Wie kommt man in der Berliner Zeitung zu so einem Artikel? So:
»Torsten Harmsen ist Wissenschaftsredakteur bei der Berliner Zeitung. Er wurde 1961, im Jahr des Mauerbaus, in Berlin geboren. Bereits seine Herkunft verbindet ihn also eng mit der Geschichte Berlins. Zumal er auch noch am Tag des Mauerfalls 1989 zum ersten Mal Vater wurde. Solche Erfahrungen inspirierten ihn schon zu manchem Text…«
https://www.berliner-zeitung.de/autoren/torsten-harmsen–li.37
In dieser Inspiration ist, wen wundert es, von bahnbrechenden Modellierungen zu lesen:
»Berlin – Die sozialen Medien haben zur Verbreitung des Coronavirus beigetragen. Zu dieser Auffassung kommen Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in einer Studie, erschienen im Fachjournal Applied Network Science. Konkret sind die Wissenschaftler am Beispiel der USA Hinweisen nachgegangen, denen zufolge die politische Aufladung rund um Corona die Ausbreitung von Sars-CoV‑2 in manchen Regionen gefördert haben könnte.«
Hypothetische Kampagne
Was taten die "Forscher um Manuel Cebrian, Leiter der Forschungsgruppe zur digitalen Mobilisierung im Forschungsbereich Mensch und Maschine des MPIB"?
»Sie untersuchten dies zunächst anhand eines Mobilisierungsmodells am Beispiel von Facebook in den USA. „Gegenstand der Studie war eine hypothetische, politische Kampagne, in der die Demokratische Partei nicht-pharmazeutische Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus empfiehlt“, heißt es in der Mitteilung des MPIB. Solche Maßnahmen sind etwa die Meidung von Menschenansammlungen, das Tragen von Masken und das Abstandhalten.
Modell zur Ausbreitung von Kampagnen
Cebrian und sein Team nutzten unter anderem den Facebook Social Connectedness Index (SCI), ein Maß für die Berechnung sozialer Verbindungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Regionen, dargestellt durch Facebook-Freundschaftsbeziehungen. Außerdem verwendeten sie demografische Angaben und Datensätze aus Wahlprotokollen der New York Times. Sie wollten zunächst einmal modellhaft wissen, „wie sich eine Kampagne der Demokraten für nicht-pharmazeutische Maßnahmen in den USA über Facebook verbreitet hätte und ob sie zu politischen Aktionen wie Demonstrationen geführt hätte“.
„Die Ergebnisse der Modellrechnungen zeigen, dass sich die hypothetische Kampagne der Demokraten in demokratischen Staaten dreimal so schnell verbreitet hätte als in republikanischen Staaten“, schreibt das Max-Planck-Institut. Menschen mobilisierten und rekrutierten hier ihre Freunde über das Freundschaftsnetzwerk wesentlich intensiver und schneller. Diese politische Polarisierung, egal in welche Richtung, mache es schwer, alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zu erreichen. „Die Akzeptanz und die daraus folgende, weitere Verbreitung von Maßnahmen ist demnach davon abhängig, ob Sender und Empfänger politisch gleichgesinnt sind“, sagt Inho Hong, Forschungsstipendiat am MPIB und Erstautor der Studie.«
Ohne einen einzigen Menschen zu befragen, kommt der Computer zu ungemein überraschenden Erkenntnissen. Wo es Demokraten an der Regierung gibt, klappt die demokratische Kampagne, sonst nicht. Da muß man erst mal ohne Modell drauf kommen!
»Polarisierung wirkt Maßnahmen entgegen
Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Je kampagnenhafter und politisch aufgeladener Inhalte in den sozialen Medien verbreitet werden, desto größer die Polarisierung. Dies könne staatliche Maßnahmen außer Kraft setzen, indem Menschen „der Politik der gegnerischen Parteien misstrauen und falsche Informationen in Echokammern verbreiten“, schreiben die Forscher.
