Hier wurde mehrfach beklagt, daß gerade links sozialisierte PolitikerInnen und JournalistInnen immer noch die gläubigsten VertreterInnen der Regierungsmaßnahmen sind. Das muß nicht für Basislinke gelten, für die Funktionärsschicht aber allemal.
Ein aktuelles Beispiel ist das Interview, das heute Birgit Koch, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen, der jungen Welt gibt.
Sie spricht sich dort für das Maskentragen auch während des Unterrichts aus.
»Auf dieses Hilfsmittel zu verzichten und den Regelbetrieb anzuordnen, halten wir angesichts der steigenden Zahlen infizierter Menschen für falsch.«
Unbeeindruckt von zahllosen Studien zum Infektionsgeschehen bei Kindern, der Warnungen aller pädagogischen Fachgesellschaften und von Virologen (vgl. etwa Der Virologe, auf den niemand hört), zieht sie die völlig willkürlich über Massentests gesteigerten Zahlen von "infizierten Menschen" zur Begründung heran.
Keine Schule bei Kälte?
Und sie will einen Dauerzustand herstellen:
»Die Räume können kaum gelüftet werden. Schulen liegen häufig an Straßen, so dass es im Unterricht zu laut werden würde. Im Herbst und Winter wird es aufgrund zu erwartender Kälte noch problematischer.«
Verständlich sind ihre Klagen:
»Es herrscht entsetzliche Konzeptlosigkeit… Das Ministerium [hat] es offenbar nicht für nötig befunden, sich auszutauschen, weder mit uns als Lehrergewerkschaft oder anderen Lehrerverbänden noch mit den Schulleitungen, Eltern- und Schülervertretungen oder den Virologen.«
KollegInnen seien "besorgt, in den Klassenräumen ohne jeglichen Schutz zu sein. Zumal es durch Urlaubsrückkehrer aktuell besonders riskant ist." Kann sie das besondere Risiko mit irgend einem Fakt belegen? Sind ihr erkrankte LehrerInnen bekannt?
Es folgt das pseudolinke Mantra
»Es kann nicht sein, einfach den Regelbetrieb anzuordnen, weil die Wirtschaft laufen muss.«
Dazu findet sich in der gleichen Ausgabe des Blattes die Nachricht, daß ver.di dem Lufthansakonzern "einen Beitrag von 600 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren" als Lohnverzicht angeboten hat. Das bedeutet einen Verzicht von bis zu 20% der Einkommen der Bodenbeschäftigten. Es findet kein wirklicher Kampf statt, sondern es wird akzeptiert, daß "Corona" nun mal die Ursache für das Desaster der Lufthansa ist. Daß Milliarden an Großkonzerne ausgezahlt werden, riesige Geldsummen für parallele Imfstoffentwicklungen für die Pharmaindustrie zur Verfügung gestellt werden, planlos teure Massentests durchgeführt werden, sind für die Gewerkschaft keine Themen, die zu Mobilisierung der Mitglieder genutzt werden.
Wie die Themen Klimaschutz, Atomenergie, Rüstungskonversion zeigen, wird es hier eines langen Atems engagierter Mitglieder bedürfen, um die Großorganisationen Gewerkschaften mit ihren eingespielten Apparaten in eine andere Richtung zu bewegen. Gänzlich falsch wäre es, sie im ja real existierenden Konflikt mit den Kapitalbesitzern zu schwächen, sei es durch Austritt oder durch die Gründung von Konkurrenzorganisationen.
Zurück zur Eingangsfrage. Nein, die Kollegin muß nicht klüger sein. Schön wäre es, wenn sie die Interessen der Kinder und Jugendlichen in ihre Überlegungen einfließen ließe und andere Informationen als die von der Tagesschau gemeldeten berücksichtigte. Anderenfalls läuft sie Gefahr, dem Klischee der ewig jammernden LehrerInnen zu entsprechen.
Differenziertheit hätte man vielleicht von der Zeitung erwarten können, etwa in Form von Informationen, die das Interview ergänzten. Doch es handelt sich um die "junge Welt". Bei ihr gibt es durchaus kritische JournalistInnen, aber gegen die Generallinie "Wir kennen keine Klassen mehr, sondern nur noch Corona" können sie wenig ausrichten.
Zu den Infektionsrisiken und den "Fallzahlen" siehe auch Die Legende von der asymptomatischen Übertragung und Alles steht und fällt mit den "Fallzahlen" – und diese mit dem PCR-Test.