Eigentlich ist es kalter Kaffee, was welt.de heute unter diesem Titel vermeldet. Es geht um die Entstehung des Geheimpapiers des Innenministeriums aus dem März.
Ausführlicher zu diesem Papier (mit Download-Link Wie war das noch… mit dem Schock-Papier des Innenministeriums?) wurde hier schon am 16. August berichtet. Erhellend auch Schock-Papier – verfaßt von Lobbyisten und verstörendem Sprachlehrer.
»Unser paper hat die Befürworter von Herdenimmunität mundtot gemacht, also Drosten dazu gebracht, seine Stellung diesbezüglich zu ändern.«
prahlte einer der Verfasser im August (s. Schockpapier Innenministerium: Verfasser plaudert Interessantes aus. Dort sind alle Autoren benannt.).
Interessant ist, daß die "Welt" das Thema heute überhaupt aufgreift und einige Infos zur Entstehungsgeschichte beisteuert:
»Mitte März vergangenen Jahres war Deutschland im ersten Lockdown. Schulen und Geschäfte waren geschlossen, die Nerven im Land lagen blank. Auch bei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Denn gerade hatten der Virologe Christian Drosten und Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), seinem Haus einen Besuch abgestattet. Die beiden hatten die Führungsriege des Innenministeriums eindringlich gewarnt: Deutschland drohten dramatische Folgen, kehre das Land zu schnell in den Alltag zurück. Seehofer sorgte sich nun davor, dass wie geplant an Ostern der Lockdown enden sollte. Der Minister war entschieden dagegen. Er schickte seinen Staatssekretär Markus Kerber in die Spur.
Kerber hatte einen Plan: Er wollte führende Wissenschaftler mehrerer Forschungsinstitute und Universitären zusammen spannen. Gemeinsam sollten sie ein Papier erarbeiten, das dann als Legitimation für weitere harte politische Maßnahmen dienen sollte, über Ostern hinaus. Er startete per E Mail einen entsprechenden Aufruf an die Forscher. Nur wenige Tage später hatten diese den Auftrag des Ministeriums erfüllt. Sie lieferten Input für ein als geheim eingestuftes Papier des Innenministeriums (BMI), in dem die Gefahr durch das Coronavirus so dramatisch wie möglich dargestellt wurde, und das sich rasch über die Medien verbreitete. In einem „Worst Case-Szenario“ malten sie aus: Unternähme Deutschland nichts, wären am Ende der Pandemie mehr als eine Million Menschen im Land tot…
Der Schriftverkehr stammt aus dem RKI. Eine Gruppe Juristen, vertreten vom Berliner Rechtsanwalt Niko Harting, hat sie in einer monatelangen rechtlichen Auseinandersetzung mit der Behörde erstritten und der Redaktion zur Verfügung gestellt. Die Dokumente sind an vielen Stellen geschwärzt, und doch verraten sie viel darüber, wie das Innenministerium auf die Forscher einwirkte und wie diese daran mitwirkten, die Lage möglichst bedrohlich darzustellen.
Die Zusammenarbeit begann mit dem Aufruf des Staatssekretär am 19. März. „Sehr geehrte Professores“, schrieb Kerber an RKI-Chef Wieler sowie an Forscher des Leibniz-Instituts für Wirschaftsforschung (abgekürzt RWI, weil es früher mal Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung hieß), des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und mehrerer Universitäten. Das Ministerium wolle mit sofortiger Wirkung eine „ad hoc Forschungsplattform“ zwischen seinem Haus und den Instituten bilden. Man brauche ein Rechenmodell, um „mental und planerisch 'vor die Lage' zu kommen“. Es solle helfen, weitere „Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ planen zu können. Der Staatssekretär zeichnete ein dystopisches Bild: Es gehe um die "Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Stabilität der Öffentlichen Ordnung in Deutschland“.
Kerber bat um Verschwiegenheit: Was in den kommenden Tagen in diesem kleinen Kreis besprochen werde, solle „außerhalb von operativ tätigen Krisenstabsinstitutionen“ vertraulich gehalten werden. „Ohne Bürokratie. Maximal mutig“, schrieb Kerber und steigerte die Dramatik seines Tons zum Ende der E‑Mail noch einmal: Da man nicht wisse, „ob und wie lange die Netze noch reliabel funktionieren“, sollten die Teilnehmer ihre Telefonnummern und privaten E‑Mail-Adressen übermitteln. Er habe gegenüber seinem „Freund Lothar Wieler" die Situation „mit Apollo 13 verglichen“. „Sehr schwierige Aufgabe, aber mit Happy End durch maximale Kollaboration.“
Damit setzte er den Sound für das Vorgehen, das der Innenminister von den angeschriebenen Wissenschaftlern offenbar erwartete: eine möglichst bedrohliche Darstellung der Lage. Das Ergebnis lag nur vier Tage später vor. Jenes Geheimpapier mit dem Stempel „VS ‑Nur für den Dienstgebrauch“ über die drohende Aussicht auf bis zu einer Million Toten. Darin stand auch, wie man die „gewünschte Schockwirkung“ in der Gesellschaft erzielen könne, um diesen schlimmsten annehmbaren Fall zu vermeiden. Man müsse in den Köpfen der Menschen Bilder wie diese entstehen lassen: „Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause.“ So hoffe man bei den Bürgern Verständnis unter anderem für eine „scharfe, aber kurze Ausgangsbeschränkung“ akzeptabel zu machen.
