Querdenkerin Rosa Luxemburg

Das ist sicher eine gewag­te For­mu­lie­rung. Die aller­meis­ten Quer­den­ken­den wer­den mit der Kom­mu­nis­tin nichts am Hut haben wol­len, eini­ge weni­ge unter ihnen ihre Ermor­dung durch schwarz-weiß-rote Sol­da­ten am 15.1.1918 auch begrü­ßen. Auf der ande­ren Sei­te dürf­ten vie­le, die sich in ihrer Tra­di­ti­on wäh­nen, über die­sen Gedan­ken die Nase rümp­fen. Es lohnt dabei, sich mit ihren Tex­ten zu beschäf­ti­gen. Ihre Wor­te von 1916, mit denen sie den Über­gang der Sozi­al­de­mo­kra­tie in den Burg­frie­den mit dem Kapi­tal und die Zustim­mung zum Krieg, gei­ßel­te, klin­gen aktuell:

»Ein Hund ist, wer den Stie­fel der Herr­schen­den leckt, der ihn jahr­zehn­te­lang mit Trit­ten bedachte.

Ein Hund ist, wer im Maul­korb des Bela­ge­rungs­zu­stan­des fröh­lich schweif­we­delt und den Her­ren der Mili­tär­dik­ta­tur, lei­se um Gna­de win­selnd, in die Augen blickt…

Ein Hund ist, wer die gan­ze Ver­gan­gen­heit sei­ner Par­tei, wer alles, was ihr ein Men­schen­al­ter hei­lig war, auf Kom­man­do der Regie­rung abschwört, begei­fert, in den Kot tritt.«

Die­ses Zitat fin­det sich in einer Bei­la­ge der "jun­gen Welt", der lin­ken Tages­zei­tung, die sich in Sachen "Coro­na" exakt so ver­hält. Gewiß haben wir kei­ne Mili­tär­dik­ta­tur, die Anbie­de­rung der heu­ti­gen Sozi­al­de­mo­kra­tie in Gestalt der Links­par­tei an die Mäch­ti­gen ist den­noch ver­gleich­bar. Auch die Schluß­fol­ge­rung Luxem­burgs muß in die jet­zi­ge Zeit über­setzt werden:

»Nur die Selbst­tä­tig­keit der Mas­sen, nur küh­ne Initia­ti­ve der Mas­sen, nur nach­drück­li­che Akti­on des Klas­sen­kampfs auf der gan­zen Linie kann uns auf den Weg hin­aus­füh­ren, dem Völ­ker­mord, der Mili­tär­dik­ta­tur, dem lang­sa­men Ver­hun­gern des Vol­kes ein Ende zu machen.«

Mal sehen, wie die "jun­ge Welt" die­se heu­ti­ge Beob­ach­tung ein­ord­nen wird:

»Poli­zei atta­ckiert LL-Demo

Ber­lin. Die dies­jäh­ri­ge Luxem­burg-Lieb­knecht-Demons­tra­ti­on in Ber­lin konn­te am Sonn­tag vor­mit­tag erst mit erheb­li­cher Ver­zö­ge­rung star­ten. Am Sam­mel­punkt am Frank­fur­ter Tor sind Bereit­schafts­po­li­zis­ten mehr­fach mit Gewalt gegen die etwa 2.000 Teil­neh­mer vor­ge­gan­gen. Trupps von behelm­ten Beam­ten stürm­ten am Frank­fur­ter Tor in die Men­schen­men­ge, die sich unter Beach­tung der Infek­ti­ons­schutz­re­geln ver­sam­melt hat­te. Eine Augen­zeu­gin sag­te gegen­über jW, die Poli­zis­ten hät­ten »rich­tig zuge­langt«. Ein via Twit­ter ver­brei­te­tes Video zeigt, wie ein Poli­zei­be­am­ter unver­mit­telt hin­ter einem Fahr­zeug her­vor­stürmt, ohne erkenn­ba­ren Anlass mit aus­ge­streck­tem Bein in einen Demons­tran­ten hin­ein­springt, die­sen mit einem Tritt gegen Kopf oder Hals nie­der­streckt und sich dann sofort wie­der ent­fernt. Ein Augen­zeu­ge sprach gegen­über jW von min­des­tens 10 zum Teil schwe­rer ver­letz­ten Demons­tran­ten und etwa 35 Fest­nah­men. Auf im Inter­net ver­brei­te­ten Auf­nah­men ist zu sehen, wie Sani­tä­ter meh­re­re ver­letz­te Demons­tran­ten behandeln.

