Der von der bayerischen Staatsregierung zwangsversetzte Leiter des Gesundheitsamts Aichach-Friedberg, Friedrich Pürner, bekräftigt in einem Interview auf nachdenkseiten.de seine Haltung zu Massentests, die Gesunde zu Kranken machen, und Communitymasken ohne echte Schutzwirkung.
Zum berüchtigten Sieben-Tage-Inzidenzwert führt Pürner aus:
»Inzidenzen beschreiben in der Medizin die Anzahl der Neuerkrankten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Positivbefunde sind aber nicht mit Neuinfektionen gleichzusetzen. Ein Positivbefund ist eben erst mal nur ein Befund, sonst nichts, eine mögliche Infektion könnte schon Monate zurückliegen. Die große Mehrzahl der positiv Getesteten ist völlig symptomlos. Dennoch müssen wir sie und ihre Kontaktpersonen verfolgen, ohne dass dies aus infektiologischer Sicht zielführend wäre.
Auch deshalb hilft dieser Wert in der Praxis wenig. Im Gegenteil: Werden die Grenzen wie derzeit weitüberwiegend von Symptomlosen oder nur leicht Erkrankten ohne schwere Viruslast gerissen, dann werden die Maßnahmen trotzdem für alle verschärft und es müssen Menschen in Quarantäne, die dann an wichtigen Stellen im System fehlen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass selbst 50 Positivbefunde innerhalb von sieben Tagen pro 100.000 Einwohner die Ämter überlasten, schon weil sie häufig personell schlecht aufgestellt und in den letzten 10 bis 15 Jahren konsequent kaputtgespart worden sind.
Dasselbe gilt bekanntlich auch für Kliniken und Pflegeheime. Wie verschärft die praktizierte Quarantänisierung die Lage vor Ort?
Klar ist doch, dass gerade im Herbst und im Winter auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte erkranken. Mit Corona spitzt sich die ohnehin prekäre Situation weiter zu. Sobald in der Belegschaft einer – egal ob mit oder ohne Symptome – positiv getestet wird, werden im Umkreis alle getestet. Damit werden wieder mehr Positive und mehr Kontaktpersonen generiert, obwohl vielleicht kein einziger wirklich krank ist oder krank wird. Diese Leute fehlen dann im Klinik- oder Heimbetrieb.
Aber nun passiert in meinen Augen etwas Spannendes. Einerseits erklären viele Experten, auch die Asymptomatischen wären ansteckend. Andererseits ist inzwischen aber gängige Praxis, in Quarantäne befindliche Kontaktpersonen, zum Teil aber auch asymptomatisch positive Mediziner und Pflegekräfte, unter strengen Schutzmaßnahmen weiter ihrer Arbeit nachgehen zu lassen. Also bringt man potenzielle Kranke und „Anstecker“ gerade mit den Patienten und Heiminsassen zusammen, die wir eigentlich schützen möchten. Das erscheint mit Blick auf die herrschende Corona-Lehre zumindest widersprüchlich. Noch absurder wirkt das Ganze dadurch, dass die Betroffenen sich privat isolieren müssen, also nicht vor die Tür dürfen, während sie aber auf der Arbeit stundenlang direkt am Krankenbett zu tun haben.
Auf welcher Grundlage ist das möglich?
Für die Ausnahmeregelung muss die Klinikleitung lediglich einen begründeten Antrag an das zuständige Gesundheitsamt richten. Die Klinik muss darlegen, dass ohne dieses Personal die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden kann. In den meisten Fällen wird das bewilligt. Voraussetzung sind, wie gesagt, sogenannte Schutzmaßnahmen, die der Quarantänisierte einhalten muss, etwa das Tragen einer FFP-2-Maske ohne Auslassventil. Das Tragen einer solchen Maske über einen kompletten Dienst hinweg halte ich unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten für fragwürdig. Im Übrigen muss die Anwendung einer solchen Schutzausrüstung geübt werden, das ist nicht so trivial, wie man vielleicht glauben möchte. Allerdings bezweifele ich stark, dass in solchen Fällen überhaupt eine arbeitsmedizinische Untersuchung sowie eine Einweisung zum adäquaten Umgang mit den Masken unter Stressbedingungen vorgenommen wird…
In der öffentlichen Berichterstattung wird ja seit Wochen verstärkt das Bild überfüllter und überlasteter Krankenhäuser und Intensivstationen gezeichnet. Sie können ja aus jahrelanger persönlicher Erfahrung sprechen. Ist die Situation momentan eine signifikant andere als in den Vorjahren?
In den vergangenen Jahren kamen immer wieder Kliniken infolge von Influenza- und anderen Infektionserkrankungen im Herbst und Winter an ihre Grenzen. Das ist nichts Neues. Covid-19 wirkt aktuell nur wie ein Brennglas und offenbart die schrecklichen Folgen jahrelanger Kürzungspolitik, die sich nun bitter rächt. Meine Vermutung ist, dass man die Krankheit benutzt, um vom Versagen der Gesundheitspolitik und den rigorosen Sparmaßnahmen abzulenken…«
Zur Vorgeschichte siehe Bayern: Gesundheitsamt-Chef strafversetzt und Solidarität mit Friedrich Pürner – Offener Brief dutzender ÄrztInnen.
Das ist gut, dass Herr Pürner mit jedem Statement etwas deutlicher wird.
Guter Mann. Ich sehe da einen potentiellen neuen bayrischen Gesundheitsminister, wenn der ganze Schwachsinn endlich vorbei ist.
Zitat: "Durch die exzessive Testerei erklären wir eigentlich gesunde Menschen zu Kranken"
Werden nicht auch durch fragwürdige Grenzwerte bei z.B. Blutdruckwerten, Cholesterinwerten u.a. oder angebliche Verhaltensstörungen (Stichwort ADHS) bei Kindern viele im Prinzip gesunde Menschen zu Kranken erklärt?
Ist das nicht seit vielen Jahren ein (unter weiteren) grundlegendes Geschäftsprinzip unserer "Gesundheitsindustrie"?
So ist es. Und ich wundere mich oft über klassische Mediziner, die auf diesem Ohr leider taub sind. Den Blutdruck eines 70jährigen etwa auf den eines 20jährigen zu drücken und das als Norm auszurufen, ist für mich Symptompfuscherei. Genauso kann einer seine Haare auf jung färben und glauben, er wäre wieder ein Twen. Zumindest wäre es dringend nötig, den jeweiligen Fall individuell zu diagnostizieren statt nach fragwürdigen Standards zu gehen. Überhaupt sollte der Arzt – in anderen Kulturen einst üblich – zuerst dafür honoriert werden, seine Patienten gesund zu erhalten statt ihre Krankheiten zu heilen. Dass so eine Idee heute die reinste Utopie ist und als weltfremder Spleen abgetan werden kann, ist ein Armutszeugnis für das technokratische und durch und durch kapitalisierte Zweckdenken unserer Zeit.