In jenen vier Tagen verfolgten Kerber und andere hochrangige Beamte des Ministeriums die Arbeit der Forscher akribisch und diktierten das Vorgehen: Aus dem Schriftwechsel geht hervor, dass es in kurzen Abständen Telefonkonferenzen zwischen dem BMI und den Forschern gab, während diese an ihrem Modell und den daraus resultierenden Empfehlungen arbeiteten. Die E‑Mails der Wissenschaftler über den Fortschritt ihrer Arbeit gingen neben dem Staatssekretär auch an mehrere Abteilungs- und Referatsleiter des BMI. Das Ministerium gab sogar per E‑Mail an den Verteiler die Gliederung für das Papier vor.
Die Forscher beschränkten sich nicht nur darauf, Zahlen zu liefern, sondern machten auch konkrete Vorschläge, wie sich etwa .„Angst und Folgebereitschaft in der Bevölkerung“ thematisieren ließen, und sie gaben politische Empfehlungen. „Söder liegt intuitiv richtig“, schreibt einer, dessen Name im Dokument geschwärzt ist. „Das sich ausbreitende Ohnmachtsgefühl muss wohl durch den Eindruck eines starken staatlichen Interventionismus in Schach gehalten werden.“…
Dort heißt es: „Das RKI geht in einem sehr moderaten Szenario derzeit von einer Letalität von 0,56 Prozent aus. In der weiteren Modellierung wird mit einer Fallsterblichkeit von 1,2 Prozent gearbeitet." Das heißt: Das BMI entschied sich explizit dagegen, nur mit dem zurückhaltenden Wen des RKI zu rechnen – ob wohl Wielers Behörde doch jene ist, die in Deutschland genau dafür zuständig ist: Die Zahlen zu liefern, auf deren Basis die Regierung bei der Planung ihrer Maßnahmen argumentiert.
Stattdessen verwendete das Ministerium für den „Worst Case“ – wie viele würden sterben, liefe das Leben komplett weiter wie vor Corona? – die wirkungsvolleren Zahlen. Das folgt der Logik des Innenministeriums: Weil Seehofers Behörde für die innere Sicherheit des Landes zuständig ist, will man dort stets auf den größten anzunehmenden Schaden vorbereitet sein…
Aus Sicht des Innenministeriums jedenfalls ging das Projekt erfolgreich ins Ziel. Staatssekretär Kerber formulierte am 23. März an die Runde: „Unser Papier kam (…) sehr gut an und wird ob seiner hohen Qualität und Umsicht nun den Weg ins Krisenkabinett der Bundesregierung finden."«
Der gesamte Artikel kann als Scan hier eingesehen werden.
Ebenfalls interessant: Mit-Autor des "Schockpapiers" plaudert und Neues vom Mitverfasser von Seehofers "Schockpapier".
Eine Gemeinsamkeit des Politik- und des akademischen Wissenschaftbetriebes ist, dass beide schmutzige Tagesgeschäftspraktiken beinhalten.
Für manchen etwas unbedarften Beobachter erscheint diese Realität eine neue und schmerzhafte Sichtweise zu eröffnen.
Dieser Preis ist für individuelles Wachstum zu entrichten.
Also, das war nicht kurzfristig "adhoc" geplant. Ich konnte das als Kunde der Arbeitsagentur miterleben. Die war innerhalb weniger Tage nach Beginn des ersten Lockdowns arbeitsfähig. Es gab definitiv eine vorbereitete Notfallplanung der Behörden (vermutlich auch der "essentiellen" Industrien), auf die wurde umgeschaltet.
Woran sie im Voraus nicht gedacht hatten, war die Legitimation für den verlängerten Lockdown – nur darum geht es in dem Paper der Wirtschaftswissenschaftler und China-Lobbyisten. Außerdem ging es darum, der Bevölkerung soviel Angst und Schrecken einzujagen, dass sie freiwillig mitmacht, denn 304 Polizeibeamte auf 100 000 Einwohner kommen nicht weit.
