"Psychische Belastungen bei Jugendlichen haben deutlich zugenommen"

Der Kin­der- und Jugend­psy­cho­lo­ge Prof. Dr. Juli­an Schmitz vom Insti­tut für Psy­cho­lo­gie der Uni­ver­si­tät Leip­zig kommt in einem Inter­view mit der "Leip­zi­ger Zei­tung" am 12.3. zu Wort:

»Die Coro­na-Pan­de­mie mit den Schul- und Kita­schlie­ßun­gen ist eine stark her­aus­for­dern­de Situa­ti­on für alle Kin­der, Jugend­li­chen und Fami­li­en. Auf der einen Sei­te ist dies eine Zeit mit extre­mer Unsi­cher­heit und Zukunfts­ängs­ten. Kin­der stel­len sich Fra­gen wie „Wann kann ich wie­der in die Schu­le?“, „Wann sehe ich mei­ne Freun­de wie­der?“, „Schaf­fe ich mei­ne Klas­sen­ar­bei­ten und mei­ne Ver­set­zung?“. Ins­ge­samt hat dies zu einer hohen Belas­tung in den Fami­li­en geführt.

Dazu kommt der Ver­lust von sozia­len Kon­tak­ten in der Schu­le. Sozia­ler Aus­tausch und Gleich­alt­ri­ge sind beson­ders für die sozia­le Ent­wick­lung von Kin­dern uner­läss­lich. Zudem berich­ten vie­le Fami­li­en auch von inner­fa­mi­liä­ren Span­nun­gen durch die Unver­ein­bar­keit von elter­li­chem Home­of­fice und beruf­li­chem Stress zusam­men mit der Anfor­de­rung, Kin­der zu Hau­se zu unter­rich­ten. Vie­le Fami­li­en und Kin­der sind in die­ser Zeit an ihre psy­chi­sche Belas­tungs­gren­ze gekom­men und tief erschöpft…

Wir sehen aktu­ell… eine star­ke Zunah­me von psy­chi­schen Belas­tun­gen aus dem gesam­ten Spek­trum wie Depres­sio­nen, Ängs­ten, Zwangs­stö­run­gen und Ver­hal­tens­stö­run­gen. Dabei lei­den auf der einen Sei­te die Kin­der und Jugend­li­chen, die schon mit einer psy­chi­schen Stö­rung in die Pan­de­mie gegan­gen sind und deren Lage sich häu­fig sehr ver­schlech­tert hat.

Auf der ande­ren Sei­te sehen wir auch, dass vie­le Kin­der, die vor der Kri­se psy­chisch gesund waren, nun in die­ser Zeit – ins­be­son­de­re der Lock­downs – psy­chisch krank gewor­den sind…

Sowohl vie­le Eltern als auch Leh­rer [sind] an und über ihre Gren­zen gegan­gen und hat­ten den Ein­druck, dass ihre Situa­ti­on von der Poli­tik nicht ernst genug genom­men wur­de. Ein gutes Bei­spiel ist hier die feh­len­de tech­ni­sche Aus­stat­tung für das Home­schoo­ling oder sehr rigi­de Rege­lun­gen für die Not­be­treu­ung, die sich nicht an der psy­chi­schen Gesund­heit von Kin­dern und Eltern ori­en­tiert hat, son­dern allein am aus­ge­üb­ten Beruf.