Vor­wand für das aggres­si­ve Vor­ge­hen der Poli­zei sol­len dem Ver­neh­men nach FDJ-Sym­bo­le sein, die im Auf­zug zu sehen waren. Wie Augen­zeu­gen berich­ten, habe die Poli­zei behaup­tet, das Sym­bol der Frei­en Deut­schen Jugend – des Jugend­ver­bands der DDR – sei ille­gal. Die Poli­zei prü­gel­te auch auf Demons­tra­ti­ons­teil­neh­mer ein, die sich mit den FDJ-Demons­tran­ten soli­da­ri­sier­ten. Nach Anga­ben einer Augen­zeu­gin ist auch eine 14jährige Jugend­li­che fest­ge­nom­men wor­den, die einen Mund­schutz mit FDJ-Sym­bol trug. Der Demons­tra­ti­ons­zug zieht inzwi­schen zur Gedenk­stät­te der Sozia­lis­ten auf dem Fried­hof Fried­richs­fel­de. (jW)«

19 Antworten auf „Querdenkerin Rosa Luxemburg“

  1. Die FDJ (BRD) ist zusam­men mit der KPD 1956 ver­bo­ten worden.
    Ihr Sym­bol (auf­ge­hen­de Son­ne) gilt als ver­fas­sungs­feind­li­ches Sym­bol. Die FDJ (DDR) die das glei­che Sym­bol (auf­ge­hen­de Son­ne) nutz­te konn­te gar nicht vom Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts 1956 berührt wer­den, da die DDR ein sou­ve­rä­ner Staat war (auch wenn die BRD das anders sah). 

    Die FDJ (DDR) exis­tiert noch heu­te. FDJ-Sym­bo­lik und Blau­hem­den kön­nen durch­aus aus "tra­di­tio­nel­len" Grün­den im Bei­tritts­ge­biet gedul­det wer­den und sogar FDJ-Demon­s­ta­tio­nen mit west­li­chen Teil­neh­mern (denn im Osten ist so gut wie nie­mand mehr in der FDJ)
    https://​www​.mdr​.de/​t​h​u​e​r​i​n​g​e​n​/​o​s​t​-​t​h​u​e​r​i​n​g​e​n​/​j​e​n​a​/​f​d​j​-​d​e​m​o​n​s​t​r​a​t​i​o​n​-​l​i​n​k​s​-​f​r​e​i​e​-​d​e​u​t​s​c​h​e​-​j​u​g​e​n​d​-​1​0​0​.​h​tml

    Aber im ehe­ma­li­gen West­ber­lin kann 30 Jah­re nach der Deut­schen Ein­heit die Rechts­la­ge noch immer ganz anders aussehen …

  2. "Demo­kra­ti­sche Ver­tre­ter" der all­hei­li­gen "Demo­kra­ti­schen Regie­rung" "ver­tre­ten" so "demo­kra­tisch" wahr­haf­te Demokraten
    mit Schwer­punkt auf dem Wort "VERTRETEN".

      1. Ich den­ke, dass sich die­se Sphä­ren weit außer­halb ihrer Mög­lich­kei­ten befin­den. Ihre Stär­ken lie­gen ganz woan­ders. Daher ist ja da, wo sie ist. Aber das sagt min­des­tens so viel über unse­re Gesell­schaft aus wie über sie als Per­son. Sie ist ein voll­kom­men aus­tausch­ba­rer Pro­to­typ einer defi­zi­tä­ren Per­sön­lich­keit, die in ihrem Wir­kungs­be­reich und nach außen HOCH funk­tio­nal ist.

  3. Ich stau­ne, dass es noch immer Men­schen gibt, die dar­auf hof­fen, dass "die Poli­zis­ten" oder gene­rell "die Poli­zei" ein­sieht, dass auch sie als Pri­vat­leu­te und ggf. ihre Fami­li­en von den Coro­na­maß­nah­men betrof­fen sind und des­halb irgend­wann "umdre­hen" und sich auf die Sei­te der Pro­tes­te stellen.

    Wenn Poli­zis­ten von der "Gegen­sei­te" völ­lig unpro­vo­zier­te Gewalt aus­üben wie in obi­gem und vie­len ande­ren Bericht geschil­dert, dann tun sie das war­um? Weil sie es können.
    Und dass sie es kön­nen zeigt uns vor allem eins: Es gibt eine Viel­zahl Poli­zis­ten, die ihr Selbst­bild von der Bedeu­tung und Wich­tig­keit ihrer Auf­ga­be ablei­ten, und die­se Poli­zis­ten sind des­we­gen nicht nur moti­viert, vol­len Ein­satz zu zei­gen, son­dern sie sind auch exis­ten­zi­ell abhän­gig davon, Auf­trä­ge und Vor­ga­ben zu erfül­len, die ihnen ihre Wich­tig­keit und Bedeu­tung bestä­ti­gen. Nur so erhält sich ihr Selbstbild.
    Von die­sen Poli­zis­ten zu erwar­ten, dass sie Ein­se­hen zei­gen und ihr Ver­hal­ten ändern wer­den, ist abso­lut illu­so­risch. Denn sie wür­den dort, wo bis­her Bedeu­tung und Wich­tig­keit ihr Selbst­bild form­ten, ein gro­ßes schwar­zes Loch ent­de­cken. Und das aus­zu­hal­ten (und zu über­win­den) gelingt den aller­we­nigs­ten Menschen.

