Qualitätskontrolle von Corona-Schnelltests nur lückenhaft

Das ist heu­te auf br​.de zu lesen:

»Antigen-Schnelltests gel­ten als Hoffnungsschimmer in der Corona-Pandemie und sol­len in Altenheimen oder bei Flugreisen ein Stück Normalität ermög­li­chen. Doch BR-Recherchen zei­gen: Unabhängig über­prüft wer­den die Tests bis­her kaum.

Ob beim Besuch im Altenheimvor dem Abflug am Flughafen oder dem Anpfiff des Bundesliga-Spiels: Antigen-Schnelltests ver­spre­chen schnel­le Gewissheit über die Frage: Corona-Positiv oder nicht. Seit Mitte Oktober sind sie mit der Corona-Testverordnung sogar Teil der Nationalen Teststrategie. Dafür listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehr als 200 die­ser Schnelltests auf sei­ner Webseite.

Selbst Tankwagenreiniger bie­ten Corona-Tests an

Auf der Liste fal­len neben Herstellern und Importeuren mit lang­jäh­ri­ger Erfahrung mit Medizinprodukten neue und vie­le fach­frem­de auf. Ein Unternehmen, gegrün­det in der ver­gan­ge­nen Woche, fir­miert in bester Adresse am Münchner Odeonsplatz. Ein ande­res bie­tet sonst Tankwagen- und Containerreinigung an, ein wei­te­res ver­treibt Werbeprodukte wie Glückskekse oder bedruck­te Badeschuhe. Auf BR-Anfragen reagiert kei­ne die­ser Firmen – außer einer.

Einen Test auf der Liste des BfArM zu regi­strie­ren, sei nicht beson­ders schwie­rig, sagt Simon Wiedemann von Trekstor. "Hierfür ist vor allem eine ver­trau­ens­vol­le Beziehung zu den Herstellern wich­tig, da man für die Bereitstellung der Dokumente voll und ganz auf die­se ange­wie­sen ist." Das Unternehmen aus Hessen ist als Anbieter von USB-Sticks und ande­rem Computerzubehör bekannt gewor­den. Seit Anfang 2020 hat Trekstor auch eine Produktlinie mit Medizinprodukten im Sortiment, dar­un­ter meh­re­re Antigen-Schnelltests. Trekstor hat dafür nach eige­nen Angaben unter ande­rem einen Medizinprodukte-Sicherheitsbeauftragten bestimmt.

Ob alle ande­ren Unternehmen, die auf der Liste ste­hen so sorg­fäl­tig vor­ge­hen, wie der Computer-Zubehör-Händler angibt, lässt sich schwer beur­tei­len. Denn ent­schei­dend dafür, ob ein Test auf die Liste des BfArM kommt, ist nur ein kur­zer Katalog von Anforderungen, erstellt vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mit dem Robert-Koch-Institut (RKI). Darin ste­hen Mindestkriterien an die Antigen-Schnelltests, die Anforderungen an die tech­ni­schen Standards fest­le­gen, etwa zu Sensitivität oder Spezifität. Hersteller, die ange­ben, die­se Anforderungen zu erfül­len, kön­nen ihren Test auf die Liste set­zen las­sen. Das BfArM gleicht die Herstellerangaben ledig­lich mit die­sen Mindestkriterien ab.

Was auf den ersten Blick wie eine Liste mit behörd­lich über­prüf­ten und offi­zi­ell geneh­mig­ten Tests wirkt, ist ledig­lich eine auf Herstellerangaben beru­hen­de "Marktübersicht", wie es in der Corona-Testverordnung heißt. Hinzu kommt: Antigen-Schnelltests wer­den von kei­ner Behörde oder ande­ren unab­hän­gi­gen Stelle über­prüft, bevor sie auf den Markt kom­men. Selbst die CE-Zertifikate stel­len sich die Hersteller selbst aus

