Bundespolizei soll präventiv die Telekommunikation der Bürgerinnen und Bürger überwachen

»BfDI kri­ti­siert Novel­le des Bundespolizeigesetzes
Bonn/Berlin, 22. März 2021
Der Bun­des­be­auf­trag­te für den Daten­schutz und die Infor­ma­ti­ons­frei­heit (BfDI), Pro­fes­sor Ulrich Kel­ber, hält die geplan­te Neu­fas­sung des Bun­des­po­li­zei­ge­set­zes für ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­lich: Die Befug­nis­se der Bun­des­po­li­zei sol­len erwei­tert und den Mög­lich­kei­ten des Bun­des­kri­mi­nal­am­tes ange­gli­chen wer­den. Dabei wird ver­kannt, dass es sich bei der Bun­des­po­li­zei um eine Son­der­po­li­zei mit begrenz­tem Auf­ga­ben­spek­trum han­delt. Sie soll Bahn­hö­fe, Flug­hä­fen und die Lan­des­gren­ze schützen.

Zukünf­tig soll die Bun­des­po­li­zei prä­ven­tiv die Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger über­wa­chen dür­fen. Das betrifft auch Fäl­le ohne kon­kre­ten Anfangsverdacht. 

Hier wäre die Schwel­le ange­sichts der Tie­fe eines sol­chen Grund­rechts­ein­griffs viel zu nied­rig ange­setzt. Außer­dem soll der Bun­des­po­li­zei eine soge­nann­te „Quel­len-TKÜ“ ermög­licht wer­den, mit der letzt­end­lich Smart­phones und Lap­tops infil­triert und aus­ge­späht wer­den kön­nen. Pro­ble­ma­tisch dar­an ist, dass hier­für gezielt Sicher­heits­lü­cken aus­ge­nutzt wer­den müs­sen. Das senkt das Sicher­heits­ni­veau für alle digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­rä­te. Schließ­lich soll die Bun­des­po­li­zei auch die Mög­lich­keit für eine „ech­te“ Online-Durch­su­chung bekommen.

Die Befug­nis der Bun­des­po­li­zei zu erken­nungs­dienst­li­chen Maß­nah­men wie etwa das Abneh­men von Fin­ger­ab­drü­cken oder das Anfer­ti­gen von Fotos einer Per­son, soll mit dem neu­en Ent­wurf auf Fäl­le noch gar nicht began­ge­ner Straf­ta­ten erwei­tert wer­den. Auch hier stellt sich die Fra­ge, ob die im Gesetz­ent­wurf vor­ge­se­he­ne Ein­griffs­schwel­le einer mög­li­chen ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Prü­fung stand­hält. Die euro­päi­schen Vor­ga­ben zu den wesent­li­chen Auf­sichts­be­fug­nis­sen der Daten­schutz­be­hör­den wer­den im Ent­wurf nur ansatz­wei­se umge­setzt. Damit wer­den dem BfDI unnö­ti­ge Hür­den für die Aus­übung sei­ner Daten­schutz­kon­trol­le auf­er­legt. Das ist beson­ders pro­ble­ma­tisch, weil an ande­rer Stel­le die bis­her vor­ge­se­he­ne daten­schutz­recht­li­che Vor­ab­prü­fung und Bera­tung durch die soge­nann­ten Errich­tungs­an­ord­nun­gen ersatz­los gestri­chen wor­den ist: Das beschä­digt den Rechts­staat. Auf­grund der man­gel­haf­ten Umset­zung mei­ner Befug­nis­se in natio­na­les Recht hal­te ich ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren der EU-Kom­mis­si­on gegen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land für möglich.

Zur Novel­le des Bun­des­po­li­zei­ge­set­zes hat sich der BfDI gegen­über dem Deut­schen Bun­des­tag unter ande­rem in einer schrift­li­chen Stel­lung­nah­me geäu­ßert.«
https://​www​.bfdi​.bund​.de/​D​E​/​I​n​f​o​t​h​e​k​/​P​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​e​n​/​2​0​2​1​/​0​6​_​N​o​v​e​l​l​e​-​B​u​n​d​e​s​p​o​l​i​z​e​i​g​e​s​e​t​z​.​h​tml

Auch um Pro­tes­te oder auch nur Debat­ten dar­über zu ersti­cken, woll­te man die Oster­ru­he. Der Indus­trie und dem Han­del ist die Regie­rung jetzt ent­ge­gen­ge­kom­men, das Demons­tra­ti­ons­recht soll wei­ter­hin unter der Knu­te bleiben.

