Wenn das einzige Krankenhaus während Corona dichtmacht

Der Arti­kel im "Tages­spie­gel" stammt zwar vom 5.12. Er ist aber nicht der letz­te zu Kran­ken­haus­schlie­ßun­gen (Ber­tels­mann-Stif­tung und Lau­ter­bach sei Dank).

»Im Havel­ber­ger Kli­ni­kum gab es sogar eine brand­neue Inten­siv­sta­ti­on. Doch dann leg­te der pri­va­te Betrei­ber in Sach­sen-Anhalt den Betrieb lahm. Eine Spurensuche…

San­dra Braun kämpft für das Kran­ken­haus in Havel­berg, einer Stadt mit sechs­ein­halb­tau­send Ein­woh­nern, unge­fähr zwei Stun­den von Ber­lin in Sach­sen-Anhalt. Braun hat in der Kli­nik 38 Jah­re lang Men­schen gesund gepflegt. Zur ers­ten Demons­tra­ti­on Anfang des Jah­res ver­sam­mel­ten sich 600 Leu­te. Jetzt sind es viel weni­ger, die Hoff­nung schwindet.

„Der Land­kreis hat uns geop­fert“, sagt Braun. Der müss­te die Lie­gen­schaft zunächst kau­fen, damit das Land finan­zi­ell för­dern kann. Die Ver­hand­lun­gen sind jedoch kom­pli­ziert, fast aus­sichts­los. Der Betrei­ber KMG mach­te das Kran­ken­haus dicht, mit­ten in einer glo­ba­len Pan­de­mie. Der Grund: Es rech­ne­te sich nicht. Auf eine Tages­spie­gel-Anfra­ge reagiert das Unter­neh­men nicht…

Von 1991 bis 2018 fiel in Deutsch­land eins von vier Kran­ken­haus­bet­ten weg, hat das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt ermit­telt. Nach der Wen­de gab es noch 666.000 Plät­ze, im Jahr 2018 waren es nur noch 498.000. Etwa eine von fünf Kli­ni­ken schloss. Aber: Die Zahl der Inten­siv­bet­ten wur­de um mehr als ein Drit­tel erhöht. Trotz­dem fürch­ten vie­le Men­schen, dass sie kei­ne schnel­le Hil­fe mehr bekommen…

Es war eines der kleins­ten Kran­ken­häu­ser Deutsch­lands, nur 37 Bet­ten gab es noch. Seit dem 1. Sep­tem­ber kann nie­mand mehr behan­delt wer­den. Im Inne­ren sind die Türen ver­schlos­sen, die Pinn­wand leer, der Sta­tio­nen­plan hängt noch, obwohl es kei­ne Sta­tio­nen mehr gibt.

Kran­ken­schwes­ter San­dra Braun hat nach der Demo Zeit für einen Rund­gang um die Kli­nik. Stun­den­lang könn­te sie erzäh­len. Sie fing 1982 an, im Havel­ber­ger Kran­ken­haus zu arbei­ten, mit 17. Es war ein ande­rer Staat, eine ande­res System.

Unge­fähr 170 Bet­ten hat­te das Haus, vier­mal mehr als zuletzt. „Damals fan­den wir dar­in eine Beru­fung, den Men­schen zu hel­fen, es war noch Zeit für die Pati­en­ten“, sagt sie. Ärz­tin­nen und Pfle­ge­kräf­te saßen in der Mit­tags­pau­se zusam­men, rede­ten vom West­fern­se­hen: Dal­las, Den­ver Clan. „Da war Ver­trau­en. Wir waren ein Kol­lek­tiv, eine ech­te Gemeinschaft.“

Noch 2016 wurde eine neue Intensivstation gebaut

Für ande­res war Geld da: Noch 2016 wur­de in Havel­berg eine neue Inten­siv­sta­ti­on gebaut, mit Beatmungs­plät­zen, wie sie für Coro­na­pa­ti­en­ten gebraucht wer­den. Aber die Sta­ti­on wur­de nie genutzt, stand leer, berich­tet Braun: „Unglaub­lich!“ Jetzt wird dar­aus ein Spei­se­saal. Die Betrei­ber wol­len im ehe­ma­li­gen Kran­ken­haus ein Pfle­ge­heim ein­rich­ten. Obwohl es davon schon meh­re­re in der Gemein­de gibt. Inten­siv­bet­ten: Fehlanzeige.

