»„Da muss vorher etwas zerbrochen sein“: Die interne WDR-Debatte über Corona-Berichte« nennt sich ein Bericht auf uebermedien.de. Es ist zu lesen:
»Mitte September war Jörg Schönenborn ratlos, „trotz Nachdenkens“. So teilte es der WDR-Fernsehdirektor seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der „Programmpost“ mit, einem internen Rundschreiben, das immer freitags versendet wird. Ratlos machten Schönenborn nach eigenen Angaben zwei Begegnungen mit Menschen, die kritisierten, wie der Sender über die Corona-Pandemie berichtet. Was Schönenborn nicht nachvollziehen konnte.
Die erste Begegnung schildert er so: Ein Freund, den er „seit Jahrzehnten“ kenne, habe ihm geschrieben, nachdem er auf einer Corona-Demonstration in Berlin gewesen sei – nicht um dort zu demonstrieren, sondern „nur, um sich ein persönliches Bild zu machen“. Als er sich Berichte über diese Demo in den „Leitmedien“ angesehen habe, sei der Freund „fassungslos“ gewesen, auch wegen der „Tagesschau“. Wörtlich habe er geschrieben:
„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass die Öffentlich-Rechtlichen diese Art der Berichterstattung machen.“
Was genau den Freund so fassungslos machte, bleibt unklar. Schönenborn betont, sein Freund sei „Familienvater, beruflich erfolgreich“ und ihm „nie durch extreme Positionen aufgefallen“; in den vergangenen Jahren habe er ihm viele Komplimente für die Arbeit des WDR gemacht. Überhaupt seien dieser Mann und der Folgende keine „Corona-Leugner“. Sie hielten lediglich die „Maßnahmen und Einschränkungen für unangemessen und übertrieben“.
„Professor Bhakdi kann gut erklären“
Eine Woche später meldete sich der nächste Bekannte bei Schönenborn: „der Chef einer Firma, mit der wir häufig zusammenarbeiten“ und den er schätze; er habe ihm, Schönenborn, „manchen guten Rat“ gegeben. Auch er wollte nun „dringend“ mit dem WDR-Fernsehdirektor reden. Auch er habe „in meinem Büro“ erklärt, dass der WDR „gute Arbeit“ mache – doch dann kam das Aber.
Es gebe „renommierte Wissenschaftler, die in den Medien totgeschwiegen würden“. Der Professor Bhakdi zum Beispiel, habe der Firmenchef gesagt, „könne gut erklären, was an den Zahlen des RKI fragwürdig“ sei. Die Berichte des WDR würden die Angst der Menschen stattdessen nur verstärken.
„Ich hatte viel dagegen“, schreibt Schönenborn. Er habe dem Mann einen Podcast mit Doc Esser „geschickt“, der sich „sachlich“ mit Bhakdis Thesen auseinandersetze. Doch auch das habe den Firmenchef nicht überzeugt: „Es reiche nicht, die Thesen zu prüfen. Man müsse Bhakdi selbst ein Forum geben.“…
Deshalb fragt der Fernsehdirektor sich und die Mitarbeiter Mitte September in seinem Schreiben: „Welche Perspektiven fehlen bei uns, welche vermitteln wir nicht glaubwürdig?“ …
Schönenborns Brief endet einer Bitte und einem Appell. Er wünscht, dass die Mitarbeiter*innen ihm von ähnlichen Begegnungen berichten und findet, der WDR sollte „solche Signale“ ernst nehmen und „nach den Ursachen suchen“: „Es geht schließlich um unser Band in die gesellschaftliche Mitte.“
Das kam offenbar an. Zwei Wochen später schreibt Schönenborn an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sein Corona-Rundschreiben habe „so viele Reaktionen ausgelöst, wie ich es hier in der Programmpost noch nicht erlebt habe“. Er dankt für die „vielen klugen“ und „reflektierenden“ Antworten…
„Viele Journalisten waren Teil des breiten Stroms“
Diese Befürchtung äußert Schönenborn auch schon in seiner Programmpost im September. Damals war gerade eine Online-Petition publik geworden, die sich an die ARD richtet. Der Text der Petition, so Schönenborn, klinge „offen und einnehmend, die Form ist ausgesprochen freundlich und konziliant – und deshalb gut geeignet, Interessierte und Unentschiedene für die Argumente zu gewinnen“. Daher sei die Frage, „mit welcher Haltung und Geste wir reagieren, von großer Bedeutung“.
Die Unterzeichner*innen der Petition forderten, „innerhalb von 2 Wochen eine Corona-Sondersendung im ARD (20.15) auszustrahlen, in denen u.a. folgende Experten zu Wort kommen: Dr. Sucharit Bhakdi, Dr. Wolfgang Wodarg, Prof. Homburg, Dr. Drosten, Dr. Wieler, Dr. Karl Lauterbach“. So steht es auf der Seite der Petition, die mehr als 63.000 Menschen unterstützen. Passiert ist seither allerdings nichts. Keine Corona-Sendung, keine Geste, kein Dialog.
Dabei sah Schönenborn in der Debatte um Corona und die Berichterstattung damals einen „neuen Schub“: „Nehmen wir die Petition zum Anlass, die Fragen noch einmal neu anzugehen?“, schreibt Schönenborn in der Programmpost. Diese Diskussion laufe „in den Programmbereichen ja längst“. Redaktionen würden intensiv beraten, wie und auf welchen Kanälen sie sich mit „den Thesen der sogenannten ‚kritischen Virologen‘ auseinandersetzen können“.