Der einzige Grund, den ich erkennen kann, warum deutsche Industrie und Politik in dieser Art und Weise gemeinsam mit US Tech und China zusammenarbeiten würden, ist der Wirtschaftskrieg mit Donald Trump. Die sind auch alle erkennbar zufrieden mit dem Ergebnis.
Früher hätte sowas mal Konsequenzen gehabt
@Jutta W.
Ich glaube nicht. Seehofer hat "sowas" auch schon früher befürwortet:
https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-bayern-aids-infizierte-zwangsmassnahmen-100.html
WÜRG! Wer ein Rechenmodell braucht, um "mental vor die Lage zu kommen" und "Maßnahmen repressiver Natur" zu planen, ist entweder nicht besonders intelligent, extrem engstinig, phantasielos oder alles gleichzeitig. Da über "reliabel" funktionierende Netze schwadroniert und als Rettungsanker die E‑Mail gesehen wird darf man wohl von "alles gleichzeitig" ausgehen.
"Hohe Qualität"… das Ding strotzt vor falschen Annahmen und verwechselt "Worst Case", also eine Kombination schlecht verlaufender einzelner Variablen mit "Worst Nightmare", d.h. ein völliges Zusammenbrechen aller funktionalen Elemente, auch wenn sie voneinander unabhängig sind . Das ist so, als würde man aus dem Anzünden eines Streichholzes das Abfackeln der gesamten Vegetation des Planeten konstruieren. Ein nettes Gedankenexperiment auf einer feuchtfröhlichen Studentenparty unterer Semester zu fortgeschrittener Stunde, aber als Empfehlungsgrundlage suboptimal. Gut, für unsere promovierte Physikerin reicht es…
Das ist die neue Politik der Prävention und Risikomanagements. Schließlich geht es der EU-Kommission seit 2019 darum alle auf Schocks vorzubereiten.
Das muss man man erst mal durchdenken, was das bedeutet, welche Spirale da in Gang gesetzt worden ist.
Nun, kalter Kaffee „an sich“. Die Frage ist nur warum Springer das jetzt auspackt. Nach meinem subjektiven Eindruck: die rechtskonservative Klientel der Welt schluckt den Corona-Schwindel immer weniger. Man schaue nur mal in die Kommentare bei Reitschuster. Wichtiger aber scheint mir die Tatsache dass Döpfner jetzt auch entdeckt hat dass die Mega-Olgarchen Google, Amazon u.a. dabei sind alle abzufrühstücken, auch Springer.
Und so naiv die Corona-Farce als Gesundheitsproblem zu verstehen sind die wohl nicht.
Konsequenzen gibt es schon seit Jahren nicht mehr.
Minister treten prinzipiell nicht zurück , warum auch. A.
Scheuer u.v.m.
Ist der Ruf erstmal ruiniert lebt es sich ganz ungeniert.
Wir sind den Abgeordneten völlig egal, dummes Stimmvieh weiter nichts.
Also, warum richten wir uns noch nach denen ? Die sind mir schon lange egal.
Ich weiß nicht, was ich widerlicher finde, die Regierung, die Wissenschaftler kauft, um die eigene Bevölkerung ihrer Grundrechte zu berauben (und diese irgendwann vielleicht mal als Privilegien an "besonders wertvolle Menschen" zurück zugeben) oder Wissenschaftler, die sich dafür kaufen lassen. Auffällig dazu auch Aussagen von z.B. Drosten und Brinkmann in letzter Zeit, die teilweise in komplettem Widerspruch zu früheren Aussagen stehen, aber jetzt gerade wunderbar zu Merkels Agenda passen. Wirkt so, als hätte man die Taktik nicht aufgegeben.
"Die gut 200 Seiten an E‑Mails belegen somit, dass die Forscher zumindest in diesem Fall längst nicht so unabhängig agierten wie es Wissenschaftler und Bundesregierung seit Beginn der Pandemie stetig betonen – sondern auf ein von der Politik vorgegebenes, feststehendes Ergebnis hinwirkten. "
Paßt perfekt zu der Erkenntnis der letzten Wochen, daß Merkel sich nicht wissenschaftlich beraten läßt, sondern Wissenschaftler in Haus holt, die ihr Argumente für ihre bereits feststehende politische (nicht wissenschaftliche) Entscheidung liefern sollen.
Wie hieß es letztens so schön bei Twitter: darf ich jetzt meinen Aluhut abnehmen? oder: im Frühjahr wurde ich zum Verschwörungstheoretiker erklärt, jetzt hat mich die BK rehabilitiert.