    1. "Die Per­son ver­in­ner­licht und über­nimmt dabei ohne ihr bewuss­tes Wis­sen und oft gegen ihren bewuss­ten Wil­len Per­sön­lich­keits­ei­gen­schaf­ten, Wer­te und Ver­hal­tens­wei­sen des Aggres­sors und macht sie zu Antei­len ihres Selbst."

      https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​I​d​e​n​t​i​f​i​k​a​t​i​o​n​_​m​i​t​_​d​e​m​_​A​g​g​r​e​s​sor

      Unse­re Gesell­schaft pro­du­ziert zu vie­le Men­schen, die durch die Abspal­tung von ihrem eige­nen Gefühls­le­ben zur Gefahr für ande­re wer­den, sobald der Fir­nis der Zivi­li­sa­ti­on dünn und der "Feind" vogel­frei wird.

      Die Men­schen waren schon vor­her so. In Nicht­kri­sen­zei­ten ist es für den unge­üb­ten Beob­ach­ter nur nicht so offensichtlich.
      Noch jetzt sieht es die Mehr­heit nicht.

      Mil­gram lässt schön grüßen!

      Gegen­über Füll­mich sol­len ame­ri­ka­ni­sche Urein­woh­ner gesagt haben: Die­ses Mal sind eben alle India­ner, auch die Bleichgesichter!

  4. "Ein Hund ist, wer die gan­ze Ver­gan­gen­heit sei­ner Par­tei, wer alles, was ihr ein Men­schen­al­ter hei­lig war, auf Kom­man­do der Regie­rung abschwört, begei­fert, in den Kot tritt.«"

    Bes­ser könn­te man den Zustand der SPD nach dem ers­ten Ein­tritt in eine gro­ße Koali­ti­on mit CDU/CSU kaum beschreiben.

    1. Das begann schon frü­her. Luxem­burgs KRi­tik bezieht sich ja dar­auf. Immer noch lesens­wert: Sebas­ti­an Haff­ners "Der Verrat".

    1. Das ist eine stark ver­kürz­tes und sogar sinn­ent­stel­len­des Zitat aus einem län­ge­ren Text von Rosa Luxemburg:
      Die Rus­si­sche Revolution

      "Dank dem offe­nen und unmit­tel­ba­ren Kampf um die Regie­rungs­ge­walt häu­fen die arbei­ten­den Mas­sen in kür­zes­ter Zeit eine Men­ge poli­ti­scher Erfah­rung an und stei­gen in ihrer Ent­wick­lung schnell von Stu­fe zu Stu­fe." Hier wider­legt Trotz­ki sich selbst und sei­ne eige­nen Par­tei­freun­de. Eben weil dies zutrifft, haben sie durch Erdrü­ckung des öffen­li­chen Lebens die Quel­le der poli­ti­schen Erfah­rung und das Stei­gen der Ent­wick­lung ver­stopft. Oder aber müß­te man anneh­men, daß die Erfah­rung und Ent­wick­lung bis zur Macht­er­grei­fung der Bol­sche­wi­ki nötig war, den höchs­ten Grad erreicht hat­te und von nun an über­flüs­sig wur­de. (Rede Lenins: Ruß­land ist über­zeugt für den Sozialismus!!!)

      In Wirk­lich­keit umge­kehrt! Gera­de die rie­si­gen Auf­ga­ben, an die die Bol­sche­wi­ki mit Mut und Ent­schlos­sen­heit her­an­tra­ten, erfor­der­ten die inten­sivs­te poli­ti­sche Schu­lung der Mas­sen und Samm­lung der Erfahrung.

      Frei­heit nur für die Anhän­ger der Regie­rung, nur für Mit­glie­der einer Par­tei – mögen sie noch so zahl­reich sein – ist kei­ne Frei­heit. Frei­heit ist immer nur Frei­heit des anders Den­ken­den. Nicht wegen des Fana­tis­mus der "Gerech­tig­keit", son­dern weil all das Beleh­ren­de, Heil­sa­me und Rei­ni­gen­de der poli­ti­schen Frei­heit an die­sem Wesen hängt und sei­ne Wir­kung ver­sagt, wenn die "Frei­heit" zum Pri­vi­le­gi­um wird.