Als im Früh­jahr Bil­der von über­füll­ten Kran­ken­häu­sern in Ita­li­en um die Welt gin­gen, war schnell klar: Das Gesund­heits­we­sen darf nicht an sei­ne Gren­zen gera­ten. Des­halb wur­den hier­zu­lan­de meh­re­re Schlie­ßungs­plä­ne gestoppt.

Das katho­li­sche Kran­ken­haus im saar­län­di­schen Lebach soll­te Ende Juli kei­ne Pati­en­ten mehr auf­neh­men, die Lan­des­re­gie­rung jedoch for­der­te den Auf­bau einer Coro­na-Sta­ti­on mit 42 Bet­ten. Auch in Zwei­brü­cken in Rhein­land-Pfalz wur­de in der Pan­de­mie eine Kli­nik wiedereröffnet.

Havel­berg ist Han­se­stadt, der alte Dom steht wie eine Burg über der Stadt, vom Vor­platz öff­net sich ein wei­ter Blick. Das Pan­ora­ma zieht vie­le Tou­ris­ten an, auch mit Boo­ten kön­nen sie in einem klei­nen Fluss­ha­fen anle­gen. Aber um ein Kran­ken­haus auf­zu­su­chen, müs­sen die Havel­ber­ger jetzt min­des­tens eine hal­be Stun­de fah­ren, vie­le deut­lich län­ger. „Bis sie ankom­men, sind sie schon tot“, sagt ein Mann bei der Demo.

Die Gegend um Havelberg ist dünn besiedelt

Das nächs­te Kli­ni­kum liegt in Kyritz, hin­ter der bran­den­bur­gi­schen Gren­ze. Ohne Auto muss man zwei bis drei­mal umstei­gen, ist mehr als eine Stun­de unter­wegs. Auch das Kyrit­zer Kran­ken­haus gehört zur KMG-Grup­pe. Die bie­tet jetzt ein kos­ten­lo­ses Shut­tle dort­hin an – es fährt aber nur zwei­mal am Tag.

Braucht Deutsch­land zen­tra­le Groß­kli­ni­ken oder loka­le Kran­ken­häu­ser? Coro­na stellt die­se Fra­ge neu. 2019 sprach sich eine Stu­die der Ber­tels­mann-Stif­tung dafür aus, von den 1400 bestehen­den deut­schen Kran­ken­häu­sern mehr als die Hälf­te zu schlie­ßen, 200 Bet­ten sei­en für eine Kli­nik das „abso­lu­te Minimum“.

Das lan­ge ver­folg­te Ziel der Zen­tra­li­sie­rung hat auch zu etwas geführt, das San­dra Braun als „Wahn­sinn“ bezeich­net. „Die wer­den dop­pelt und drei­fach belohnt, dass sie uns platt­ge­macht haben.“ Es gibt in Deutsch­land ein staat­li­ches För­der­pro­gramm für die Schlie­ßung von Kran­ken­häu­sern. Das Geld kommt zur einen Hälf­te von den Kran­ken­kas­sen, zur ande­ren von den Bundesländern.

Über sechs Mil­lio­nen Euro soll KMG im Fall Havel­berg bekom­men, sagt der lin­ke Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Wulf Gal­lert. San­dra Braun und die ande­ren Demons­tran­ten sin­gen vor dem Dom: „Ist Geld der Grund, war­um ihr wirk­lich geht? Wo uns im Not­fall doch Hil­fe zusteht.“

400 Millionen Umsatz macht der Betreiber

Dass ein Kli­ni­kum aus­ge­rech­net in der Pan­de­mie schließt, kann sie nicht ver­ste­hen. Die Havel­ber­ger Beleg­schaft woll­te ihren Bei­trag leis­ten, um Coro­na ein­zu­däm­men. „Wir haben ange­bo­ten, dass wir eine Dri­ve-in-Test­stel­le ein­rich­ten“, sagt sie. „Aber KMG hat das nicht gewollt, wir soll­ten ja nicht ange­nehm auf­fal­len und die Schlie­ßung damit gefähr­den.“ Wäh­rend­des­sen habe das Kran­ken­haus 560 Euro Tages­pau­scha­le für jedes Bett bekom­men, das für Coro­na­pa­ti­en­ten frei­ge­hal­ten wur­de. Auch zu die­sem Vor­wurf: Kei­ne Stel­lung­nah­me von KMG.

