Einblicke in die Testung von Impfstoffen in armen Ländern gibt ein Beitrag auf deutschlandfunk.de vom 27.12. Dort werden Erfahrungen vor Covid-19 aufgeführt. Ob die Teststudien in Brasilien 2020 wohl Parallelen aufweisen?
In einem Gespräch mit dem Bio-Ethiker Charles Weijer ist zu erfahren:
»Malaria-Impfstoff Mosquirix für Säuglinge und Kleinkinder umstritten
400.000 Kinder sterben jedes Jahr an Malaria. Schutzmaßnahmen wie Moskitonetze lösen das Problem offensichtlich nur bedingt. Ein Impfstoff dagegen wäre der Durchbruch – wenn er denn wirkt. Seit den 1980er Jahren wird der Impfstoff Mosquirix entwickelt. Aber Studien zeigen, dass er Säuglinge kaum schützt und Kleinkinder nur zu etwa 30 Prozent – nach vier Impfdosen…
Im Jahr 2015 empfahl die europäische Arzneimittel-Agentur in einer wissenschaftlichen Stellungnahme, Mosquirix nur begrenzt einzusetzen, im Rahmen weiterer Studien in afrikanischen Ländern. Die darauf folgende Studie der Weltgesundheitsorganisation und der Einsatz von Mosquirix in Ghana, Kenia und Malawi sahen Ethiker allerdings kritisch. Weijer:
„Wie diese Studie aufgesetzt wurde, ist wirklich problematisch. Eine Überprüfung durch eine Ethikkommission wurde umgangen und auch die Aufklärung und Einwilligung der 720.000 Kinder, die in Ghana, Kenia und Malawi an der Studie teilnehmen, wurde umgangen.“
Vermeintliche Standard-Impfung in Wahrheit Impfstudie?
Die Regierungen der drei Länder, so Weijer, hätten Mosquirix in ihr Standard-Impfprogramm aufgenommen.
„Aber dann wurden die Regierungen um etwas sehr Ungewöhnliches gebeten, was normalerweise bei der Einführung eines Impfstoffs nicht gemacht wird: sie sollten zufällig festlegen, ob der Impfstoff in einem Bezirk gegeben wird oder nicht.“
Die Weltgesundheitsorganisation WHO will so Mosquirix weiter erforschen. Aber die Vorgehensweise lässt die Grenzen zwischen der Einführung des Impfstoffs und der Durchführung einer Studie verschwimmen. Eltern, die ihre Kinder impfen lassen wollten, konnten zwar bei Informationsveranstaltungen oder im Internet auch Informationen zu Mosquirix abrufen – genau wie zu allen anderen Impfstoffen, die Kinder normalerweise bekommen. Aber sie seien nicht darüber informiert worden, dass sie und ihre Kinder an einer Studie teilnehmen. Wer in einer der Pilotregionen sein Kind zum Impfen brachte, dessen Einverständnis wurde vorausgesetzt. Ob die Eltern sich überhaupt über den Impfstoff informiert hatten, sei nicht überprüft worden.
