zen­tua­le Inan­spruch­nah­me der Inten­siv­me­di­zin und der Beatmung nicht pri­mär durch man­geln­de Kapa­zi­tä­ten erklä­ren“. Im Ver­gleich zu 2019 sei­en den Daten zufol­ge näm­lich nicht mehr Fäl­le, die des­sen bedurf­ten, auf­ge­tre­ten. Zu einer Über­las­tung ein­zel­ner Häu­ser kön­ne es wegen ungleich­mä­ßi­ger Ver­tei­lung der COVID-19-Pati­en­ten, unter­schied­li­chen Per­so­nal-Situa­tio­nen und einer län­ge­ren Beatmungs­dau­er gegen­über dem Vor­jahr trotz­dem gekom­men sein, „auch wenn das in der Sum­me nicht der Fall war“.

Dabei ist die Über­las­tung von Kli­ni­ken in Deutsch­land nicht neu. Fast jedes Jahr, meist wenn im Janu­ar die Grip­pe­wel­le auf­kommt, kla­gen Kran­ken­häu­ser dar­über, und dies seit vie­len Jah­ren. Die jähr­lich wie­der­keh­ren­de Über­las­tung der Kli­ni­ken ist haus­ge­macht. Nicht ein­mal wäh­rend der Coro­na-Kri­se ver­hin­der­te die Bun­des­re­gie­rung Kran­ken­haus-Schlie­ßun­gen. Sie warb auch nicht offen­siv um Per­so­nal, die Gehäl­ter stie­gen nicht maß­geb­lich, die Aus­beu­tung in Pfle­ge­be­ru­fen ging wei­ter. Es wur­de ganz „markt­kon­form“ wei­ter abge­baut. In den Pfle­ge­hei­men, aus denen zuletzt bis zu zwei Drit­tel der als Coro­na-Tote Erfass­ten stamm­ten, sieht es ähn­lich aus.

Marktkonforme „Optimierung“

Von einer Über­las­tung der Kran­ken­häu­ser durch mehr Pati­en­ten im Zuge der Pan­de­mie kann also nicht die Rede sein. Die Über­las­tung hat eine ande­re, seit Jah­ren bekann­te Ursa­che: Per­so­nal­man­gel. Die Gesund­heits­ver­sor­gung nicht nur in der Bun­des­re­pu­blik wur­de zuletzt immer mehr der öko­no­mi­schen Logik unter­wor­fen. Pri­va­te Kli­nik­kon­zer­ne stre­ben Maxi­mal­pro­fi­te an. Doch es spielt kaum noch eine Rol­le, ob die Häu­ser von Pri­vat­kon­zer­nen oder Kom­mu­nen betrie­ben wer­den. Sie alle müs­sen „ren­ta­bel“ sein.

Vie­le Kli­ni­ken konn­ten mit der markt­kon­for­men „Opti­mie­rung“ in der Ver­gan­gen­heit nicht mit­hal­ten. So schrumpf­te die Zahl der Kran­ken­häu­ser in Deutsch­land seit der Jahr­tau­send­wen­de von 2.242 auf 1.925 im Jahr 2018. Wäh­rend es 2000 noch rund 560.000 Bet­ten gab, waren es vor drei Jah­ren nur noch weni­ger als eine hal­be Mil­li­on.

Für die Ren­di­te spa­ren die Kran­ken­häu­ser nicht nur an Inves­ti­tio­nen in Sanie­rung und Moder­ni­sie­rung. Auch die Lohn­kos­ten wer­den gedrückt, so weit es irgend geht. Dem­entspre­chend „opti­miert“ hat sich die Kli­nik­land­schaft auch im ers­ten Pan­de­mie­jahr wei­ter. Ins­ge­samt gin­gen 21 Kran­ken­häu­ser 2020 vom Netz, wie die Ber­li­ner Zei­tung berich­te­te. Rund 30 wei­te­ren steht das Aus bevor.