Das Havel­ber­ger Kran­ken­haus gehör­te frü­her dem Kreis. 2002 kauf­te es KMG. Das Bad Wils­na­cker Unter­neh­men mit Depen­dance an der Fried­rich­stra­ße in Ber­lin betreibt ein Dut­zend Kli­ni­ken in Ost­deutsch­land. Es wur­de nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung gegrün­det, 2019 mach­te KMG 400 Mil­lio­nen Euro Umsatz.

In die­sel­be Zeit wie die Pri­va­ti­sie­rung der Kli­nik in Havel­berg fällt eine fol­gen­schwe­re Umstel­lung der deut­schen Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung: Seit 2003 gibt es für bestimm­te Dia­gno­sen fes­te Beträ­ge, soge­nann­te Fall­pau­scha­len. Des­halb lohnt es sich, mög­lichst vie­le Pati­en­ten zu behan­deln. Kri­ti­ker hal­ten das Sys­tem für gefähr­lich. „Wir ver­glei­chen es immer mit der Feu­er­wehr: als wür­de man die nach der Zahl und der Schwe­re der Brän­de finan­zie­ren und nicht dafür, ein­fach da zu sein“, sagt der Havel­ber­ger Abge­ord­ne­te Wulf Gal­lert am Telefon.

In der Coro­na-Pan­de­mie zählt eigent­lich jedes Kran­ken­bett, macht viel­leicht sogar den ent­schei­den­den Unter­schied. Pau­lus Kirch­hof von der Uni­ver­si­tät Bir­ming­ham argu­men­tiert etwa, in Deutsch­land sei­en auch des­halb pro­por­tio­nal deut­lich weni­ger Men­schen als in Groß­bri­tan­ni­en gestor­ben, weil das dezen­tra­le deut­sche Gesund­heits­sys­tem bes­ser auf eine Pan­de­mie vor­be­rei­tet war als der bri­ti­sche Natio­nal Health Ser­vice. Über­ka­pa­zi­tä­ten sei­en nötig, schreibt der Medi­zi­ner, um für Kata­stro­phen gerüs­tet zu sein.

Heu­te geht San­dra Braun davon aus, dass die KMG-Grup­pe schon lan­ge auf eine Schlie­ßung hin­ar­bei­te­te. „Rich­tig ver­arscht wur­den wir, all die Zeit, da war ein Plan“, sagt sie.

Aktivistinnen wenden sich an Sozialministerin

Lin­ken-Poli­ti­ker Gal­lert glaubt, dass KMG genau­so wie ande­re Kli­nik­be­trei­ber um das Mono­pol in der Regi­on kämp­fen. „Sie möch­te die kom­pli­zier­ten, teu­ren Fäl­le alle mit einem gerin­gen Ange­bot für sich behal­ten. Die haben den Stand­ort bewusst aus­ge­trock­net, um Kyritz zu stär­ken“, sagt Gal­lert. Wenn ein ande­rer das Kran­ken­haus über­neh­me, sei das nicht im Inter­es­se der KMG. Die Johan­ni­ter hat­ten sich ins Spiel gebracht, hof­fen wohl auf Pati­en­ten für ihr Haupt­haus in Stend­al. Der KMG-Kon­kur­rent folgt der­sel­ben Logik, schloss 2017 das Kran­ken­haus in Gen­thin. „Alle ver­hal­ten sich sys­tem­kon­form“, sagt Gallert…

Um den Plan, dass der Kreis Stend­al das Kran­ken­haus kauft, steht es schlecht. Die For­de­run­gen der KMG waren sehr hoch. Und das Unter­neh­men woll­te Vor­ga­ben machen, was in Havel­berg ange­bo­ten wer­den darf. „Zwi­schen den Vor­stel­lun­gen von KMG und dem, was der Land­kreis als Kauf­sum­me und als Kauf­be­din­gun­gen leis­ten kann, lie­gen nach jet­zi­gem Stand Wel­ten“, teilt Land­rat Patrick Puhl­mann (SPD) mit.

CDU hält Investitionen in Krankenhäuser für „unbezahlbar“

Dass ein pri­va­tes Haus an die Kom­mu­nen zurück­geht, kann auch klap­pen. In Cri­vitz, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, unter­stützt das Land den Kauf mit sechs Mil­lio­nen Euro. Auch im bran­den­bur­gi­schen Per­le­berg gibt es noch ein kom­mu­na­les Kran­ken­haus. Es ist beliebt: San­dra Brauns Enkel kam dort zur Welt…«

2 Antworten auf „Wenn das einzige Krankenhaus während Corona dichtmacht“

  1. Ist das nicht der bes­te Beweis, daß wir KEINE Pan­de­mie haben? Ich mei­ne, wer wür­de den so blöd sein, in einer Pan­de­mie ein KKH zu schließen.

