Streiks bei Corona-Gewinner Amazon

Auch mit sei­ner Einschätzung, es sei bloß Spekulation, daß die "Corona-Maßnahmen" dem Versandriesen Amazon nutz­ten, macht Karl Lauterbach deut­lich, wie sehr er in sei­ner Blase ver­fan­gen ist. Die Beschäftigten des Unternehmens nut­zen den "Black Friday" hin­ge­gen, um ihre Forderungen nach einem Tarifvertrag deut­lich zu machen.

"Es war Punkt null Uhr, Mitternacht. »Unsere Amazon-Kollegen haben alles ste­hen- und lie­gen­las­sen«, schil­der­te Thomas Schneider, Verdi-Streikleiter für das Versandzentrum in Leipzig, die Auftaktszene am Donnerstag gegen­über jW. Die Botschaft: »Tschüs, wir strei­ken!« Es sei ein kol­lek­ti­ver Aufzug durch die Betriebshallen gewe­sen, so Schneider.

Nicht nur in Leipzig. Mit Beginn der Nachtschicht von Mittwoch auf Donnerstag rief Verdi die Belegschaften an sie­ben Amazon-Standorten zu einem drei­tä­gi­gen Streik auf. Neben der Sachsenmetropole noch in Bad Hersfeld (zwei Standorte), Rheinberg bei Duisburg, Werne bei Dortmund, Graben bei Augsburg und in Koblenz. Das Ziel: Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels durch den Onlineriesen sowie der Abschluss eines Tarifvertrags für gute und gesun­de Arbeit. Die bun­des­wei­te Koordinierung des Ausstands kommt nicht von unge­fähr. »Unsere Vertrauensleute in den Versandzentren haben in den zurück­lie­gen­den Monaten viel Streikerfahrung gesam­melt«, sag­te Tim Schmidt, Verdi-Streikleiter in Werne, am Donnerstag im jW-Gespräch.

Coronabedingt ver­zich­ten die Gewerkschafter auf grö­ße­re Kundgebungen vor den Arbeitsstellen. Die Streikenden gehen statt des­sen demon­stra­tiv nach Hause, wer­den über sozia­le Medien fort­lau­fend über den Streikfortgang infor­miert, erzähl­te Schneider. »Es ist eine Art Küchentischstreik«. Der Organisationsgrad in Leipzig lie­ge etwa bei einem Drittel der Beschäftigten. »40 bis 50 Prozent einer Schicht wer­den strei­ken«, ver­si­cher­te Schneider. In Leipzig sind knapp 1.500 Arbeiter tätig.

Fest steht, die Geduld der Beschäftigten ist am Ende – denn: »Den Kollegen wird seit acht Jahren die gefor­der­te tarif­ver­trag­li­che und exi­stenz­si­chern­de Entlohnung vor­ent­hal­ten«, wird Orhan Akman, der bei Verdi für den Einzel- und Versandhandel zustän­dig ist, in einer Mitteilung am Donnerstag zitiert. Gleichzeitig strei­che der mega­rei­che Konzernboss Jeffrey Bezos wäh­rend der Coronakrise Extragewinne ein, abermilliarden…

Die Streiks tref­fen Amazon direkt in der Rabattschlacht »Black Friday«. Zu etwa­igen Engpässen bei der Bestellbearbeitung und Verzögerungen bei Paketzustellungen woll­te sich der Sprecher gegen­über jW nicht äußern. Offenbar mit Grund. Die Streikleiter wis­sen hin­ge­gen, dass der Betriebsablauf an den bestreik­ten Standorten gestört ist. »In Werne wur­de das Auftragsvolumen her­un­ter­ge­schraubt, um das Pensum über­haupt erfül­len zu kön­nen«, sag­te Schmidt. Es sei eine Mär, wenn Amazon behaup­te, jedes wit­te­rungs­be­ding­te Glatteis koste mehr als ein Streik. »Wenn Beschäftigte aus der Personalabteilung eilig ins Lager zum Verpacken beor­dert wer­den, ist das ein kla­res Indiz, dass unse­re Arbeitskämpfe wir­ken«, so Schmidt.

In Rage brin­gen die Linke-Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann auch die jüngst bekannt­ge­wor­de­nen Ausspähmethoden bei Amazon (sie­he jW vom 26. November). »Die dicke Kohle ein­strei­chen und gleich­zei­tig die eige­nen Leute bespit­zeln. Das ist so was von schä­big«. Amazon müs­se dafür zur Rechenschaft gezo­gen wer­den, for­der­te die Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit am Donnerstag gegen­über jW.

Ferner soli­da­ri­siert sich der DGB mit den Streikenden. Dessen Vorsitzender Reiner Hoffmann erklär­te zum Streikauftakt: »Ihr habt schon einen enorm lan­gen Atem im Kampf um einen Tarifvertrag bewie­sen«. Apropos Kondition. Drei Tage Nonstopausstand. Reichen Kraft und Lust? Leipzigs Streikleiter Schneider lässt kei­nen Zweifel auf­kom­men: »Die Streikfront steht, da wird nichts bröckeln.«"

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