Also wurden in dieser Studie 720.000 Kinder nichtsahnend und ohne das Einverständnis ihrer Eltern zu Probanden. Das ist nicht nur eine Verletzung internationaler Ethik-Regeln. Es ist sogar eine Menschenrechtsverletzung. Und im Forschungskontext ist es die größte Verletzung der Menschenrechte von Kindern, die mir bekannt ist.“
„WHO verletzt die eigenen ethischen Leitlinien“
Die Ethik-Regeln, von denen Charles Weijer spricht, hat er zum Teil selbst mitverfasst. Er ist Hauptautor der Ottawa-Erklärung zur ethischen Gestaltung und Durchführung cluster-randomisierter Studien. In diesen Studien werden nicht einzelne Probanden zufällig ausgewählt etwa einen Wirkstoff oder ein Placebo zu erhalten, sondern ganze Gruppen von Probanden. Das bringt besondere ethische Herausforderungen mit sich. Fünf Jahre hat Weijer mit Co-Autorinnen an der Ottawa-Erklärung gearbeitet. Darauf aufbauend veröffentlichte 2016 auch der Rat für Internationale Organisationen der medizinischen Wissenschaft, kurz CIOMS, Regeln für ethische cluster-randomisierte Studien. Erstellt wurde das Dokument in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO. Doch die WHO ist es auch, die die Mosquirix-Studie durchführt. Weijer:
„Die WHO verletzt also die von ihr selbst mitverfassten ethischen Leitlinien, nach denen sich die WHO der öffentlichen Darstellung zufolge richtet.“…
Verzicht auf informierte Einwilligung „sieht nach kolonialer Wissenschaft aus“
Diese Evaluierung sei getrennt von der Einführung des Impfstoffs zu betrachten, heißt es weiter. Die WHO scheint damit zu verneinen, dass es sich überhaupt um eine Studie handelt. Stattdessen stellt sie die Impfung der 720.000 Kinder als Pilotprojekt zur landesweiten Einführung des Impfstoffs dar. Doch öffentlich auf der Website der WHO verfügbare Dokumente sprechen laut Charles Weijer eine andere Sprache. Darin sei ganz klar abzulesen, dass die WHO die Einführung von Mosquirix als cluster-randomisierte Studie geplant habe.
„Wenn diese Studie in Europa oder Kanada oder den Vereinigten Staaten durchgeführt würde, stünde völlig außer Frage, dass die gesamte Studie einer Ethikkommission vorgelegt werden und die informierte Einwilligung jedes Teilnehmers und jeder Teilnehmerin eingeholt werden würde. Warum hat die WHO sich entschieden, es bei einer Malaria-Impfstoff-Studie in Afrika anders zu machen? Die einzige Erklärung ist für mich, dass hier unterbewusst eine koloniale Denkweise herein gespielt hat. Dass Wissenschaftler in einer bevormundenden Weise denken, nun ja, ein Malaria-Impfstoff wäre sehr wichtig für Afrika, also lasst es uns einfach durchziehen. Das ist Messen mit zweierlei Maß. Es gibt einen Standard für Forschung in reichen Ländern und einen anderen Standard für Forschung in Afrika. Für mich sieht das nach kolonialer Wissenschaft aus.“..
Gebot zur Nicht-Ausbeutung gilt auch für Forschungskollaborationen
Dasselbe gilt für Entwicklungs- und Schwellenländer auf anderen Kontinenten. Das Gebot zur Nicht-Ausbeutung bezieht Doris Schröder [Leiterin des Zentrums für professionelle Ethik an der Universität von Central Lancashire in England] auch auf Kollaborationen mit Forschern und Forscherinnen vor Ort:
„Es gibt auf jeden Fall noch das Problem der Einstellung, dass, wenn man mit den Geldern kommt und mit dem Wissen und der Ausbildung aus dem Westen, dass man dann etwas zu bieten hat, was die Kollegen in den ressourcenarmen Ländern nicht zu bieten haben. Und das führt dann auch zu einer Dominanz der Forscher, die mit diesen Geldern kommen, die manchmal eben auch in Arroganz ausartet und dann zu Problemen führt.“
Das könne etwa das bloße Ausnutzen von Kontakten lokaler Forscher sein, oder sie lediglich mit dem Sammeln von Blutproben oder Bodenproben oder der Aufzeichnung von Interviews zu beauftragen. An der Auswertung würden die Partner vor Ort dann oft nicht beteiligt.
„Und als Forscher hat man davon natürlich gar nichts. Als Forscher hat man was von Publikationen oder von Geldern, aber nicht davon, dass man jemandem Zugang verschafft hat.“«
Es folgen einige weitere Beispiele.
