Lockerungen in der "jungen Welt"

Zaghafte Anzeichen für ein Abrücken von der Sprachregelung zu "Verschwörungstheoretikern" gibt es in der lin­ken "jun­gen Welt". Sie sind wider­sprüch­lich, wie hier gezeigt wird.

In der Ausgabe von 20./21.6. fin­det sich ein Gastbeitrag von Andreas Wulf, Referent für glo­ba­le ­Gesundheitspolitik und Berliner Repräsentant von Medico inter­na­tio­nal. Unter ande­rem befaßt er sich mit der Gates-Stiftung unter dem Titel "Nur ein Symptom":

"… Kritik an der BMGF ist nicht neu, und sie ist mehr als berech­tigt. Sie gilt aus gutem Grund seit Beginn der 2000er Jahre als der größ­te Sponsor für glo­ba­le Gesundheitsinitiativen und Institutionen, am pro­mi­nen­te­sten dar­un­ter die glo­ba­le Impfallianz »Global Alliance for Vaccines and Immunisation« (GAVI) und das Polio-Ausrottungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die erheb­li­che Mittel von der BMGF erhal­ten. In den letz­ten Jahren wur­de die Gates-Stiftung zum zweit­größ­ten Geber der WHO hin­ter den USA. Und mit dem von Donald Trump nun end­gül­tig ver­kün­de­ten Rückzug aus der Finanzierung der UN-Organisation wür­de sie sogar zum größ­ten Geber auf­stei­gen. Da stellt sich zu Recht die Frage nach ihrem Einfluss auf gesund­heits­po­li­ti­sche Entscheidungen und nach der Unabhängigkeit der WHO… 

Regelmäßig wer­den Bill und Melinda Gates von den Empfängerinnen und Empfängern ihrer Zuwendungen und den poli­tisch Mächtigen hofiert: Sie spra­chen schon zwei­mal als Ehrengäste bei der jähr­li­chen Weltgesundheitsversammlung in Genf (2005 und 2014), was nor­ma­ler­wei­se Staats- und Regierungschefs vor­be­hal­ten ist.

Der deut­sche Minister für wirt­schaft­li­che Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), plau­der­te in einer Art »öffent­li­chem Kamingespräch« vor 1.500 Zuhörerinnen und Zuhörern wäh­rend des World Health Summits 2018 im Audimax der TU Berlin mit Bill Gates – unter Sicherheitsvorkehrungen, die eines US-ame­ri­ka­ni­schen Präsidenten wür­dig gewe­sen wären.

Wenige Tage nach dem Gipfel, bei der Verkündigung des »Global Challenges«-Forschungsförderungsprogramms der Stiftung, erhielt Bill Gates im größ­ten Konferenzsaal der Stadt wie ein Popstar Standing Ovations von 5.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die an sei­nen Lippen – und an sei­nem Geldbeutel – kleb­ten. Auch die deut­sche Kanzlerin und der Gesundheitsminister sonn­ten sich in sei­nem Glanz auf der Bühne…

Die Strategien der Stiftung blei­ben trotz­dem wei­ter­hin markt­ori­en­tiert, und wo der kon­ven­tio­nel­le Markt »ver­sagt«, weil die Menschen zu arm sind, um medi­zi­ni­sche Produkte zu kau­fen und damit die Profiterwartungen der Produzenten zu erfül­len, da schafft die GAVI mit im vor­aus zuge­si­cher­ten Abnahmegarantien einen sol­chen Markt. Sitzen dann noch die Hersteller eben­die­ser Produkte mit im eige­nen Vorstand, wie bei GAVI mit zwei Sitzen für die Pharmaindustrie des »glo­ba­len Nordens« und des »glo­ba­len Südens«, so scheint eine pas­sen­de »Win-win«-Situation zu herr­schen. Alle pro­fi­tie­ren, alle gewin­nen. Berechtigte Fragen nach Interessenkonflikten zwi­schen den Akteuren und danach, ob die Preisgestaltung der Impfstoffe nach­voll­zieh­bar ist oder mit öffent­li­chen Mitteln hohe Unternehmensgewinne sub­ven­tio­niert wer­den, dür­fen zwar von den anwe­sen­den zivil­ge­sell­schaft­li­chen Vertretern mal gestellt wer­den, wer­den dann aber ele­gant wegmoderiert…

