Geballter Unsinn in der FAZ

Sicher, auch freie JournalistInnen müs­sen Geld ver­die­nen. Müssen sie des­halb frei von Tatsachen ihr Zeilenhonorar zusam­men­schrei­ben? Einer von ihnen, ehe­ma­li­ger Student der Geschichte und Germanistik, tut es heu­te in der FAZ. "Kommt die Gesundheitskatastrophe zum Advent?" fragt er und ergeht sich in Spekulationen und Halbwahrheiten. Zunächst ver­sucht er, Gruselstimmung zu vermitteln:

»Ende Oktober haben sie in München umge­stellt auf Corona. Intensivstation 3 des Universitätsklinikums wur­de abge­rie­gelt von der Außenwelt. Wer dort hin­ein­will, muss seit­dem durch eine Schleuse, in Schutzmontur mit Brille, Maske, zwei Paar Handschuhen. Die Patienten lie­gen in Isolationsboxen. Innen herrscht Unterdruck, damit kei­ne Aerosole nach außen drin­gen, wenn eine Pflegekraft die Tür öffnet.

Alles, was die Schwestern brau­chen, liegt auf Tischchen im Flur bereit: Handtücher, Desinfektionsmittel und Geräte, um den Sauerstoffgehalt des Blutes zu mes­sen. Sogar ein Defibrillator ist in Reichweite, damit nie­mand an die Schränke oder die Station ver­las­sen muss.

Denn [denn? AA] die Desinfektion dau­ert quä­lend lan­ge. Fehler dür­fen nicht pas­sie­ren. Wenn sich jemand mit dem Virus ansteckt, bedeu­tet das min­de­stens zwei Wochen Quarantäne. Und schlimm­sten­falls lan­det er selbst als Patient auf der Station.

Ähnlich ist die Lage auf der Intensivstation für Covid-19-Patienten am Frankfurter Uniklinikum. Die Brandschutztüren sind geschlos­sen. Die Klimaanlage haben sie um zwei Grad her­un­ter­ge­re­gelt. In den Büros friert man jetzt, dafür müs­sen die Pfleger auf der Station in ihrer Schutzkleidung nicht schwit­zen. Corona kann kom­men.«

Schön pas­sen könn­te dazu die­ses Motto der Volks- und Raiffeisenbanken:

»Und die Patienten wer­den kom­men, da sind die Ärzte sich sicher.…Die Fälle von mor­gen tra­gen das Virus schon in sich. Und sie lan­den immer häu­fi­ger in den Krankenhäusern. Im Moment lie­gen rund 2600 Patienten in Deutschland mit Covid-19 auf der Intensivstation. Gut 7000 Betten sind noch frei, das steht im Melderegister für Intensivbetten, an das die Krankenhäuser seit dem Frühjahr ihre frei­en Betten mel­den müs­sen. Doch nach den Berechnungen der Epidemiologen ver­dop­pelt sich die Zahl der schwe­ren Fälle alle zehn Tage.«

Hier stimmt nichts. Die im Artikel gezeig­te Grafik nennt (kor­rekt nach DIVI) 2.839 Menschen "mit Covid-19 auf der Intensivstation". Anzumerken wäre, was in den Medien bei den Todesfällen erst nach Monaten benannt wur­de: Es han­delt sich um PatientInnen, die "mit und an Covid-19" erkrankt sind. Die Grafik zeigt 5.292 freie Betten. Wären die "Berechnungen der Epidemiologen" rich­tig, dann müß­te es nach 1.569 Menschen am 28.10. heu­te bereits 3.138 geben. Wer die­se Epidemiologen sind, wird auch nicht mit­ge­teilt – Lauterbach wird es nicht sein, nach ihm hät­ten wir bereits zehn­tau­sen­de Tote (s. Gesundheitsexperte Lauterbach: So berech­ne ich 50.000 Tote). Nicht berück­sich­tigt wird fer­ner, daß auch im Frühjahr die Zahlen nach einem ähn­li­chen Zeitraum wie heu­te wie­der dra­ma­tisch fie­len. Eine wich­ti­ge Information, die in die Berechnung des Autor nicht ein­geht, folgt etwas später:

»Am Dienstag wies die Divi die Krankenhäuser des­halb noch mal ein­dring­lich dar­auf hin, nur Betten als frei zu mel­den, die sofort zur Verfügung ste­hen. Die Zahlen hat die Divi außer­dem kor­ri­giert. Jetzt ste­hen tau­send Betten weni­ger zur Verfügung.«

Siehe dazu Zu vie­le Intensivbetten – Statistik wird geän­dert.

»Intensivmediziner Zwißler ist des­halb der Meinung, dass die Einschränkungen aus medi­zi­ni­scher Sicht zu spät kamen.«

Der Mann ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Uniklinikum München, Mitglied des Hochschulrates der Goethe-Universität Frankfurt (oops!) und gläubig:

»Er sei zwar kein Epidemiologe, sagt Zwißler, aber „die stark anstei­gen­den Zahlen von Intensivpatienten fol­gen einer mathe­ma­ti­schen Logik. Die Vorhersagen haben bis­her gestimmt, und ich habe kei­ne Zweifel, dass sie wei­ter stimmen.“«

Der glei­che Zwißler hat­te eine Woche zuvor dem "Focus" gesagt:

»Zwißler: Wir sind gut gewapp­net, bes­ser noch als im Frühjahr. Wir haben jetzt genü­gend Schutzausrüstung, aus­rei­chend Testkapazitäten und Technik, etwa Beatmungsgeräte. Wir kön­nen auch wie­der mehr Betten für Covid-19-Patienten frei­räu­men. Es gibt nur ein Problem, das Sorgen macht.

