Empörend: Corona-Verstöße: Landkreis München erlässt kein Bußgeld

Nicht wört­lich, aber inhalt­lich steht das ers­te Wort im Titel eines Berichts auf br​.de vom 17.1. Wir lesen:

»Die Poli­zei kon­trol­liert die Coro­na-Regeln, die Ord­nungs­be­hör­den in den Kom­mu­nen kas­sie­ren mög­li­che Stra­fen, so zumin­dest die Theo­rie. Doch im Land­kreis Mün­chen sta­peln sich die Ver­fah­ren. Dafür inter­es­siert sich nun der baye­ri­sche Innenminister.

Seit Mona­ten hat das Land­rats­amt Mün­chen – zustän­dig für den bevöl­ke­rungs­stärks­ten Land­kreis in Bay­ern – kei­ne Buß­geld­be­schei­de gegen Coro­na-Sün­der erlas­sen. Dies kam jetzt durch Recher­chen der BR-Rund­schau ans Tageslicht.

In den Büros des Land­rats­am­tes sta­peln sich inzwi­schen hun­der­te von unbe­ar­bei­te­ten Anzei­gen, die von der Poli­zei zur Ahn­dung an die Behör­de wei­ter­ge­lei­tet wor­den waren. Zum Jah­res­wech­sel bohr­te das Poli­zei­prä­si­di­um nach, was eigent­lich aus den seit März erstat­te­ten Anzei­gen gewor­den ist. Inzwi­schen inter­es­siert sich auch Bay­erns Innen­mi­nis­ter Joa­chim Herr­mann (CSU) für den Skan­dal. Er will wis­sen, ob es auch in ande­ren Regio­nen des Frei­staats sol­che Voll­zugs-Defi­zi­te gibt.

Kla­re Zustän­dig­kei­ten: Poli­zei mel­det Ver­stö­ße an Ämter

Egal ob Fahr­gäs­te ohne Mas­ken im Bus erwischt, mas­ken­lo­se Kun­den im Super­markt auf­fal­len oder Coro­na-Par­tys von Strei­fen­be­am­ten gesprengt wer­den – wann immer die Poli­zei Ver­stö­ße gegen das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz fest­stellt, wer­den die­se an die zustän­di­gen Ämter wei­ter­ge­lei­tet. Das gilt auch für im Lock­down ille­gal geöff­ne­te Knei­pen oder Alko­hol­aus­schank im Frei­en. Je nach Tat­ort sind die Ord­nungs­be­hör­den der kreis­frei­en Städ­te oder die Land­rats­äm­ter damit befasst, die zum Teil saf­ti­gen Buß­geld­be­schei­de zu erlas­sen und die Stra­fen zu kassieren.

Stadt Mün­chen: 1,5 Mil­lio­nen Euro Bußgeld-Einnahmen

Seit Inkraft­tre­ten des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes im Früh­jahr lei­te­te die Münch­ner Poli­zei fast 19.000 Ver­fah­ren an das Kreis­ver­wal­tungs­re­fe­rat der Lan­des­haupt­stadt wei­ter. Das Ergeb­nis: in über 8.000 Fäl­len flat­ter­te den Coro­na-Sün­dern ein Buß­geld­be­scheid ins Haus. Dazu kamen 3.400 Ein­stel­lun­gen. Rund 6.700 Ver­fah­ren – so ein Behör­den­spre­cher – befin­den sich noch in Bear­bei­tung. Fast 1,5 Mil­lio­nen Euro muss­ten die erwisch­ten Coro­na-Sün­der bereits bezahlen.

Land­rats­amt Mün­chen: Kein Buß­geld­be­scheid im IV. Quar­tal 2020

Und im Land­kreis Mün­chen? Eine Spre­che­rin des Land­rats­am­tes berich­tet von 1.700 Ver­fah­ren, die dem Land­rats­amt von der Poli­zei gemel­det wur­den. Davon wur­den 400 Ver­fah­ren aus recht­li­chen Grün­den umge­hend ein­ge­stellt. Dazu erließ des Land­rats­amt zu Beginn der Akti­on elf Buß­geld­be­schei­de – und dann in den Mona­ten Okto­ber, Novem­ber und Dezem­ber kei­nen ein­zi­gen mehr.

Land­rat Chris­toph Göbel geriet in der ver­gan­ge­nen Woche erkenn­bar in Erklä­rungs­not, als er bei einem Anruf aus dem Poli­zei­prä­si­di­um nach dem Ver­bleib der noch offe­nen Anzei­gen gefragt wur­de. Im Inter­view mit der BR-Rund­schau räum­te er ein, gar kein Per­so­nal für die Ahn­dung der Ver­stö­ße zu haben, die wei­ter täg­lich ein­gin­gen. Auch er hält die Situa­ti­on für unbe­frie­di­gend und befür­wor­tet eine kon­se­quen­te und zeit­na­he Ahn­dung der Ver­stö­ße. Er habe mitt­ler­wei­le eine Arbeits­grup­pe ein­ge­rich­tet, die Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge machen solle.

Innen­mi­nis­te­ri­um ord­net Nach­for­schung an

Reagiert hat jetzt auch Bay­erns Innen­mi­nis­ter Herr­mann. Von der BR-Rund­schau auf die Situa­ti­on ange­spro­chen, erklär­te er: "Ich habe jetzt die Poli­zei in ganz Bay­ern ange­wie­sen, durch Nach­fra­gen bei Stadt­ver­wal­tun­gen und Land­rats­äm­tern mög­li­che wei­te­re Schwach­stel­len auf­zu­de­cken." Bereits in weni­gen Tagen sol­le das Ergeb­nis der lan­des­wei­ten Nach­for­schun­gen vorliegen.

Poli­zei­ge­werk­schaft: "Fal­sches Signal"

"Fatal" nennt der stell­ver­tre­ten­de Lan­des­vor­sit­zen­de der Deut­schen Poli­zei­ge­werk­schaft (DpolG) Jür­gen Ascherl die Buß­geld-Blo­cka­de im Land­rats­amt München:

"Das ist ein­deu­tig das fal­sche Signal. Bei sol­chen Ver­stö­ßen muss die Stra­fe auf dem Fuß fol­gen – sonst ist die abschre­cken­de Wir­kung für die Katz." Jür­gen Ascherls, Polizeigewerkschaft

Für sei­ne Poli­zei­kol­le­gen sei die Lage eine ech­te Moti­va­ti­ons­brem­se: "Die Poli­tik for­dert uns auf mit Augen­maß, aber eben auch kon­se­quent ein­zu­schrei­ten. Doch was ist die­se häu­fig nicht gera­de ange­neh­me Arbeit wert, wenn hin­ter­her nichts passiert?"

Bleibt das Land­rats­amt Mün­chen bei sei­nem bis­her vor­ge­leg­ten Tem­po, könn­ten die heu­te auf­ge­lau­fe­nen Ver­fah­ren in 132 Jah­ren bear­bei­tet sein. Aller­dings ver­jäh­ren fest­ge­stell­te Ver­stö­ße nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz bereits nach drei Jah­ren.«

4 Antworten auf „Empörend: Corona-Verstöße: Landkreis München erlässt kein Bußgeld“

  1. Also, so wie ich das ver­ste­he, erhält man einen Buß­geld­be­scheid und legt dann Wider­spruch ein.
    Das sta­pelt sich dann bei den Gerich­ten. Haben die noch etwas ande­res zu tun?

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