Es muß außerordentlich rumort haben bei den LeserInnen. Anders sind die Versuche der linken Tageszeitung "junge Welt" nicht zu erklären, heute etwas Abstand zu gewinnen von den wochenlangen Diffamierungen der "Anti-Corona-DemonstrantInnen" als Nazis und Verschwörer.
Einer der heftigsten Verbreiter dieser Lesart stellt heut in einem Artikel fest:
»Faschisten machten zwar nur einen Bruchteil der Demonstranten aus, doch konnten sie ohne ersichtliche Schwierigkeiten in der Masse mitschwimmen. Zu berücksichtigen ist, dass sie dabei für viele nicht mit den Codes der rechten Szene vertrauten Teilnehmer nicht so einfach zu erkennen waren. Denn Parteifahnen wurden keine getragen. Und das auf T‑Shirts gedruckte Q der antisemitischen Verschwörungsparanoiker von "QAnon" dürfte von mancher schwäbischen Hausfrau schlicht als Zeichen für "Querdenker" interpretiert worden sein. Sichtbar waren allerdings Neonazis mit schwarz-weiß-roten Fahnen.«
Er macht nunmehr eine zweite Front auf. Nicht so sehr Nazis seien es, dafür
»(klein)bürgerlich wirkende Demonstranten zwischen 40 und 60, Selbständige und kleine Unternehmer, viele dem Anschein nach eher aus der Provinz. Personen, bei denen ein Migrationshintergrund vermutet werden könnte, waren nur wenige darunter.«
Der Mann hat ein Auge für Selbständige und kleine Unternehmer aus der Provinz.
»Einende Feindbilder sind die "Lügenpresse"«, Angela Merkel und ihr "Chefvirologe" Christian Drosten, die Pharmaindustrie sowie der als Drahtzieher im Hintergrund vermutete Multimilliardär Bill Gates.«
Alles vergessen
Vergessen ist der langjährige Werbespruch der jW "Sie lügen wie gedruckt, wir drucken, wie sie lügen". Vergessen auch, wie man den Sprechchor von der Lügenpresse feierte, als er im Rahmen von Stuttgart 21 erklang.
Das Feindbild der Pharmaindustrie ist dem Autoren einer linken Zeitung ebenso verdächtig wie die Kritik an Herrn Drosten. Mit den Aktivitäten von Gates zu beschäftigen erscheint als (klein)bürgerliche Zeitverschwendung. Irgendwo ist das folgerichtig für einen Journalisten, der vor wenigen Tagen dafür warb, Bismarck "auf seinem Sockel" zu belassen. Schließlich sei er der "Vater der Sozialversicherung" und auch nicht wirklich ein Kolonialist.
Als Hinweis darauf, daß alles andere als die Arbeiterklasse unterwegs ist, gilt dem Autoren ein
»Zusammenschluss von Reisebusunternehmern, die aus Angst um ihre wirtschaftliche Existenz angesichts der Coronakrise Busdemonstrationen organisiert hatten. "Die Querdenker sind ein Segen für die Branche. Sie wollen mit dem Bus fahren, wir brauchen Fahrgäste – das ist eine Win-Win-Situation", erklärte der Wiener Reiseunternehmer Alexander Ehrlich als Sprecher der Initiative, die angibt, mindestens 200.000 Passagiere befördern zu können, gegenüber der Welt.«
Wer mag wohl die Hunderttausenden befördert haben, die zu den #unteilbar‑, TTIP- und anderen Demos angereist sind?
Ansonsten fährt der Autor fort mit Beschreibungen von Nazi-Aufrufen für Aktionen in Berlin. Sie gibt es, sie sind besorgniserregend. Sie den Organisatorinnen von Querdenken zuzuordnen, bleibt unredlich (s.a. Spielarten der Diffamierung).
Diese Artikel in der JW sind Hasstiraden auf einen demokratischen Prozess. Offenbar ist dieses Blatt ideologisch in die Hände falscher Leute geraten und bemüht sich nun linksorientierte Leser von der Gesellschaft zu trennen. Das wird ihr auf lange Sicht kaum gelingen und sie wird daran eingehen.