Um beim Beispiel der Maske zu bleiben: Am Anfang der Pandemie zweifelten sogar Wissenschaftler den Sinn von Alltagsmasken im Alltag an. Später ergaben Studien, darunter eine Alltagsstudie, dass das Tragen einer normalen Alltagsmaske das relative Risiko, sich mit Sars-CoV‑2 zu infizieren, um etwa 80 Prozent senken könne. Kritiker forderten, die Empfehlungen an das Risiko in bestimmten Situationen zu koppeln. Statt jedoch Studien gründlich zu kommunizieren, veröffentlichte unter anderem der Berliner Senat ein Plakat mit der Aufschrift „Der erhobene Zeigefinger für alle ohne Maske“. Ein Stinkefinger, der politisch polarisierte, vor allem auch in den sozialen Medien. Und bundesweit wurde eine Vorschrift nach der anderen erlassen, ohne dass es genaue inhaltliche Begründungen für ihre Wirksamkeit gab.«
Wenn die Jungs den PC aus dem Spiel lassen und kurz ihren Menschenverstand einsetzen, merken sie: Dumme Vorschriften erzeugen Abwehr. Sie können ihre Finger aber nicht von der Tastatur lassen, dabei kommt das raus:
»Dass so etwas direkt nach hinten losgehen kann, zeigten die Forscher des Max-Planck-Instituts, indem sie im zweiten Schritt den Zusammenhang zwischen sozialer Mobilisierung und der tatsächlichen Ausbreitung von Covid-19-Fällen in den USA untersuchten. Dazu nutzen sie ihr Modell und reale Zahlen über das Corona-Wachstum in verschiedenen Regionen. „So stiegen die Infektionszahlen ab Mitte April 2020 an, nachdem Republikaner*innen gegen den ersten Lockdown demonstrierten und die vorgegebenen Hygieneregeln nicht konsequent beachteten“, heißt es in der Mitteilung des Max-Planck-Instituts. „Das bedeutet, politische Regelungen, wie Lockdowns, können nach Umdeutung durch politisch polarisierte Gegner*innen das Gegenteil bewirken und die Situation sogar verschärfen.“«
Sie merken es dann doch:
»Kausale Beweise fehlen noch
… Die MPIB-Autoren verweisen auf die Grenzen ihrer Studie. „Obwohl die polarisierte Mobilisierung in unserer Simulation mit den Ausbreitungen von Covid-19 korreliert, liefert sie keine kausalen Beweise“, schreiben sie. „Weitere verhaltensbezogene und epidemiologische Studien sind erforderlich, um den Kausalzusammenhang herauszufinden.“…«
Was immer der verquaste Begriff des kausalen Beweises sagen soll, für sie steht der Kausalzusammenhang bereits fest. Er muß nur noch herausgefunden werden. Es gibt da ein Vorbild:
»So hätten unter anderem zwei große „Querdenken“-Demonstrationen im November 2020 dazu beigetragen, dass in verschiedenen Orten Deutschlands die Inzidenzen stiegen, ergab im Februar eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW Mannheim) und der Humboldt-Universität zu Berlin. Statistiker und Mathematiker kritisierten die Studie aber als politisch motiviert und wissenschaftlich unsauber.«
Das ist auch das mindeste, was man über sie sagen muß. Näheres über das abstruse Werk in WISSENSCHAFTLICHE STUDIE: Infektionen nehmen durch Querdenker-Demos zu. Und Hintergründe in Wer steckt hinter der Demo-Superspreader-Studie des ZEW?
Was ist zu tun?
»Sie schlagen politische Anstrengungen vor, „um die politische Polarisierung zu umgehen und/oder zu mildern“, auch, um die Wirksamkeit von Maßnahmen zu verbessern. Zum Beispiel könnten Befürworter von Masken an ganz verschiedenen Orten aktiv werden, um eine Werbung zu erreichen, ohne eine Polarisationsbarriere überwinden zu müssen. Je begründeter und überzeugender sie aufträten, desto besser wäre wohl der Effekt…«
Denn man los!
Herr Hong, der Erstautor der Studie hilft bei Erklärung, wie man zu abgehobenen Thesen kommt: "My research focuses on understanding society through data analysis and mathematical modeling"
Amüsant: Nein!
Makaber: Hm, zu humorlos.
Bescheuert: zu 101 %, weil nicht kausal, but
Glaubbar und befolglich: siehe Zeile oben, doch aus den Erfahrungen der letzten Monate – es ist alles möglich…
Die Kausalität der neuen Leitmedien (Twitter, Facebook) für die "Corona"krise ist unbestreitbar. Bloß nicht so, wie die Autoren meinen. Wahrscheinlich twittern sie selber.
Früher war das Leitmedium: Buch.
Beständig, seriös, behäbig.
heute kann in Büchern stehen was will -
Tweets gewinnen und treiben alles vor sich her.
Mein Favorit: "Am Anfang der Pandemie zweifelten sogar Wissenschaftler den Sinn von Alltagsmasken im Alltag an"
Ich kann mich darin aber einfach nicht entscheiden, was ich am amüsantesten finde:
"zweifelten" ?
"sogar" ?
ungegenderte "Wissenschaftler" ?
"Alltagsmasken im Alltag"?