  2. 6.2.21, "HONDURANISCHE ÄRZTE PRANGERN AN, DASS SIE WEGEN DES SCHLECHTEN MANAGEMENTS DER PANDEMIE STERBEN …
    "Stoppt den Völ­ker­mord am Gesund­heits­per­so­nal", hieß es auf einem der Trans­pa­ren­te von rund 300 Mit­glie­dern der hon­du­ra­ni­schen Ärz­te­ver­ei­ni­gung (CMH), die sich vor dem mobi­len Kran­ken­haus ver­sam­mel­ten, das die Regie­rung im Osten der Stadt instal­liert hat, um Pati­en­ten mit Covid-19 zu behandeln.
    Die Ärz­te beschwe­ren sich, dass die Regie­rung ihnen min­der­wer­ti­ges und unzu­rei­chen­des Mate­ri­al zur Ver­fü­gung gestellt hat, um die Pati­en­ten ver­sor­gen zu kön­nen, weil das für die Anschaf­fun­gen bestimm­te Geld auf pri­va­te Kon­ten umge­lei­tet wurde.
    "Die Kor­rup­ti­on hat Namen und sie müs­sen für die­ses Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit bezah­len", sag­te CMH-Prä­si­den­tin Suya­pa Figue­roa gegen­über Repor­tern. "Die­se Plün­de­rung bedeu­tet den Tod vie­ler Kol­le­gen", beton­te sie.
    Der Vize­prä­si­dent des CMH, Samu­el San­tos, pran­ger­te in Erklä­run­gen gegen­über dem loka­len Radio­sen­der Radio cade­na Voces an, dass Hon­du­ras bei den ers­ten Lie­fe­run­gen von Impf­stof­fen gegen Covid-19 außen vor gelas­sen wur­de, weil die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) den Län­dern mit der höchs­ten Sterb­lich­keits­ra­te den Vor­rang gab.
    Er sag­te, dass Hon­du­ras mehr als 20.000 Todes­fäl­le durch die Pan­de­mie zu ver­zeich­nen hat, aber die Regie­rung berich­tet über 3.700, um den Ein­druck zu erwe­cken, dass sie die Gesund­heits­kri­se gut bewältigt.
    Figue­roa sag­te AFP, dass 79 Ärz­te auf­grund der schlech­ten Bio­si­cher­heits­be­din­gun­gen gestor­ben sind.
    Die Ärz­te pro­tes­tier­ten vor einem der sie­ben mobi­len Kran­ken­häu­ser, die zu einem über­teu­er­ten Preis von einer Fir­ma in der Tür­kei gekauft wurden.
    Nur das Kran­ken­haus in Tegu­ci­gal­pa, das von den Ärz­ten als "Todes­fal­le" bezeich­net wird, weil in den Con­tai­nern, die als Pati­en­ten­zim­mer die­nen, kei­ne Bedin­gun­gen herr­schen, die eine leich­te Über­tra­gung des neu­en Coro­na­vi­rus ver­hin­dern, ist in Betrieb.
    Nach einem leich­ten Rück­gang im Novem­ber und Dezem­ber erlebt Hon­du­ras eine neue Wel­le von Fäl­len, die die Kran­ken­häu­ser erneut an den Rand des Zusam­men­bruchs bringt, wie medi­zi­ni­sche Quel­len berichten.
    Die hon­du­ra­ni­sche Regie­rung hat die ers­ten 800.000 Dosen Impf­stoff über den Covax-Mecha­nis­mus der WHO für die zwei­te Febru­ar­hälf­te zugesagt."
    https://​www​.24​-horas​.mx/​2​0​2​1​/​0​2​/​0​6​/​m​e​d​i​c​o​s​-​h​o​n​d​u​r​e​n​o​s​-​d​e​n​u​n​c​i​a​n​-​q​u​e​-​e​s​t​a​n​-​m​u​r​i​e​n​d​o​-​p​o​r​-​m​a​l​-​m​a​n​e​j​o​-​d​e​-​l​a​-​p​a​n​d​e​m​ia/

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