Beson­ders unren­ta­ble Berei­chen wie Geburts­me­di­zin und Kin­der­heil­kun­de ver­schwin­den immer mehr aus dem Ange­bot der Kli­ni­ken. So sank die Zahl der Kreiß­sä­le in Deutsch­land von 1.186 im Jahr 1991 auf 672 im Jahr 2017. Schon vor der Pan­de­mie, Ende 2019, schlug der Prä­si­dent der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft (DKG), Gerald Gaß, Alarm: „Die Situa­ti­on der Kin­der­kli­ni­ken und Kin­der­sta­tio­nen ist hoch pro­ble­ma­tisch.“ In einem Tele­fo­nat mit der Autorin Ende 2020 beschrieb Tor­ben Brin­ke­ma von der Deut­schen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Gesell­schaft für Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin auch die Lage der Kin­der-Inten­siv­sta­tio­nen als „über­aus dramatisch“.

Zur markt­kon­for­men Opti­mie­rung gehört auch der klas­si­sche Per­so­nal­ab­bau. Zum Bei­spiel plant der städ­ti­sche Bre­mer Kli­nik­ver­bund Gesund­heit Nord (Geno) der­zeit die Ent­las­sung von 440 Pfle­ge­kräf­ten in den kom­men­den drei Jah­ren. So will die Kli­nik­lei­tung – Pan­de­mie hin oder her – 44 Mil­lio­nen Euro pro Jahr einsparen.

Maßnahmen als Notstandsbeschleuniger?

Dass die Kran­ken­häu­ser und ihre Ver­bän­de trotz Pati­en­ten­schwund im ers­ten Pan­de­mie­jahr über einen Not­stand klag­ten, ähn­lich wie schon bei vie­len Grip­pe­wel­len in den Vor­jah­ren, ist ange­sichts sol­cher Kür­zun­gen nicht ver­wun­der­lich. Den Not­stand wei­ter befeu­ert haben dürf­ten nun die Maß­nah­men „zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie“. Statt mehr Rei­ni­gungs­kräf­te und Hygie­ne-Exper­ten ein­zu­stel­len und bes­ser zu bezah­len, ban­den Hygie­ne-Ver­ord­nun­gen die Res­sour­cen der Pfle­gen­den und schlug Kon­takt­per­so­nen-Qua­ran­tä­ne mas­sen­haft zu Buche.

Die eigent­li­che Ver­sor­gung der Pati­en­ten gerät so ins Hin­ter­tref­fen. Sehr wahr­schein­lich trug auch dies maß­geb­lich mit zur desas­trö­sen Lage in vie­len Kli­ni­ken im Coro­na­jahr 2020 bei. An einer Über­be­le­gung kann es jeden­falls nicht gele­gen haben: Es gab kei­ne.«

8 Antworten auf „Kliniken 2020: Falsche Corona-Fälle, Patientenschwund und selbstgemachter Notstand“

  1. Immer schön wenn zum Aus­gleich mal Nicht-dpa-Mel­dun­gen hier vor­ge­stellt werden.

    ätBo­ris Büche: habe auch kein Pro­blem mit dem Link. Mein Tipp: ver­schie­de­ne Brow­ser aus­pro­bie­ren. Man kann ver­schie­de­ne zugleich instal­liert haben.

    Sehr zufrie­den bin ich gera­de mit "Dis­sen­ter".

  2. @aa: „…den sie lei­der nie in der Tages­zei­tung "jun­ge Welt", für die sie auch schreibt, hät­te unter­brin­gen können."
    Wären Sie so nett dar­zu­le­gen war­um Sie das glauben?

  3. 22.2.21, „Wir sind nicht überlastet
    Die Situa­ti­on in den Kli­ni­ken habe sich auch wegen der Imp­fun­gen „spür­bar ent­spannt“, sagt der Chef der Deut­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft, Gerald Gaß. Es sei an der Zeit für Locke­rungs­über­le­gun­gen. Einen Anspruch von Inten­siv­me­di­zi­nern hält er für „über­zo­gen. …" (Bezahl­schran­ke)
    https://​www​.welt​.de/​p​o​l​i​t​i​k​/​d​e​u​t​s​c​h​l​a​n​d​/​p​l​u​s​2​2​6​7​8​3​0​8​3​/​L​a​g​e​-​i​n​-​K​r​a​n​k​e​n​h​a​e​u​s​e​r​n​-​W​i​r​-​s​i​n​d​-​n​i​c​h​t​-​u​e​b​e​r​l​a​s​t​e​t​.​h​tml