Lassen Sie mich raten: zu wenig Pflegepersonal!

Zwißler: Es war im Frühjahr ein Problem und es ist immer noch eines: Es gibt nicht genug Intensivpflegkräfte, schon gar nicht für einen erhöh­ten Bedarf. Auch ohne Covid-19-Patienten sind unse­re Intensivbetten zu 100 Prozent aus­ge­la­stet und damit auch das Personal.«

Die Frage an den Klinikdirektor liegt nahe: Was hat er eigent­lich getan im letz­ten Dreivierteljahr und auch davor, um den Personalnotstand zu behe­ben? Im April hat­te er in einem ande­ren Focus-Interview die Antwort ange­deu­tet: "Wir machen Medizin und die soll so öko­no­misch wie mög­lich sein".

Der FAZ-Autor schreibt wei­ter falsch über "eine soge­nann­te Notfallreserve":

»Das sind Betten, die Krankenhäuser inner­halb einer Woche frei­ma­chen kön­nen. Im Melderegister ste­hen davon über zwanzigtausend.«

Laut DIVI sind es aktu­ell 12.525. Der Artikel endet, wie zu erwarten:

»Zwißler rich­tet des­halb einen Appell an die Deutschen: Alle müs­sen mitziehen.«

6 Antworten auf „Geballter Unsinn in der FAZ“

  1. Ich fin­de ja auch, alle Deutschen müs­sen mitziehen:

    Auf die Straßen!
    Auf die Barrikaden!
    In den Streik!

    Bis die gan­zen Maßnahmen zu Ende sind und wir wie­der ein nor­ma­les Leben leben dür­fen, bei dem – wie es nun mal ist – auch gestor­ben wird und in Ruhe und Frieden (!), also ohne Beatmungsgerät, auch gestor­ben wer­den darf.

  2. so einen Einstieg kann nur jemand wäh­len, der von Tüten und Blasen kei­ne Ahnung hat oder bewusst Gruseln ver­brei­ten will. Schon immer wur­den infek­tiö­se Patienten iso­liert, Schleusen gehö­ren zum Klinikalltag und das Personal, oh Wunder, zog sich Kittel, Handschuhe, Maske und Brille an. Das scheint mir die Gemeinsamkeit all die­ser Schreiberlinge zu sein. Sie wer­den in ihrem Alltag nie mit schwe­rer Krankheit und Sterben kon­fron­tiert und schie­ben jetzt Panik. In einem Artikel in der Zeit unter­stellt der Autor sämt­li­chen Maskengegnern, sich ihrer Angst vor dem Tod nicht zu stel­len. Wenn er da mal nicht sich sel­ber meint. Außerdem sind für ihn alle ohne Maske aso­zia­le Scheusale, nur weil er im Zug mal einem sol­chen begeg­net ist.… am prag­ma­tisch­sten und ruhig­sten sind übri­gens Ärzte und Pflegepersonal, auch in den Altenheimen. Sie wer­den täg­lich mit Krankheit und Tod kon­fron­tiert und ken­nen das Procedere mit Isolation und Schutzkleidung von zahl­rei­chen ande­ren Keimen wie Noroviren, die immer mal wieder
    vorbeischauen.

  3. »Zwißler rich­tet des­halb einen Appell an die Deutschen: Alle müs­sen mitziehen.«

    Aber ger­ne doch, Herr Zwißler… 🙂

    **SARKASMUS**
    Wer wird schon die histo­risch ein­ma­li­ge Gelegenheit, die Zusammensetzung der deut­schen Wählerschaft (https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017–09-24-BT-DE/charts/umfrage-alter/chart_208749.jpg) nach­hal­tig für eine bes­se­re Zukunft des mit­hil­fe eines Polizeistaats wirt­schafts- und sozi­al­po­li­tisch unter­drück­ten Sklaven-Nutzviehs jün­ge­ren Alters zu beein­flus­sen, ein­fach ver­strei­chen las­sen wollen?

    Also laßt uns immer schön die offen­sicht­lich nutz­lo­sen Masken (https://​nsfwy​ou​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​C​e​B​G​x​K​c​V​2CQ) in der Öffentlichkeit tra­gen und so gemein­sam eine schö­ne neue Welt erschaffen.
    **SARKASMUS OFF**

    Ach übri­gens… das letz­te Mal habe ich einen Arzt vor mehr als zwan­zig Jahren (also in jün­ge­ren Jahren) gese­hen und ich habe nicht vor, mei­ne nicht unbe­grün­de­te Skepsis vor die­sem Berufsstand irgend­wann zu revi­die­ren. Ich bin und blei­be näm­lich außer­or­dent­lich ger­ne kern­ge­sund. Einen PCR-Test von mir wird es unter den der­zeit gege­be­nen Umständen also vor­aus­sicht­lich lei­der nicht geben… 🙂

    In die­sem Sinne
    MfG

  4. Woher weiß er, wie es dort aussieht?
    Die Station wur­de doch von der Außenwelt abge­rie­gelt. Ach, aus Erzählungen, die drei mal wei­ter­erzählt wor­den sind, also Märchen!

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