Vor ziemlich genau 10 Jahren konnte sich der Deutschlandfunk noch mit Profiten der Pharmaindustrie zu beschäftigen, ohne dem Vorwurf der Verschwörungstheorie ausgesetzt zu werden.
Unter dem Titel "Zwischen Alarmismus und Wirklichkeit
Eine Bilanz zur Schweinegrippe" stellte ein Bericht die Frage:
'Warum wurde die sogenannte Schweinegrippe vor einem Jahr zur gefährlichen Pandemie erklärt, obwohl sie zehnmal weniger tödliche Erkrankungen verursacht hat als eine normale Wintergrippe? Kritiker werfen der WHO vor, nur darauf gewartet zu haben, eine über Jahre aufgebaute Maschinerie in Gang zu setzen.
Ende Januar dieses Jahres befragt der Gesundheitsausschuss des Europarates in Straßburg die WHO und Pharmaindustrie zur Schweinegrippe. Bereits vor Ausrufung der Pandemie habe es Verträge mit einzelnen Regierungen für den Ankauf von Impfstoffen gegeben, betont der Arzt Wolfgang Wodarg, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, bei der Anhörung..
Bis Anfang Mai 2009 war auf der WHO-Internetseite zu lesen: Eine Pandemie sei die Ausbreitung eines neuen Influenzavirus, das – so wörtlich – „zu weltweiten Epidemien mit enormen Zahlen von Toten und Kranken führt“. Diese Definition wurde abgeändert. Nun kommt es nicht mehr so sehr darauf an, ob ein Virus tödlich sein kann, sondern ob es sich rasend schnell verbreitet. Die Ausrufung der weltweiten Ausbreitung der Schweinegrippe sei zurecht erfolgt, heißt es in einer schriftlichen Erklärung der WHO.
Dennoch bleibt der Vorwurf bestehen, dass die Pharmalobby eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. Viele Grippeforscher, die als Experten in maßgeblichen Kommissionen mitbestimmen, seien eng mit der Pharmaindustrie verbunden, beschreibt die Organisation Transparency International den Zusammenhang:
„Was wir immer kritisch überprüfen, ist die Unabhängigkeit von medizinischen Sachverständigen. Und da stellt sich heraus, auch in Deutschland, bei der Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft beispielsweise, dass man eben kaum Sachverständige findet, die nicht auch als Sachverständige von der entsprechenden Herstellerindustrie in Anspruch genommen werden", sagt Anke Martiny, Vorstandsmitglied der Anti-Korruptionsorganisation. Sie fordert die Offenlegung von Interessenkonflikten:
Tatsache ist: Die Pharmaindustrie verdient bestens am Pandemiealarm der WHO. Allein die Bundesländer bestellten 50 Millionen Impfstoff-Ampullen. Die Kosten: rund eine Milliarde Euro. Vor allem drei große internationale Pharmaunternehmen haben sich den lukrativen Markt gesichert: der britische Konzern GlaxoSmithKline, die Schweizer Novartis und die französische Sanofi…
Als sich herausstellt, dass eine einmalige Impfung völlig ausreicht und sehr viel weniger Menschen als erwartet sich impfen lassen, wird klar, dass die georderten 50 Millionen Pandemrix-Dosen zu viele sind. Nach hartem Ringen einigen sich bei einem Treffen im Januar die Bundesländer mit dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline darauf, rund ein Drittel weniger Schweinegrippe-Impfstoff abkaufen zu müssen als ursprünglich geplant… Beim Preis von acht Euro pro Dosis könnte sich der Verlust für die Länder am Ende auf mehr als 200 Millionen Euro belaufen…
Während sich die Aufregung in Deutschland um die Schweinegrippe längst gelegt hat, gilt nach wie vor weltweit die Pandemiestufe 6. Das Robert-Koch-Institut gibt noch keine Entwarnung. Schließlich zirkuliere das Virus noch in verschiedensten Regionen Europas und der Welt. Doch allen Beteiligten ist klar: Dieses Mal war der Verlauf der Neuen Grippe eher milde. Dieser Umstand müsse genutzt werden, fordert Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit in Berlin:
„Was wir natürlich im Ergebnis der Neuen Grippe auswerten müssen: Haben sich die Strukturen, in denen die Entscheidungen getroffen werden, bewährt? Hat sich die Entscheidung in der Sache als richtig erwiesen? Was lernt man sozusagen aus dieser Situation?“
Im Klartext: Beim nächsten Ernstfall müsste das Krisenmanagement deutlich besser sein.'
(Hervorhebungen nicht im Original)