Gesundheitsministerium: Konzept ist in Arbeit

Das Bundesgesundheitsministerium teilt auf Anfrage mit, das Verfahren beru­he auf den der­zeit gel­ten­den euro­päi­schen und natio­na­len Regeln zum Inverkehrbringen von In-vitro-Diagnostika, zu denen die Antigentests gehö­ren. Unabhängige Überprüfungen der Herstellerangaben sei­en dabei nicht vor­ge­se­hen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sag­te ver­gan­ge­ne Woche in der Bundespressekonferenz:

"Um es zügig zu machen, muss­ten wir uns erst mal auf Herstellerangaben ver­las­sen". Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Derzeit sei ein Konzept in Arbeit, um nach und nach alle Herstellerangaben zu über­prü­fen. Die Hersteller, die Kontingente für das deut­sche Gesundheitswesen zuge­si­chert haben, sei­en bereits über­prüft wor­den. Auf die Frage, wie vie­le der Tests bis­lang ins­ge­samt unab­hän­gig über­prüft wur­den, und wer dafür zustän­dig ist, geben die Behörden kei­ne kla­re Antwort.

Die Virologin Prof. Ulrike Protzer von der TU München for­dert eine unab­hän­gi­ge Untersuchung der Schnelltests. Denn:

"So ein Test ist nicht sehr auf­wen­dig her­zu­stel­len. Deswegen gibt es ja auch sehr vie­le davon. Und nicht alle die­ser Hersteller wer­den wirk­lich qua­li­ta­tiv sehr hoch­wer­ti­ge Tests pro­du­zie­ren." Prof. Ulrike Protzer, Virologin an der TU München

Immerhin: Das Institut für Virologie der Berliner Charité hat sie­ben der auf dem Markt ver­füg­ba­ren Antigen-Tests unter­sucht. Das Team um den Virologen Christian Drosten stuft sechs der Tests als gut ein, einen als etwas schlechter.

Grüne und Linke kri­ti­sie­ren Umgang mit Schnelltests

Die Opposition im Bundestag äußert Kritik am Umgang mit den Antigen-Schnelltests. Achim Kessler, gesund­heits­po­li­ti­scher Sprecher der Linken, sag­te dem BR, die Bundesregierung habe es ver­schla­fen, Antigen-Schnelltests wis­sen­schaft­lich fun­diert zu über­prü­fen. Er schlägt vor, die Hersteller von Antigen-Schnelltests zu ver­pflich­ten, spä­te­stens drei Monate nach Zulassung aus­sa­ge­fä­hi­ge Studien zu deren Wirksamkeit und Sicherheit nachzureichen.

Kordula Schulz-Asche, Sprecherin der Grünen für Alten- und Pflegepolitik for­dert ein ver­nünf­ti­ges Zulassungsverfahren für Medizinprodukte: "Das Chaos, das wir Anfang des Jahres in der Qualitätsfrage bei den Masken hat­ten, darf sich jetzt bei der Teststrategie nicht wie­der­ho­len." Im Moment sehe es lei­der so aus.«

2 Antworten auf „Qualitätskontrolle von Corona-Schnelltests nur lückenhaft“

  1. … Kordula Schulz-aus der Asche ? Selten hat mir jemand so wenig Fragen über Gesundheit beant­wor­ten kön­nen – noch nicht eine Silbe von Substanz kam aus ihren Grünländereien …

  2. Es ist alles immer noch viel schlim­mer als man es sich in sei­nen alp­traum­haf­te­sten Gedanken aus­ge­malt hat.

    Also da wer­den Medizinprodukte, näm­lich Antigen-Schnelltests, in Umlauf gebracht, die die Qualität von Kaugummi-Abziehbildchen auf­wei­sen kön­nen – und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet die­se auf sei­nen offi­zi­el­len Seiten was für einen Verbraucher wie ein Gütesiegel aus­se­hen kann.

    Es ist ein­fach unfassbar!

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