Wir hat­ten uns bereits 2020 von der Deut­schen Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie gemein­sam mit dem Deut­schen Kin­der­schutz­bund an die Lan­des­re­gie­run­gen gewandt und auf die drin­gen­de Not­wen­dig­keit der Öff­nung der Not­be­treu­ung für psy­chisch kran­ke Kin­der hingewiesen…

Aus mei­ner Sicht hat es jetzt obers­te Prio­ri­tät, Model­le zu ent­wi­ckeln, dass Kin­der zumin­dest antei­lig und zuver­läs­sig die Bil­dungs­ein­rich­tun­gen besu­chen kön­nen und auch Frei­zeit­an­ge­bo­te mit guten Hygie­ne­kon­zep­ten und einer Coro­na-Test-Stra­te­gie geöff­net wer­den. Wir müs­sen uns klar­ma­chen, dass beson­ders im Kin­des­al­ter ver­säum­te Ent­wick­lungs­schrit­te nicht oder nur schlecht nach­ge­holt wer­den kön­nen. Eine beson­ders gro­ße Sor­ge machen mir wei­ter­hin Kin­der aus sozi­al benach­tei­lig­ten Fami­li­en. Für die­se Fami­li­en müs­sen in Zukunft Ange­bo­te gemacht wer­den, um das Ver­säum­te mög­lichst gut wie­der auf­zu­ho­len…«

7 Antworten auf „"Psychische Belastungen bei Jugendlichen haben deutlich zugenommen"“

    1. Ich hof­fe nur eins: Dass sich Män­ner, doch vor allen Frau­en, – denn die müs­sen sie ans Licht der Welt beför­dern – die­ser tota­li­tä­ren Situa­ti­on voll bewusst sind und kei­ne Kin­der in die Welt setzen.

      1. @Weißer Rabe
        Ich ver­ste­he den Gedan­ken sehr gut.
        Andererseits:
        Den Eli­ten zuvor­zu­kom­men, indem man im vor­aus­ei­len­den Gehor­sam aus­stirbt, ist auch nicht gera­de eine viel­ver­spre­chen­de Stra­te­gie. So auf Dau­er gesehen…

  1. Was tun unse­re Poli­ti­ker, allen vor­an die Frau BK und die Lan­des­fürs­ten? Wenn sie mit die­sen The­men und Fra­gen dies­be­züg­lich kon­fron­tiert wer­den, schau­spie­lern sie plötz­lich Ver­ständ­nis und Betrof­fen­heit mit einer Kalt­schnäu­zig­keit und ohne jeden Skru­pel, da sie sich über­haupt nicht in die Lage der Eltern und Kin­der ver­set­zen kön­nen, weil sie ent­we­der kei­ne Kin­der haben/hatten oder ihre Kin­der seit vie­len Jahr­zehn­ten aus dem Haus sind.
    Teil­wei­se wer­den die vor­ge­tra­ge­nen Pro­ble­me der Eltern und Leh­rer sogar als Quer­den­ker­tum oder Rechts­ra­di­ka­lis­mus dis­kre­di­tiert, weil sie ja maß­nah­men­kri­tisch sind. Schu­le ist ja nicht nur Bil­dung und Wis­sens­ver­mitt­lung, son­dern auch Erzie­hung und sozia­le Kom­pe­ten­zen ver­mit­teln. Man darf fer­ner nicht ver­ges­sen, dass Schü­ler kei­ne Stu­den­ten sind und das bis­he­ri­ge Schul­kon­zept auf den klas­si­schen Fron­tal­un­ter­richt zuge­schnit­ten war.

  2. Als ich die kur­zen Clips Tho­mas Röpers vom St. Peters­bur­ger Night­li­fe gese­hen habe, muss­te ich inner­lich kurz weinen.
    Lus­tig fin­de ich, dass im Club dort "Covidio­ten" an der Wand geschrie­ben steht, wäh­rend wir hier die wah­re Covi­dio­cra­cie bewun­dern dürfen.

    https://​www​.anti​-spie​gel​.ru/​2​0​2​1​/​c​o​v​i​d​i​o​t​e​n​-​u​n​d​-​p​a​r​t​y​-​w​i​e​-​d​a​s​-​n​a​c​h​t​l​e​b​e​n​-​i​n​-​s​t​-​p​e​t​e​r​s​b​u​r​g​-​h​e​u​t​e​-​a​u​s​s​i​e​ht/

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