Die Frage nach dem enor­men Reichtum und den Mitteln der Gates-Stiftung ver­weist auf das system­im­ma­nen­te Defizit der neo­li­be­ra­len Version des Kapitalismus, der die staat­li­chen Aufgaben der Daseinsvorsorge radi­kal zurück­ge­fah­ren, pri­va­ti­siert und in markt­för­mi­ge Produkte kon­kur­rie­ren­der Anbieter ver­wan­delt hat…

Kritische Distanz gefragt

Ein gesun­des Misstrauen gegen die ver­meint­li­chen glo­ba­len Wohltäter bleibt also ohne Zweifel ange­bracht. Und wie steht es nun mit den Mikrochips, die Gates uns ein­pflan­zen will? Auch hier sind es vor allem die Debatten um die Nutzung von »Big Data« in der Gesundheitsforschung, die auf jeden Fall kri­tisch zu ver­fol­gen sind, zumal die »übli­chen Verdächtigen« wie Google und sein Mutterkonzern Alphabet bereits kräf­tig in Technologien inve­stie­ren, die unse­re bio­lo­gi­schen Daten auf aller­lei Art per Smartwatch oder »Digital weara­bles« auf­zeich­nen und verarbeiten…Hier ist mehr kri­ti­sche Distanz auf jeden Fall gefragt – ohne sich in den Morast von Verschwörungsmythen zu begeben."


In der glei­chen Ausgabe nutzt der für Panikmache in der Redaktion Zuständige erneut ein Interview, um mas­siv sei­ne Bedenken gegen Lockerungen unter­zu­brin­gen. Bereits am 16.5. hat­te er ein Gespräch mit Gabriele Heinecke, Mitglied im Bundesvorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e. V. (RAV) geführt. Es ging dabei um die Einschränkung von Grundrechten.

Sie muß­te sich mit sol­chen Fragen beschäftigen:

»[Redakteur:] Aber ist es unter dem Gesichtspunkt des Infektions- und Gesundheitsschutzes nicht auch ein­fach not­wen­dig, gro­ße Versammlungen und Demonstrationen zu unter­bin­den?«

Auf ein dif­fe­ren­zier­tes "Nein" der Anwältin folgt

»[Redakteur:] Ist das nicht eine etwas ein­sei­ti­ge Sicht? Gibt es nicht auch das Recht auf Leben und kör­per­li­che Unversehrtheit?«

Wieder eine dif­fe­ren­zier­te Antwort, erneut die Frage

»[Redakteur:] Moment. Manche Linke – wie etwa die Deutsche Kommunistische Partei, DKP – begrü­ßen die stren­gen Maßnahmen, die China und ande­re asia­ti­sche Länder im Kampf gegen die Pandemie ergrif­fen haben, war­nen aber vor den ver­gleichs­wei­se gerin­gen Einschränkungen für die Bevölkerung in der Bundesrepublik. Was wol­len Sie denn nun? Die Pandemie bekämp­fen oder Phantomdebatten über das Versammlungsrecht führen?«

In die­sem Stil geht es weiter:

"[Redakteur:] Wenn ich sehe, wer der­zeit auf »Hygienedemos« mit dem Grundgesetz unter dem Arm angeb­lich für die Freiheitsrechte in die­sem Land auf die Straße geht, wird mir wirk­lich angst und ban­ge. Diese Melange aus Faschisten, AfD-Anhängern, evan­ge­li­ka­len Christen, Esoterikern und – ja – offen­bar auch man­chen Linken und Menschen, die ernst­haft um ihre Grundrechte besorgt sind, macht mir mehr zu schaf­fen als die staat­li­chen Eingriffe in das Versammlungsrecht.…

