»Mit der Spucke im Nacken habe ich meine Fahrgäste bis zum Endziel gebracht.«

Vor­ab: Ich fin­de es blöd, jeman­den zu bespu­cken oder anzu­pö­beln, egal aus wel­chem Grund. Die gräus­li­che Sto­ry über die Duis­bur­ger Stra­ßen­bahn­fah­re­rin, die sich bemü­ßigt sah, "kurz vor dem Weih­nachts­fest" einen von einem Mit­rei­sen­den denun­zier­ten Fahr­gast aus der Bahn zu wer­fen, ist für mich den­noch Mei­nungs­ma­che der unters­ten Schub­la­de. Am 16.1.23 liest man auf waz​.de:

»Unter Tränen: DVG-Fah­re­rin über den Ekel-Angriff in 901
An die­sem Dezem­ber­tag fuhr Pan­nek auf der Linie 901, die von Mül­heim nach Ober­marx­loh führt. Ein Fahr­gast mach­te die Fah­re­rin dar­auf auf­merk­sam, dass sich ein Mann nicht an die obli­ga­to­ri­sche Mas­ken­pflicht im ÖPNV hal­ten würde.

Pan­nek bat den Mas­ken­ver­wei­ge­rer dar­auf­hin freund­lich dar­um, die Mas­ke auf­zu­set­zen. Sei­ne Reak­ti­on: Der Fahr­gast beschimpf­te sie als „alte Schlam­pe“, zeig­te in der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on kei­ne Ein­sicht. Tat­ja­na Pan­nek sah sich daher gezwun­gen, den Mann aus der Bahn zu ver­wei­sen. Aber auch die­ser Anwei­sung kam er nicht nach. Als Pan­nek dann über die Leit­stel­le der DVG die Poli­zei anfor­dern woll­te, ver­folg­te der Unru­he­stif­ter sie und spuck­te ihr von hin­ten in den Nacken. „Nie­mand in der Bahn hat ein­ge­grif­fen, ich stand allei­ne mit die­sem aggres­si­ven Herrn da“, erin­nert sich die Bahnfahrerin.

Trotz Spuckattacke: DVG-Fahrerin bringt ihre Fahrgäste ans Ziel

In die­sem Moment hät­te Tat­ja­na Pan­nek am liebs­ten die Bahn räu­men las­sen und die Fahrt been­det, was im Bereich ihrer Mög­lich­kei­ten gele­gen hät­te. Aber: „Mit der Spu­cke im Nacken habe ich mei­ne Fahr­gäs­te bis zum End­ziel gebracht.“ Ihr Pflicht­be­wusst­sein über­wog der Wut und der Enttäuschung.

Nach ihrer Schicht fuhr sie nach Hau­se und nahm eine hei­ße Dusche. Wenn sie heu­te auf den Vor­fall zurück­blickt, stockt ihre Stim­me, ihre Augen wer­den feucht: „Ich habe mir den Dreck run­ter­ge­spült, denn so fühl­te ich mich: wie Dreck.“«

Sie wünscht sich mehr Respekt, wes­halb der Arti­kel so rät­sel­haft endet:

»Aktu­ell sagt sie: „Wenn ich in die Kabi­ne stei­ge, setz­te ich eine Mas­ke auf, um mich zu schüt­zen.“ Und auf die­sen Schutz­me­cha­nis­mus, der nichts mit einer Mas­ken­pflicht zu tun hat, wür­de sie ger­ne verzichten.«


Als wir heu­te in Ber­lin mit dem Bus fuh­ren, war es wie in den letz­ten Tagen auch in U- und S‑Bahn: Nur eine Min­der­heit war ver­mummt. Lus­tig waren die letz­ten zwei Sta­tio­nen bis zur End­hal­te­stel­le. Da saßen wir zu zweit ohne Mas­ken und zehn Meter ent­fernt in sei­ner Glas­ka­bi­ne der Fah­rer mit FFP‑2. Die behielt er auch nach dem Aus­stei­gen an, jeden­falls solan­ge ich ihn sehen konn­te. Wir sind alle gut mit­ein­an­der ausgekommen.

10 Antworten auf „»Mit der Spucke im Nacken habe ich meine Fahrgäste bis zum Endziel gebracht.«“

  1. Sich wie Dreck zu füh­len wäre ein klei­ner Schritt zur Ein­sicht als Hand­lan­ger einem Sys­tem zu die­nen wel­ches dazu fähig ist noch viel dre­cki­ger mit Men­schen umzu­ge­hen. Ich fürch­te jedoch, zu die­ser Ein­sicht kam es nicht.

  2. Frü­her, so vor 20- 30 Jah­ren, war im poli­ti­schen Dis­kurs über Kopf­tü­cher und Aus­län­der immer von Frem­den­feind­lich­keit und Tole­ranz die Rede.

    Die Begrif­fe haben sich ver­än­dert. "Tole­ranz" ist in die­sem, und ande­ren Kon­tex­ten, fast völ­lig ver­schwun­den, man will heu­te davon nichts mehr wissen.

    Wohl weil der Begriff alle Sei­ten adressiert?

  3. Es gibt wohl nicht vie­le Bediens­te­te des Per­so­nen­trans­ports, wel­che nicht von unan­ge­neh­men Begeg­nun­gen mit aggres­si­ven Fahr­gäs­ten zu berich­ten wis­sen. Schön ist sowas nicht.
    Wäre ich an Stel­le der Stra­ßen­bahn­fah­re­rin wür­de ich mir Gedan­ken über die soge­nann­ten Nor­ma­len die­ser Gesell­schaft machen, die mich erst durch ihre "muti­ge" Denunza­ti­on in die­se Situa­ti­on gebracht haben, um wäh­rend der Eska­la­ti­on noch muti­ger wegzusehen.