    24.2.21, RT DE fasst zusammen:
    „Anfang Janu­ar habe man im Zusam­men­hang mit COVID-19 noch fast 6.000 Inten­siv­pa­ti­en­ten behan­delt, mitt­ler­wei­le sei man bei 3.000 Pati­en­ten deutsch­land­weit. … Auch bei der Ver­sor­gung von COVID-Pati­en­ten habe man eine enor­me Lern­kur­ve hin­ge­legt. Zwar sieht die Situa­ti­on in der Dar­stel­lung der Deut­schen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Ver­ei­ni­gung für Inten­siv- und Not­fall­me­di­zin (DIVI) anders aus: Erst kürz­lich hieß es von Sei­ten der Inten­siv­me­di­zi­ner, man kön­ne erst bei weni­ger als 1.000 Pati­en­ten von einer Ent­span­nung reden.
    Aller­dings hält Gaß die­sen Anspruch für über­zo­gen. Aus Sicht der Inten­siv­me­di­zi­ner sei dies zwar sicher­lich wün­schens­wert, in einer Situa­ti­on wie der Coro­na-Gesund­heits­kri­se müs­se es aller­dings auch mög­lich sein, "über ein paar Mona­te an die Gren­ze zu gehen":
    "Es ist immer eine Abwä­gung zwi­schen dem Kol­la­te­ral­scha­den des Lock­downs und der Belas­tung des Gesundheitswesens."
    Auch im Hin­blick auf die Virus­mu­ta­tio­nen sei es nicht sinn­voll, maxi­ma­le Kri­sen­sze­na­ri­en aufzubauen. …
    Wei­ter­hin weist Gaß dar­auf hin, dass an eini­gen Stand­or­ten vor allem Pro­ble­me ent­stan­den waren, weil Per­so­nal erkrank­te oder posi­tiv auf SARS-COV‑2 getes­tet wur­de und in Qua­ran­tä­ne muss­te – und nicht, weil Inten­siv­bet­ten oder medi­zi­ni­sche Gerä­te gefehlt hät­ten. Mit der Imp­fung des Per­so­nals kön­ne man sol­che Eng­päs­se nun ver­hin­dern. Auch der ver­bes­ser­te Schutz der Alten­hei­me tra­ge wesent­lich zu einer Ent­las­tung bei: …
    … In etwa 20 bis 30 Pro­zent der Fäl­le wären die Pati­en­ten aus ande­ren Grün­den im Kran­ken­haus gewe­sen und wur­den nur zufäl­lig posi­tiv auf SARS-CoV‑2 getes­tet. Dies ände­re laut Gaß jedoch nichts an der Tat­sa­che, dass die­se Pati­en­ten iso­liert wer­den mussten.
    Eine dif­fe­ren­zier­te Dar­stel­lung der Mel­de­da­ten an das RKI hält er aber theo­re­tisch für mög­lich, da die Zah­len auch poli­tisch eine Rol­le spie­len. Dane­ben kön­ne man etwa jene Daten ver­wen­den, die nach der Ent­las­sung der Pati­en­ten im Kran­ken­haus vor­lie­gen. Bis­her wur­de in den Mel­de­da­ten jedoch nicht dif­fe­ren­ziert, inwie­fern COVID-19 der ent­schei­den­de Grund für eine sta­tio­nä­re Behand­lung ist.
    Das Robert Koch-Insti­tut sieht dafür offen­bar bis jetzt auch kei­nen Grund: Auf eine Anfra­ge vom Nord­ku­rier erklär­te eine Pres­se­spre­che­rin der Behör­de, dass dies irrele­vant sei, da es dar­um gehe, Schutz­vor­keh­run­gen zu tref­fen, Ver­dachts­fäl­le zu iso­lie­ren und Infek­tio­nen zu ver­hin­dern. Wei­ter­hin heißt es in einer Mit­tei­lung des RKI:
    "Auf Grund­la­ge der Schät­zung ein­zel­ner Kli­ni­ken kann ein evi­denz­ba­sier­tes Insti­tut kei­ne Berei­ni­gung von Fäl­len vornehmen."“
    https://​de​.rt​.com/​i​n​l​a​n​d​/​1​1​3​5​3​9​-​c​h​e​f​-​d​e​u​t​s​c​h​e​n​-​k​r​a​n​k​e​n​h​a​u​s​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​f​t​-​k​r​a​n​k​e​n​h​a​u​s​e​r​-​s​i​nd/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.