Beruhigt es Sie nicht, dass der Rechtsstaat noch funk­tio­niert? Derzeit lie­gen über 1.000 Eilanträge bei den Gerichten vor, mit­tels derer Bürgerinnen und Bürger sich gegen Beschränkungen ihrer Rechte zur Wehr set­zen. Sie haben schon berich­tet, dass auch das Bundesverfassungsgericht kürz­lich das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bestä­tigt hat. Wo also ist das Problem?"

Am Wochenende nun die glei­che Nummer, dies­mal mit Michèle Winkler, Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie. Es ging um das Thema Rassismus in Deutschland.

»[Redakteur: Es] stellt sich die Frage, ob Großdemonstrationen gegen Rassismus und für Solidarität in Zeiten der Coronapandemie unbe­dingt erfor­der­lich sind, oder ob sie ihre heh­ren Ziele nicht sogar ad absur­dum füh­ren, wenn durch rie­si­ge Menschenansammlungen aus­ge­rech­net die schwäch­sten Glieder der Gesellschaft – Stichwort chro­nisch kran­ke oder betag­te Menschen – in Gefahr gebracht werden.«

Nach einer auch hier dif­fe­ren­zier­ten Antwort folgt eher ein Glaubensbekenntnis als eine Frage:

"[Redakteur:] Der Autor, Kabarettist und Physiker Vince Ebert hat bei Facebook einen inter­es­san­ten Beitrag zu die­ser Diskussion ver­öf­fent­licht. Er schreibt dort: »Noch vor sehr kur­zer Zeit blick­ten wir geschockt auf das Sterben in Bergamo und New York. Wir ver­schanz­ten uns in unse­ren Wohnungen, hiel­ten Abstand und ver­such­ten alles, um uns und unse­re Mitmenschen zu schüt­zen. Nur zwei, drei Wochen rei­chen aus, um all das wie­der zu ver­ges­sen. Jetzt stel­len wir uns zu Tausenden auf Plätze, hal­ten Schilder mit ›I can't brea­the‹ in die Höhe und ris­kie­ren dabei, dass in einer zwei­ten Welle vie­len unse­rer Mitbürger genau das pas­sie­ren wird. Dass sie an Beatmungsgeräte ange­schlos­sen wer­den und um ihr Leben kämp­fen müs­sen. Wir geben vor, dass uns George Floyd und das Schicksal der Afroamerikaner am Herzen liegt. Und dabei simu­lie­ren wir nur Mitgefühl. Wir faseln etwas von Verantwortung und mora­li­scher Pflicht, und dabei geht es uns doch nur um uns selbst. Wir sind klei­ne Narzissten, die berauscht vom eige­nen Gutsein unse­rem Facebook-Foto einen ›Black Lives Matter‹-Rahmen ver­pas­sen. Damit wir uns alle ein biss­chen so füh­len kön­nen wie Martin Luther King. Und dabei ist uns die Gesundheit unse­rer näch­sten Mitmenschen völ­lig egal. Es ist erbärm­lich.« Trifft Ebert damit nicht das Dilemma, vor dem alle Protestbewegungen, sei­en sie noch so fort­schritt­lich, seit Ausbruch der Pandemie stehen?"

Sodann unver­meid­lich "Wie bewer­ten Sie die »Hygienedemos«?" und ein gönnerhaftes

"[Redakteur:] Nun sind Sie per­sön­lich nicht ver­däch­tig, kei­nen Wert auf Grund- und Freiheitsrechte zu legen. Erst Anfang des Monats haben Sie in Berlin den »Grundrechte-Report« für 2020 vorgestellt."

Jeder ande­ren Redaktion wäre ein sol­cher Stil ver­mut­lich peinlich.

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