      Die Bol­sche­wi­ki wer­den selbst mit der Hand auf dem Her­zen nicht leug­nen wol­len, daß sie auf Schritt und Tritt tas­ten, ver­su­chen, expe­ri­men­tie­ren, hin- und her­pro­bie­ren muß­ten und daß ein gut Teil ihrer Maß­nah­men kei­ne Per­le dar­stellt. So muß und wird es uns allen gehen, wenn wir dar­an gehen – wenn auch nicht über­all so schwie­ri­ge Ver­hält­nis­se herr­schen mögen.
      http://​www​.mlwer​ke​.de/​l​u​/​l​u​3​_​1​0​6​.​htm

      In dem Text der noch viel län­ger ist kri­ti­siert Rosa Luxem­burg Lenin und die Bol­sche­wi­ki dafür das sie den rus­si­schen bür­ger­li­chen Staat nach der Revo­lu­ti­on von 1917 nicht ein­fach über­nom­men haben und statt­des­sen einen neu­en Räte-Staat (rus­sisch Sowjet) auf­ge­macht haben. Luxem­burg ist der Mei­nung das das Volk noch nicht soweit ist und erst dahin gebracht wer­den muß. Das gilt ins­be­son­de­re für den meist­zi­tier­ten Luxem­burg-Satz. Es geht ihr nicht dar­um das poli­tisch ande­re wie Libe­ra­le, Kon­ser­va­ti­ve oder auch ande­re Lebens­ent­wür­fe die glei­chen Frei­hei­ten erhal­ten soll­ten. Ihr geht es dar­um das die dama­li­ge begin­nen­de Spal­tung der Lin­ken zwi­schen Leni­nis­ten (Bol­sche­wi­ki) und Leni­nis­ten (Trotz­kis­ten, nach Leo Trotz­ki) zu ver­mei­den. Lei­der ist das nicht erfolgt Leo Trotz­ki wur­de obwohl Außen­mi­nis­ter und ers­ter Chef der Roten Armee aus der UdSSR aus­ge­bür­gert – spä­ter ermor­det. Sei­ne Anhän­ger wur­den Opfer sta­li­nis­ti­scher Repressionen.

      1. Dan­ke. Mir ist das natür­lich bekannt, aber als Halb­ge­bil­de­ter hät­te ich es auf die Schnel­le nicht gefunden. 

        "Luxem­burg ist der Mei­nung das das Volk noch nicht soweit ist und erst dahin gebracht wer­den muß."

        Muss man noch mehr sagen?

        1. @fabianus I: Man könn­te viel sagen zu die­ser Inter­pre­ta­ti­on von "Hier". Führt hier zu weit. Der zitier­te Text von Luxem­burg ist lesens­wert, die Ver­kür­zung könn­te sich damit schnell relativieren.

  5. Sehr guter Kom­men­tar, Herr Asch­mon­eit! Dem ist nichts hin­zu­zu­fü­gen! Das trifft den Nagel auf den Kopf; denn was sonst was war seit einem Jahr von der Lin­ken zu hören?
    Man fühl­te sich ver­kauft und ver­ra­ten von einer dem Anti­ka­pi­ta­lis­mus, der Frei­heit und dem Frie­den ver­pflich­te­ten Linken!

  6. Die Unbe­stech­lich­keit einer Rosa Luxem­burg, ihr kla­rer Intel­lekt, ihre huma­nis­ti­sche Gesin­nung und ihre Emp­find­sam­keit fuer die lei­den­de Krea­tur, all das ist ein Ver­mächt­nis, wel­ches die­se gross­ar­ti­ge Frau uns allen hin­ter­las­sen hat.
    Die Erin­ne­rung dar­an ist fuer eine auto­ri­tae­re Staats­ge­walt gefährlich.

  7. Tut sich doch lang­sam mehr in der lin­ken Szene? 

    Von http://​freie​-lin​ke​.de/ gibt es einen
    "Auf­ruf an alle Men­schen, die sich noch an Frei­heit und Men­schen­rech­te als lin­ke Idea­le erin­nern" vom 1. Janu­ar 2021.

    Lesens­wert, mei­nes Erach­tens sicher­lich kri­tik­wür­dig hinsichtlich
    zu lascher Posi­tio­nie­rung zum The­ma Imp­fung und Masken.
    Bit­te wei­ter ver­brei­ten als eine Grund­la­ge zur Dis­kus­si­on und
    Ver­net­zung, denn "allein machen sie dich ein, schmei­ßen sie dich raus, lachen sie dich aus,…"!
    (Asso­zia­tiv kom­men mir gera­de wei­te­re Song­text­frag­men­te von den Scher­ben in den Sinn wie "Wir müs­sen hier raus, das ist die Höl­le, wir leben im Zucht­haus,…", aber auch "Der Kampf geht weiter",…)

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