»Das Vertrauen, dass an der Spitze des Staates nach medizinischen Erwägungen entschieden wird, schwindet.«
Das beobachtet die FAZ vom 25.9. Freilich bezieht sie das auf Israel.
»"Gebete und Demonstrationen" dürfen nur noch unter freiem Himmel mit höchstens zwanzig Menschen stattfinden. Mit einer mächtigen Ausnahme: Am höchsten Feiertag Jom Kippur, der am Sonntag beginnt, dürfen die Synagogen besucht werden. Die Ultrafrommen sind der wichtigste Koalitionspartner des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Netanjahu verstößt gegen Quarantäne
Für den Epidemiologen Hagai Levine, der zum Corona-Beraterstab der Regierung gehört, ist das eine fatale Entscheidung. "Mehr als zwei Millionen Israelis gehen zu Jom Kippur in die Synagoge", sagte Levine in einer Pressekonferenz… Stundenlang sei im Kabinett über das Verbot von Demonstrationen (die seit Wochen gegen Netanjahu laufen) debattiert worden, wo doch bekannt sei, dass sich Infektionen vor allem in geschlossenen Räumen verbreiten…
Wie die Zeitung "Maariv" unter Berufung auf die Sicherheitsbehörden meldet, bricht die Hälfte der Israelis in Quarantäne diese. Die Staatsführung geht dabei nicht mit bestem Beispiel voran. Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr hatten sowohl Ministerpräsident Netanjahu als auch Präsident Reuven Rivlin Verwandte zum Pessach-Fest eingeladen. Und als Netanjahu und seine Mitarbeiter vergangene Woche aus Washington zurückkamen, mussten sie nicht nur für eine verkürzte Zeit in Quarantäne, sondern wurden auch während dieser Zeit beim Einkaufen oder dabei gesehen, wie sie gegnerische Demonstranten filmten.«
Daß die Selbstaufhebung von Quarantäne durch MinisterInnen auch in Deutschland und Österreich praktiziert wird, ist nachzulesen in Negatives Testergebnis hebt Quarantänepflicht nicht auf – oder doch?
»Medien berichteten übereinstimmend, dass Netanjahu nach Wegen gesucht habe, um die Demonstranten vor seiner Residenz in Jerusalem zu vertreiben und dies nur um den Preis einer allgemeinen Schließung bei privaten Unternehmen zu erreichen war. In der Knesset nannte Netanjahu die Demonstranten "Infektionsträger", wo indes weder Levine noch Gamzu von nachgewiesenen Infektionen auf Demonstrationen ausgehen. Auch nach Inkrafttreten des Lockdowns am Freitagnachmittag wurde im Parlament darüber weiter gestritten. "Der Grund der Richtlinien: Es ist verboten, gegen Netanjahu zu demonstrieren", äußerte Oppositionsführer Jair Lapid in Richtung des Ministerpräsidenten, dem in einer jüngsten Umfrage noch 27 Prozent der Israelis das Vertrauen schenken und der in einem Korruptionsprozess steckt. Während die israelischen Politiker weiter mit Grabenkämpfen beschäftigt sind, verliert die Bevölkerung das Vertrauen. Und ohne Vertrauen die Bereitschaft zur Kooperation. Ein idealer Nährboden für das Virus.«
Der letzte Satz sei geschenkt, nicht aber die Unfähigkeit der FAZ, Parallelen zum eigenen Land zu erkennen.
Denn auch hier zeigen die aktuellen Werte einer Studie des Gemeinschaftsprojekts von Universität Erfurt (UE), Robert Koch-Institut (RKI), Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID), Science Media Center (SMC), Bernhard Nocht Institute for Tropical Medicine (BNITM), Yale Institute for Global Health (YIGH), Stand 18.9.:
»Das Vertrauen in die Wissenschaft, die Bundesregierung und die WHO ist relativ stabil, während das Vertrauen in Behörden, den Gesundheitssektor und die Medien leichten Schwankungen unterliegt.«
Für das RKI sieht das so aus:
Diese Darstellung zeigt, wie leicht es ist, Daten je nach Absicht darzustellen, etwas, das wir seit Monaten kennen. Die Original-Grafik, der obige entnommen ist, sieht so aus:
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)