15 Antworten auf „Bundespolizei soll präventiv die Telekommunikation der Bürgerinnen und Bürger überwachen“

  1. Schreibt alle über Smart­phone was ihr denkt und sprecht, dann ist das Pro­blem gelöst…

    Ihr müsst end­lich eure ver­damm­te Angst los werden.

    Doch was tut ihr: Angst ver­brei­ten; als ob man schwei­gen müss­te, wenn man abge­hört wird…

    1. Eine bekann­te bekam schon vor 4–5 Jah­ren vom Anbie­ter eine Nach­richt sie sol­le das Foto(Nachrichten über Kriminelle)löschen!

  2. Ich plau­de­re mal aus dem Nähkästchen:
    Vor etwa 10 Jah­ren hat mich eine Strei­fe, völ­lig anlass­los, auf der Stra­ße kon­trol­liert – unglück­li­cher­wei­se hat­te ich Gras für ca. 20 € in der Hosentasche.
    In der Fol­ge hat­te ich das Ver­gnü­gen die erken­nungs­dienst­li­che Behand­lung für Schwer­ver­bre­cher ken­nen­ler­nen zu dür­fen – natür­lich inklu­si­ve Abnah­me der Fingerabdrücke.
    (mein Pro­test wur­de unter Andro­hung von Zwang abge­bü­gelt – die juris­ti­sche Gegen­wehr ver­lief natür­lich im Sande).
    Ver­mut­lich wegen mei­nes blü­ten­wei­ßen Füh­rungs­zeug­nis­ses wur­de das ent­spre­chen­de Ver­fah­ren von der Staats­an­walt­schaft zügig eingestellt.
    Es wäre für mich den­noch eine gro­ße Über­ra­schung wenn die Fin­ger­ab­drü­cke, oder mei­ne ande­ren Daten, aus der ent­spre­chen­den Datei ent­fernt wor­den wären.
    Schon damals dräng­te sich mir der Ein­druck auf, dass der Rechts­staat respek­ti­ve die gesetz­li­chen Vor­ga­ben von der Exe­ku­ti­ve recht frei inter­pre­tiert wurden …

    1. Ein emp­feh­lens­wer­ter Fly­er (28 über­sicht­li­che Seiten)

      Daten­schutz –
      mei­ne Rechte
      https://​www​.bfdi​.bund​.de/​S​h​a​r​e​d​D​o​c​s​/​P​u​b​l​i​k​a​t​i​o​n​e​n​/​F​a​l​t​b​l​a​e​t​t​e​r​/​D​a​t​e​n​s​c​h​u​t​z​_​M​e​i​n​e​R​e​c​h​t​e​.​p​d​f​?​_​_​b​l​o​b​=​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​F​i​l​e​&​v​=16

      Wir müs­sen bei jeder Gele­gen­heit unse­re Daten­schutz­rech­te ein­for­dern und auf die­se spür­ba­re Art auf­zei­gen, dass Staat, Ver­wal­tung und auch die Pri­vat­wirt­schaft uns nicht scha­den darf!

      Wer sei­ne Rech­te (lan­ge Zeit) nicht ein­for­dert, hat sie schon verloren!

      P.S. Der Begriff DATENSCHUTZ ist bereits zer­schlis­sen (wor­den).
      Es geht um die INFORMATIONELLE SELBSTBESTIMMUNG
      oder kurz darum:
      Wer
      weiß
      was
      von wem
      zu wel­chem Zweck
      und seit wann
      über MICH?

      Die ein­zi­ge Chan­che im Kampf um "das Datengold."

    2. Zu T.T.
      https://​www​.coro​dok​.de/​b​u​n​d​e​s​p​o​l​i​z​e​i​-​t​e​l​e​k​o​m​m​u​n​i​k​a​t​i​o​n​-​b​u​e​r​g​e​r​i​n​n​e​n​/​#​c​o​m​m​e​n​t​-​3​1​263

      1. Erken­nungs­dienst­li­che Behand­lung wird nicht nur bei 'Schwer­bre­chern' vorgenommen.

      2. Eine unbe­grün­de­te erken­nungs­dienst­li­che Behand­lung kann beim Ver­wal­tungs­ge­richt ange­foch­ten werden.

      1. @Andreas Johan­nes Berchtold
        Dan­ke Ihnen, ange­sichts aktu­el­len der poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen wer­de ich das ernst­haft in Betracht ziehen …

  3. Es ist sogar so, dass die Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­se­lung fal­len soll.
    Das wäre ein Wahn­sinn, aber es nicht so weit weg, wie man glau­ben könn­te. Wie beschrie­ben, könn­te man dazu die End­ge­rä­te infi­zie­ren, um vor der Ver­schlüs­se­lung schon den Klar­text abzugreifen.

