Linkspartei ebnet Rechten den Weg

Auf gera­de­zu dra­ma­ti­sche Weise wie­der­holt die Partei "Die Linke" zur Zeit die Fehler, mit denen sie in Ostdeutschland ihre Rolle als Oppositionspartei auf­ge­ge­ben und unwil­lent­lich an die AfD dele­giert hat.

Heute ist das Ausmaß der Überanpassung an den bür­ger­li­chen Regelbetrieb nur deut­lich grö­ßer als in den letz­ten 20 Jahren. Seinerzeit begnüg­ten sich wei­te Teile der Partei mit der Privatisierung kom­mu­na­ler Wohnkomplexe und schluck­ten bereit­wil­lig Kröten aller Art, die Koalitionspartner zur Deligitimierung der DDR (und damit des Lebens von Millionen ihrer BürgerInnen) erwar­te­ten. Für den Preis des Ankommens im kapi­ta­li­sti­schen Regelbetrieb wur­den Flüchtlinge ähn­lich abge­scho­ben wie in Bayern, Demonstrationen von Linken ver­bo­ten und von Nazis geschützt. Der rot-rot-grü­ne Senat als Eigentümer der Charité dul­det nach wie vor das Outsourcen in Billiglohnbereiche, S‑Bahn und Schulen sol­len in Berlin dem Markt über­ant­wor­tet werden.

Doch was heu­te mit Einschränkungen von Grund- und sozia­len Rechten mit­ge­tra­gen wird, geht weit über das Beschriebene hinaus.

Nicht nur, daß füh­ren­de PolitikerInnen der Linkspartei ent­schie­den­ste GegnerInnen von jeg­li­chen Lockerungen der Corona-Maßnahmen sind (Schulen, Kitas etc.), nicht nur daß ihr Fraktionschef Bartsch das ein­zig noch vor­han­de­ne Alleinstellungsmerkmal der Partei in Frage stellt: die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Nein, in Übereinstimmung bis hin zu Markus Söder betei­ligt man sich an der Dämonisierung der Menschen, die gegen die Einschränkung der Grundrechte auf die Straße gehen.

Was passiert hier?

Es ist unstrit­tig, daß wir es mit der läng­sten Notstandsperiode in der Geschichte der BRD zu tun haben. Sie wird begrün­det mit einer "epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragweite". Es läßt sich treff­lich dar­über strei­ten, ob wir uns je in die­ser Lage befun­den haben oder es immer noch sind. Man könn­te von einer lin­ken Partei erwar­ten, daß sie die Überprüfung eines Sachverhalts ver­langt, der seit Monaten wesent­li­che Rechte der Parlamente sus­pen­diert. Doch das ist ihre Entscheidung.

Ebenso ist es das gute Recht der Partei, Demonstrationen für berech­tigt oder eben nicht zu hal­ten. Doch anstatt zu begrün­den, war­um sie die Forderungen für unan­ge­mes­sen oder gar schäd­lich hal­ten, war­um für sie Mundschutz auf Demonstrationen, aber nicht in Einkaufsstraßen sinn­voll scheint, was ver­werf­lich sein soll an Fragen nach Massentests und Impfpflicht gegen "Corona", wird über die Bande gespielt: Es sind die fal­schen Menschen, die rebel­lie­ren. Im besten Fall sind sie poli­tisch dumm und lau­fen Reichsbürgern und Esoterikern hinterher.

Es gibt in die­ser Auffassung kei­nen Unterschied zu Pegida- oder AfD-Demonstrationen, bei denen offen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie gepre­digt wird. Dort könn­te man ver­mu­ten, daß Menschen nicht trotz, son­dern wegen der Neonazis mit­lau­fen. Es ist unbe­streit­bar, daß Rechtsradikale ihr Süppchen auch auf den "Anti-Corona-Demos" kochen wol­len und es ihnen an eini­gen Orten auch gelingt. Es bleibt zu kri­ti­sie­ren, daß die Veranstalter das in Kauf zu neh­men schei­nen. Hunderttausende von Menschen, die zu einem gro­ßen Teil erst­mals in ihrem Leben auf einer Demo sind, in den Nazi-Topf zu stecken, ist hin­ge­gen Dienst an den Nazis.

Was erle­ben die­se Menschen? Sie haben Anliegen, die in Politik und Medien über Wochen nicht vor­kom­men, ja die dort von Anfang an dif­fa­miert wer­den. Sie stel­len fest, daß es dies­be­züg­lich kei­nen Unterschied zwi­schen den Parteien gibt, die irgend­wo in die­sem Land regieren.

Links überläßt rechts das Feld

Fatal dabei ist: Wenn Linke nicht nur schwei­gen und Regierungsmaßnahmen unter­stüt­zen, son­dern wie die Regierenden und Medien zu Diffamierungen grei­fen, bleibt par­tei­po­li­tisch nur die extre­me Rechte als Opposition erkenn­bar. Da kann in den Hintergrund gera­ten, daß es der AfD bei "Freiheit" um die der Biodeutschen geht, das rot-grün-ver­siff­te Ausländergesocks und die kli­ma­be­sof­fe­nen Jugendlichen aus dem Land zu trei­ben oder wenig­stens in die ras­si­sti­schen Schranken zu wei­sen. Daß deren "Frieden" dar­in besteht, sich mit Putin zu ver­stän­di­gen, um den Rücken frei zu bekom­men für den Kampf gegen "trans­at­lan­ti­sche Eliten" der "Wallstreet".

Es gerät in den Hintergrund, weil AfD-ler dies­mal etwas Richtiges tun. Sie geben etwa juri­sti­sche Argumente an die Hand. Und so wie die Behauptung "Nachts wird es dun­kel" nicht des­halb falsch ist, weil ein Nazi sie for­mu­liert (wenn er nicht nach­schiebt "und dar­an ist der Neger schuld"), so sind Verfassungsbedenken gegen die Grundrechtseinschränkungen nicht allein des­halb Unsinn, weil sie von Rechten kommen.

So erle­ben wir, daß eine poli­tisch frag­wür­di­ge Gestalt wie Prof. Dietrich Murswiek, früh schon Mitglied des Nationaldemokratischen Hochschulbunds und 1970 Demonstrant gegen das Treffen von Willy Brandt (SPD) und Willi Stoph (SED) in Kassel, spä­ter Redner bei der AfD und gern gese­he­ner Interviewgast in rechts­extre­men Zeitschriften, ein Rechtsgutachten zu den Maßnahmen ver­faßt, an dem Linke ver­mut­lich nichts aus­zu­set­zen haben.

Wenn von Linken hier kei­ne Hilfestellung kommt, muß man dar­auf ver­trau­en, daß die Demonstrierenden erken­nen wer­den, daß AfD und Reichsbürger Pläne ver­fol­gen, die nicht ihre sein kön­nen, auch wenn es auf den ersten Blick so scheint.

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