Wie bereits erwähnt, geht Corona aufs Hirn. Das scheint sich besonders auf ins Home Office verbannte JournalistInnen und PolitikerInnen auszuwirken.
Ein schönes Beispiel dafür ist ein munteres Geplauder, das ein "Leiter Parlamentsbüro" und eine "Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort" der taz mit Professor Karl Lauterbach (SPD) führen.
Es steht unter dem Titel 'Karl Lauterbach über Covid-19: „Die Pandemie ist schrecklich“'
Dort finden sich amüsante Floskeln wie diese:
'taz am wochenende: Herr Lauterbach, in der Coronakrise gelten Sie als ewiger Mahner, als Befürworter eines strengen Lockdowns, und auch, naja, als Spaßbremse. Wie lebt es sich damit?
Karl Lauterbach: Ich glaube nicht, dass ich als Spaßbremse rüberkomme…
[taz am wochenende:] Ist die Pandemie gar nicht so schlimm, wie Sie uns glauben machen wollten?
[Karl Lauterbach:] Man sieht im Sonnenschein nicht, wie die Erkrankten leiden. Die Pandemie ist schrecklich. Gute Freunde von mir arbeiten als Ärzte in New York, sie erleben die schlimmsten Tage ihrer Laufbahn. Covid-19 ist eine heimtückische, widerliche Erkrankung…
[taz am wochenende:] Der Virologe Christian Drosten warnt vor einer zweiten Welle. Können Sie das Szenario skizzieren, das uns droht?
[Karl Lauterbach:] Die zweite Welle sähe so aus: Mit den jetzigen Maßnahmen könnten wir das erneute exponentielle Wachstum nicht stoppen…
[taz am wochenende:] Auf welchen Daten basieren Ihre Annahmen?
[Karl Lauterbach:] Egal, welches Modell zur Berechnung des Verlaufs Sie heranziehen, ob nun das von Neil Ferguson vom Imperial College London, das von Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Institut oder das von Marc Lipsitch aus Harvard: Klar ist, wir bewegen uns auf einem schmalen Grat. Sobald eine bestimmte Zahl an neuen Infektionen überschritten wird, steigen die Zahlen binnen kürzester Zeit in unerträgliche Dimensionen.
[taz am wochenende:] Alle bisherigen Anstrengungen wären umsonst gewesen?
[Karl Lauterbach:] Komplett umsonst…
[taz am wochenende:] Verstehen wir Sie richtig: Sie sagen, dass es klüger gewesen wäre, die strengen Kontaktbeschränkungen, die den Menschen viel soziales, wirtschaftliches und psychisches Leid gebracht haben, um weitere Wochen auszudehnen?
[Karl Lauterbach:] Es hätte deutliche Vorteile gehabt. Das Gros der Bevölkerung hätte über einen längeren Zeitraum mehr Freiheiten gehabt. Mit weniger Neuinfektionen hätte die Möglichkeit bestanden, die Ansteckungen nachzuvollziehen und die Herde auszutreten…
[taz am wochenende:] Als wichtige Messlatte gilt jetzt der Reproduktionswert, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Warum ist die Zahl wichtig?
[Karl Lauterbach:] Bei einem R‑Wert über 1 ist immer Alarmstufe Rot. Wir sind dann im exponentiellen Wachstum. Ist er dagegen unter 1, werden auch andere Faktoren wichtig, die Zahl der Neuinfektionen etwa. Ideal wären ein R‑Wert von 0,5 und eine niedrige dreistellige Zahl täglicher Neuinfektionen, kombiniert mit einer App zum contact tracing, einer Maskenpflicht sowie großzügigen Tests um jeden einzelnen Verdachtsfall herum…
[taz am wochenende:] Wie lange wird der Ausnahmezustand dauern?
[Karl Lauterbach:] …Ich bin geneigt, den Epidemiologen aus Harvard zu folgen, die prognostizieren, dass das Virus noch bis 2022 unser Leben bestimmen wird…
[taz am wochenende:] Hat die Politik selbst verstanden, dass der Ausnahmezustand möglicherweise noch zwei weitere Jahre dauern wird? Armin Laschet, der NRW-Ministerpräsident, will über weitere Lockerungen im Mai sprechen.
[Karl Lauterbach:] Mein Eindruck ist, dass einige Politiker das sehr gut verstehen – und andere weniger gut. Aber die letzte Gruppe wird es durch das Virus lernen.
[taz am wochenende:] Sie sind der bekannteste Gesundheitsexperte der SPD. Warum hört Ihre Partei eigentlich nicht auf Sie?
[Karl Lauterbach:] Ich glaube nicht, dass die Partei nicht auf mich hört. Hinter den Kulissen bin ich einflussreich.
[taz am wochenende:] Gesundheit ist kein absolutes Gut, sondern bloß eines unter vielen. Auch Verfassungsrichter sagen, dass Grundrechte nicht unter dem lapidaren Hinweis „Aber für die Gesundheit ist es notwendig“ ohne Weiteres eingeschränkt werden dürfen. Sind die Richter ignorant?
[Karl Lauterbach:] Nein. Sie setzen sich intensiv mit der Gefährlichkeit des Virus auseinander, sie nehmen die Daten ernst. Mein Eindruck ist: Die Realität der Pandemie frisst sich durch die Denkweise. Auf allen Seiten wird wahrgenommen, dass es um Grundrechtseinschränkungen geht, die wir noch nie hatten. Und die wir hoffentlich nie wieder haben werden.' Link