    1. @ D. S.

      Sie hat sich selbst in die­se Situa­ti­on manö­vriert. Ohne die mie­sen Denun­zi­an­ten damit in Schutz neh­men zu wol­len, bleibt zu kon­sta­tie­ren, dass sie der Ein­la­dung, einen ein­zel­nen "Que­ru­lan­ten" zu maß­re­geln, wil­lig gefolgt ist und – indem sie droh­te, die all­seits belieb­ten staat­li­chen Repres­si­ons­or­ga­ne zu rufen – sogar den Weg maxi­ma­ler Eska­la­ti­on gegan­gen ist.

      Sie hät­te das anders lösen kön­nen, wenn ihr dar­an gele­gen hätte.

      1. @FZ,
        Ich fin­de es eh immer schwie­rig sol­che Geschich­ten zu beur­tei­len, wenn man nicht selbst dabei war. Wer weiß, wie es wirk­lich gelau­fen ist und was der Schrei­ber dazu­ge­dich­tet oder aus­ge­schmückt hat.

  4. Zwei Beob­ach­tun­gen:
    Der Begriff "Pflicht­be­wusst­sein" ist in die­sem Arti­kel völ­lig posi­tiv kon­no­tiert, wie ja auch der Begriff "Volks­ge­sund­heit" wie­der unan­stö­ßig gewor­den ist und nun­mehr sogar das Wort vom "End­sieg" (über das Virus).
    Der Arti­kel-Schrei­ber­ling (m/w/d) begeht nicht nur sol­che seman­ti­schen Gräu­el­ta­ten, er hat auch kei­ne Ahnung von Gram­ma­tik und baut – aus­ge­rech­net! Der stirbt doch dank sei­ner Zunft lei­der aus – einen fal­schen Geni­tiv ein; ich ver­mu­te, dass der Geni­tiv her muss, um den Schrei­ber­ling beson­ders 'kom­pe­tent' wir­ken zu lassen.
    Mich graust mal wie­der. (Spra­che baut Welt.)

    1. Auch Tom Lau­sen hat im säch­si­schen Land­tag bei einer Anhö­rung von "Volks­ge­sund­heit" gespro­chen. Ist mir sau­er aufgestoßen.
      Ansons­ten hal­te ich ihn ja für aufrichtig. 

      Auch die "Zei­ten­wen­de": Wen­de war gem. Klem­pe­rer auch ein Begriff der Nazis, wenn es um angebl. mili­tä­ri­sche Erfol­ge ging. Auch bei der "Wie­der­ver­ei­ni­gung" wur­de der Begriff benutzt. 

      Aber bei Leu­ten, die mei­nen, die Ukrai­ne ver­tei­di­ge Demo­kra­tie und Frei­heit, ist wohl alles irgend­wie gewendet.

      1. Was soll er denn statt Volks­ge­sund­heit sagen? Public Health? 

        Sicher­lich ist es sinn­haf­tes poli­ti­sches Anlie­gen, die Gesund­heit der All­ge­mein­heit zu gewähr­leis­ten. Des­we­gen haben wir Kran­ken­häu­ser, des­we­gen haben wir Kran­ken­kas­sen und auch Pflicht­mit­glied­schaf­ten in die­ser, sodass wich­ti­ge Behand­lun­gen jedem zugu­te kom­men und kein Arzt und kein Kran­ken­haus Gefahr läuft, auf den Kos­ten sit­zen zu blei­ben. Davor haben ja vie­le Ame­ri­ka­ner ohne Kran­ken­ver­si­che­rung Angst, dass sie gegen ihren Wil­len in ein Kran­ken­haus gebracht wer­den und hin­ter­her die Kos­ten tra­gen müs­sen. Der Begriff Volks­ge­sund­heit ist des­halb anrü­chig, weil die Nazis über einen Volks­kör­per fabu­lier­ten und mein­ten, "kran­ke Ele­men­te" aus­sor­tie­ren zu müs­sen, was dann in der T4-Akti­on mün­de­te. Mit sol­chen Gedan­ken waren die Nazis nicht allei­ne; die waren genau­so Kin­der ihrer Zeit und Euge­nik war ja in den USA und in Euro­pa sehr popu­lär, gera­de unter Eli­ten. Die Befürch­tung ist, dass genau die­se alten Gedan­ken nicht weg sind. Ich glau­be kaum, dass Tom Lau­sen den Begriff Volks­ge­sund­heit im Sin­ne von Euge­nik ver­wen­det hat. Die ande­ren (Schwab, Gates, Mea­dows usw.) sind viel gewief­ter. Die sagen neh­men weder Volks­ge­sund­heit noch Euge­nik in den Mund, hegen aber genau sol­che Gedan­ken. Sin­ken­de Gebur­ten­ra­ten neh­men die doch freu­dig zur Kennt­nis. Grü­ne Ideo­lo­gie und die Davos-Eli­ten gehen Hand in Hand mit ihrem mal­thu­sia­ni­schen Kappes.

  5. Ist natür­lich asozial.NUr fra­ge ich mich wie das gehen soll?Spätestens seit Coro­na sind die Fah­rer doch von 4 Sei­ten geschützt.
    Ist sie aufgestanden?Hab ich noch nie gesehen…

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