Dass aus einer „Anregung“ eine „Forderung“ mit so vielen Unterzeichner*innen geworden sei, schien damals Eindruck auf Schönenborn zu machen. Inhaltlich könne man nicht ausweichen, denn hier würden „geschickt Zweifel gestreut – an der Seriosität von Wissenschaftlern, an den Entscheidungen der Landesregierungen, an der Glaubwürdigkeit unserer Berichterstattung“. Der WDR müsse professionell entscheiden, wie man damit umgehe…
Außerdem verspüre er ein „Unbehagen bei dem Gedanken, dass die breite Berichterstattung Fragen zu Grundrechten erst dann gestellt hat, als ein paar Gerichte bereits darüber entschieden hatten. Es wäre aber die Aufgabe von Journalisten gewesen, die Positionen dazu früher und deutlicher abzubilden. In der ersten Zeit der Pandemie habe es es „eine gesellschaftliche Schockstarre“ gegeben, sagt Schönenborn. Wie die Bevölkerung hätten damals auch viele Medien unreflektiert angenommen, was von der Politik entschieden wurde. „Auch viele Journalisten waren in dieser Phase Teil des breiten Stroms.“
Videokonferenz mit Corona-Skeptikern
Kommenden Donnerstag soll es nun eine Videokonferenz über die Petition geben, an der fünf Personen der ARD teilnehmen sollen, unter anderem WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni und Tom Schneider aus dem Hauptstadtstudio. Auf der anderen Seite treten unter anderem an: der Petent Bastian Barucker, nach eigenen Angaben „ausgebildeter Überlebenstrainer, Wildnispädagoge und Wilderness Guide“, der Rechtswissenschaftler Martin Schwab, der Medienwissenschaftler Michael Meyen und der Autor Paul Schreyer – allesamt keine Unbekannten, wenn es um Kritik am Umgang mit Corona geht.
Auf Nachfrage von Übermedien will sich Schönenborn derzeit nicht zu der Petition äußern, zumal das Sache der gesamten ARD ist, nicht nur des WDR. Er sei „stolz darauf, dass wir eine Gesellschaft sind, die immer wieder einen Konsens findet. Die Voraussetzung dafür ist, dass vorher breit gestritten wird“. Nur, wenn alle Positionen in die Diskussion eingebracht würden, könne man einen Konsens finden. „Dabei rede ich aber nicht über extreme Positionen.“
„Talkshows nicht der beste Ort für wissenschaftliche Diskussionen“
Dass die ARD der Forderung der Petition nachkommen wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Schönenborn jedenfalls legte sich Ende September, bevor die Petition zugestellt wurde, in seiner Programmpost schon mal fest. „Um es vorweg zu nehmen“, schreibt er:
„Ich glaube nicht, dass eine Talkshow der beste Ort für wissenschaftliche Diskussionen ist. Und schon gar nicht für eine Auseinandersetzung darüber, was Fakt ist und was gefühlte Wahrheit. Der Vorschlag würde aus meiner Sicht kaum zur Aufklärung und Erkenntnis führen. Ganz abgesehen davon, dass die Beteiligten wohl gar nicht mitspielen würden.“«
Es ist ja leider schon seit vielen Jahren zu beobachten, dass unsere Leitmedien zum rechten Arm der Regierung verkommen sind. Alles was nicht damit konform geht wird gnadenlos niedergemacht, in die ( mittlerweile rechte) Ecke gestellt und am liebsten mundtot gemacht. Unabhängiger Journalismus ist zur Mangelware geworden. Kritische Betrachtung von mehreren Seiten nicht mehr erwünscht. Eventuell sind die ganzen sozialen Netzwerke, die zum Teil eher asozial sind, auch dafür verantwortlich. Denn das Treffen von Menschen, einem auf Augenhöhe begegnen, sprechen von Angesicht zu Angesicht, ist die Grundlage für ein soziales Miteinander.
Die Anstalten öffentlichen (Un)Rechts erfüllen schon lange nicht mehr ihren eigentlichen Auftrag, ausgewogen, sachlich und wahrheitsgemäß und aktuell zu berichten.
In würdeloser Weise wird regierungsnah Propaganda über die Sender verbreitet, dass einem speiübel werden kann. Die Berichterstattung verleiht sich Glanz durch Verdrehung, Auslassung, Framing und Lüge.
Jeder muss das für sich selbst entscheiden, ob er mit seinem Zwangsbeitrag diesen überkommenen Apparat weiterfüttern will.
Aus Gewissengründen verweigere ich mich diesem unsittlichen Zwang seit inzwischen 5 Jahren.
@Willi S: Wie kann man dem Zwangsbeitrag denn entgehen? Bin sehr interessiert. Bis auf einige Dokus auf arte oder 3sat kann ein erwachsener Mensch dieses unsägliche Programm wirklich nicht ertragen.
Vielleicht sollten dem Herrn Schönenborn alle Mitleser dieser Seite mal eine Nachricht schreiben. Ich habe das gerade schon gemacht.
Der Herr Schönenborn könnte sich ja mal ein Beispiel nehmen am Format des Corona-Quartett auf ServusTV. Was in Ösiland möglich ist sollte doch auch hierzulande machbar sein.
Genau, daran habe ich auch gerade gedacht! Diese Sendung schaue ich seit Beginn jeden Sonntag Abend mit großem Interesse! Auch der "Wegscheider's Wochenrückblick", der immer davor geschaltet wird, ist pure Satire, einfach herrlich!
Geht mir genauso, erst den Wegscheider und dann das Quartett.
Donnerstag gegen Mitternacht gibt es noch Talk im Hangar 7, herrliche Diskussionen zum Thema, mit dem gleichen Moderator wie im Quartett, den ich sehr schätze, und natürlich auch mit anderen Gesichtern.