    Tat­sa­che ist, dass auch jetzt die als sicher gel­ten­den Ver­schlüs­se­lun­gen Lücken haben. Soll­ten die Zufalls­ge­nera­to­ren mani­pu­liert oder feh­ler­haft sein, ist die bes­te Ver­schlüs­se­lung nichts mehr wert.

    Hin­zu kom­men noch ande­re grund­le­gen­de Denk­feh­ler. Die bes­te Ver­schlüs­se­lung hilft nichts, wenn ich mich mit einem mobi­len Gerät in irgend­ein WLAN ein­wäh­le. Wie schwie­rig ist es dann noch, her­aus­zu­fin­den, wer und wo ich bin?
    Wer kann alle Spu­ren ver­wi­schen, die er hinterlässt?
    Dazu müss­te man die alle erst ein­mal kennen…

    In der IT ist nichts sicher, so viel ist sicher.

    Die Men­schen mit ihren smart­phones sind wie Affen mit einem Maschi­nen­ge­wehr und unend­li­cher Munition.

  4. b. Quel­len-TKÜ
    Mit der sog. Quel­len-TKÜ nach § 27d Abs. 2 BPolG‑E wird der bei der Telekommunikations-
    über­wa­chung ohne­hin schon schwe­re Grund­rechts­ein­griff noch ein­mal ver­tieft. Das Bun-
    des­ver­fas­sungs­ge­richt hat auf die beson­de­ren Risi­ken hin­ge­wie­sen, die mit einer Quellen-
    Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung ver­bun­den sind. 5 Mit der Infil­tra­ti­on des Sys­tems sei
    „die ent­schei­den­de Hür­de genom­men, um das Sys­tem ins­ge­samt auszuspähen.“
    Sicherheitslücken
    Die­se Gefah­ren aller­dings ent­ste­hen nicht nur durch das geziel­te Aus­le­sen des Systems
    durch Ermitt­lungs­be­hör­den, son­dern auch durch abs­trak­te Gefähr­dun­gen. Sie kön­nen ent-
    ste­hen, wenn eine Behör­de Sicher­heits­lü­cken des betrof­fe­nen Sys­tems gezielt ausnutzt
    und eine Über­wa­chungs­soft­ware ein­schleust. Durch das Zurück­hal­ten von Sicherheitslü-
    cken wird das all­ge­mei­ne IT-Sicher­heits­ni­veau gesenkt. Es kann nicht aus­ge­schlos­sen wer-
    den, dass auch Kri­mi­nel­le oder aus­län­di­sche Akteu­re (Nach­rich­ten­diens­te etc.) die­se Si-
    cher­heits­lü­cken nut­zen. Die­ses Risi­ko ist in der Geset­zes­be­grün­dung nicht angemessen
    bewer­tet worden.

    https://​www​.bfdi​.bund​.de/​D​E​/​I​n​f​o​t​h​e​k​/​T​r​a​n​s​p​a​r​e​n​z​/​S​t​e​l​l​u​n​g​n​a​h​m​e​n​/​2​0​2​1​/​S​t​g​N​_​M​o​d​e​r​n​i​s​i​e​r​u​n​g​-​R​e​c​h​t​s​g​r​u​n​d​l​a​g​e​n​-​B​u​n​d​e​s​p​o​l​i​z​e​i​.​p​d​f​?​_​_​b​l​o​b​=​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​F​i​l​e​&​v=2

  5. EU-Digi­tal­po­li­ti­ker Voss:
    "Kei­ner will den Daten­schutz abschaffen"

    Der CDU-Abge­ord­ne­te will die DSGVO ver­schlan­ken, da es nur "um den 100-pro­zen­ti­gen Daten­schutz geht".
    Er rüt­te­le an den "Grund­fes­ten", hal­ten Kri­ti­ker entgegen.

    Axel Voss (EVP) im Okto­ber 2020 bei einer Pres­se­kon­fe­renz im Europaparlament.
    Von Ste­fan Krempl – 24.03.2021 18:14 Uhr

  6. … und täg­lich grüßt die Vorratsdatenspeicherung!

    Glück­li­cher­wei­se läuft ELSTER bereits auf vie­len Rech­nern und immer mehr Leu­te müs­sen es benut­zen – zumin­dest inter­pre­tie­ren Finanz­äm­ter die Steu­er­ge­set­ze so, obwohl das da nicht so drin­steht. D.h. die tro­ja­ni­schen Staats­pfer­de sind schon auf einer Viel­zahl von Rech­nern instal­liert und müs­sen nur noch scharf­ge­schal­tet wer­den, falls sie es noch nicht sind.

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