»„Helikopter-Forschung“: Die fragwürdige Super-Banane für Uganda
Ein Mangel an Vitamin A führt zu einer erhöhten Kindersterblichkeit in Uganda. Gleichzeitig essen die Menschen in Uganda sehr viele Bananen. Barbara Ntambirweki, Forschungs-Fellow bei der Koalition für Entwicklung und Umwelt in Uganda:
„Uganda ist an der Weltspitze, was Bananen-Produktion angeht. Der Verbrauch ist der weltweit höchste mit ungefähr einem Kilogramm pro Kopf und Tag.“
Diese Fakten scheint ein Team aus Australien und den USA inspiriert zu haben. Im Projekt „Banana 21“ entwickeln sie nach eigenen Angaben eine Banane für das 21. Jahrhundert. Barbara Ntambirweki nennt die genmodifizierte Banane: Super-Banane. Sie enthält mehr Betakarotin als herkömmliche Bananensorten. Im Körper wird Betakarotin in Vitamin A umgewandelt. Eine Studie mit Studentinnen im US-Bundesstaat Iowa sollte zeigen, dass die Superbananen zum Verzehr geeignet sind.
„Das wirft Fragen auf. Warum sollte man eine Verzehrstudie in den USA durchführen, wenn die Bananen in Afrika konsumiert werden sollen? Wissen die Studentinnen in Iowa überhaupt, wie wir in Uganda Bananen zubereiten? Wo ist da die Logik?“
„Die Gen-Banane lenkt von den strukturellen Problemen ab“
Die Studie wurde mehrfach verschoben, auch weil es in den USA Widerstand gab. Barbara Ntambirwekis Kritik an der angereicherten Banane hat viel mit einer generellen Ablehnung von Gentechnik sowie industrieller Landwirtschaft zu tun. Aber sie scheint auch ernsthaft besorgt, was das kulturelle Erbe in Uganda angeht. Mehr als 20 Bananensorten seien auf den Märkten erhältlich und diese Vielfalt sieht sie bedroht. Außerdem werde das Projekt nicht der Komplexität des Problems gerecht.
„Die Gen-Banane lenkt von den strukturellen, zugrundeliegenden Problemen ab, die die Mangelernährung verursachen. Die Mangelernährung hat eine Generation von Kindern in Uganda kaputt gemacht und ist ein großes Problem. Aber unsere Forderung sind bessere Ressourcen für den Gesundheitssektor. Wir fordern ein Ernährungsprogramm und einen Fokus auf die vielen Herausforderungen durch den Klimawandel, Umweltzerstörung und schlechten Zugang zu Gesundheitsversorgung. Schnelle Lösungen wie Genbananen stehlen die Aufmerksamkeit von dort, wo mehr Ressourcen am dringendsten benötigt werden. Wir brauchen eine Kursänderung und echte Problemlösungen.“
Diese Lösungen für Menschen in Afrika, sagt Barbara Ntambirweki, sollten von Afrikanern und Afrikanerinnen entwickelt werden. Ein Ansatz ist relativ einfach: eine Bildungskampagne für eine vielfältigere Ernährung, die beispielsweise mehr Lust auf Betakarotin-reiche Süßkartoffeln macht. Oder auf eine der heimischen Bananensorten, die von Natur aus schon mehr Betakarotin enthält als die übrigen Sorten. Aber damit lassen sich keine Forschungsgelder eintreiben, keine Karrieren in der Wissenschaft vorantreiben…
Wettbewerbsdruck in der Forschung begünstigt Ethik-Dumping
Auch wenn der Kodex die Schwelle niedrig legt, auch wenn er als Leitlinie dienen kann, die Fallstricke bei von Industrieländern finanzierter Forschung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu vermeiden, löst das Dokument nicht die strukturellen Probleme der Wissenschaft, die zu Ethik-Dumping und kolonialen Verhaltensweisen beitragen. So stehen beispielsweise junge Forscher und Forscherinnen unter großem Druck, international Erfahrungen zu sammeln. Doris Schröder:
„Bis man es wirklich geschafft hat, ist ein wahnsinniger Wettbewerb. Das ist ein Wettbewerb um Forschungsgelder und Publikationen, um internationale Mobilität, um Sachen wie Herausgeber von Fachzeitschriften und so weiter. Und dann kann man auch schon mal eventuell erklären, wie das passiert, dass Sachen einfach zu schnell gemacht werden, ohne jetzt das Einverständnis von einer verarmten Gemeinschaft einzuholen. Also ich persönlich finde nicht, dass das eine Entschuldigung ist. Aber so kann man das möglicherweise erklären.“…«
Immer und überall derselbe Wahn, Natürliches durch Gentechnisches zu ersetzen. Mir fiel hier spontan der Golden Rice ein, auch so eine Methode zu verhindern, dass Menschen sich selbst helfen. https://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Reis
Diese Postkoloniale Haltung ist besonders bei Rot Grün weit verbreitet und kommt unter dem Deckmäntelchen des Gutmenschen hervorgekrochen:
Von eigenen Gnaden ermächtigt, entscheidet man wer unterprivilegiert und oder diskriminiert wird und wer sich dann auch gefälligst so zu fühlen hat. Was zur Hölle hat ein Weißer Jugendlicher aus der gehobenen Mittelschicht auf einer selbst organisierten BLM Demo zu suchen. (die BLM Demos hier in D, wurden von Weißen organisiert und trafen bei zahlreichen nicht Weißen auf einiges an Unverständnis und Ablehnung, dito teilweise in den USA wo sich die Gutmenschen die keine Ahnung haben wie es sich als Schwarzer so lebt, reihenweise inszenierten) Dazu kommt noch das die mittlerweile durchaus gut situierte Farbige Mittelschicht genauso verständnislos darauf reagierte und zahlreiche Stimmen waren zu hören mit den Worte: "Was bildest Du .…..Weiße .….Dir ein mir zu sagen wie ich mich zu fühlen habe?" und genau das trifft es auf den Kopf.
Rassismus und Diskriminierung kommt heute seltener als Hass daher, aber immer öfter als verständnissvoller großer Bruder der dem armen "Neger" sagen möchte wie er es besser machen kann. Jüngstes Beispiel, Ex JusoVorsitzender im Interview: "Wir können doch nicht alle verurteilten Straftätet zurück in ihre Heimat schicken. Die könnten ja in Marokko das gleiche oder schlimmeres anstellen" Schlimmer geht's kaum, den Marokkaner wird damit abgesprochen das sie die Lage in ihrem Land im Griff haben. Ich hätte den Kerl am liebsten am Kragten gepackt und geschüttelt und ihm gesagt: "Weißt du warum der hier ist, weil er in Marokko schon längst im Knast säße. Die können das nämlich sehr gut selbst. Wenn du was tun willst, dann frag die doch mal wo die Hilfe brauchen und entscheide das nicht für Andere."
Und die ganze Corona Geschichte ist die gleiche Scheiße. Diese völlig in ihrem Elfenbein Turm gefangene Klicke ohne Bodenhaftung glaubt das sie patriarchalisch über andere Menschen entscheiden dürfen und ihnen zu sagen haben wann sie sich wie zu fühlen haben. Ich könnte das noch ausweiten aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.
Ich kann nur eins sagen: "EUCH MANGELTS AN RESPEKT"
@Danischmend: Die Demos von "Black Lives Matter" waren von der community der Nichtweißen organisiert. Sie hatten um Solidarität gebeten. Was soll dagegen sprechen?
In Marokko wird nachweislich gefoltert. Bedeutet das, sie haben "die Lage im Griff"?
@aa
Tja, das verrückte ist: In Deutschland wird derzeit nachweislich auch gefoltert (gemäß EMRK) – und damit haben "sie" die Lage auch im Griff.