Dieser Beitrag der Historikers Malte Thießen* erschien 2013 in den "Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte". Viele der damaligen Erkenntnisse klingen aktuell, es begegnen uns RKI und PEI:
»Impfstoff ist knapp, Impfungen selbst sind nicht ungefährlich und deshalb umstritten. So ist es heute – und so war es im 19. Jahrhundert, als die Präventivmedizin noch in den Kinderschuhen steckte. Malte Thießen, Historiker an der Universität Oldenburg, skizziert die Etappen der langen Impfgeschichte, er bietet in seinem facettenreichen Aufsatz aber sehr viel mehr: Im Zentrum steht der Staat als ambitionierter Akteur umfassender Biopolitik, der zur Immunisierung des „Volkskörpers“ lange auf Zwang setzte…«
Seit der Immunisierung gegen Pocken…
»… sind Impfungen in Deutschland ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Genau das macht ihre Geschichte für Historiker interessant. In staatlichen Impfprogrammen schlugen sich Rationalisierungen, Normierungen und „Verwissenschaftlichungen des Sozialen“ nieder. Sie schufen eine „Anthropologie im Gerundivum“ – die Vorstellung von der Notwendigkeit einer Optimierung der Gesellschaft – und begründeten einen staatlichen Erziehungsanspruch gegenüber dem Einzelnen. Schließlich zielten Impfprogramme sowohl auf eine Verbesserung der kollektiven Gesundheitsverhältnisse als auch auf eine Normierung des individuellen Gesundheitsverhaltens. In diesem Sinne sind sie ein Paradefall foucaultscher „Biopolitik“. Zeitgenössisch formuliert gaben sie dem modernen Staat ein Instrument zur Erfassung, Planung und „Veredelung“ des „Volkskörpers“ an die Hand…
Schließlich war die Pockenschutzimpfung seit 1874 für jedes Kind verpflichtend, was den Einsatz von Zwangsmitteln gegen deren Eltern ausdrücklich einschloss.Mit dem Impfzwang begannen die Probleme. Die Immunisierung der Bevölkerung beschäftigte nicht nur Akteure auf allen Ebenen der Gesellschaft. Sie betraf zugleich jeden Einzelnen. Da Pockenschutzimpfungen Nebenwirkungen haben und zu Gesundheitsschäden, in seltenen Fällen gar zum Tod führen konnten, warf ihre zwangsweise Durchsetzung existenzielle Fragen auf: Darf man den Schutz der Allgemeinheit gegen den Willen des Einzelnen erzwingen? Was wiegt schwerer: das Allgemeinwohl, die Angst vor ansteckenden Krankheiten und die Fürsorgepflicht des Staates auf der einen Seite – oder die Bedürfnisse und Befürchtungen des Einzelnen, der Schutz des Staatsbürgers vor Nebenwirkungen und Zwangsmaßnahmen auf der anderen?…
Drei Themenkomplexe stehen im Mittelpunkt dieser Betrachtung: Erstens ist das Impfen ein Untersuchungsgegenstand, der neue Felder der Gesundheits- und Bevölkerungspolitik eröffnet. So scheinen wir über gesundheitspolitische Entwicklungen insbesondere im „Dritten Reich“ zwar bestens informiert zu sein. Wir kennen die „rassenhygienischen“ und erbbiologischen Maßnahmen, die sich in Sterilisationen und „Euthanasie“-Aktionen gegen „Minderwertige“ richteten. Aber wie wirkte sich die NS-Gesundheits- und Bevölkerungspolitik eigentlich unter den „ganz normalen Deutschen“ aus? Welche Rolle spielten die „Volksgenossen“ bei den Planungen zur Immunisierung der „Volksgemeinschaft“? In welchem Verhältnis standen diese Planungen zu früheren Entwicklungen? Was also war neu nach 1933 und was sagt das aus über die Gesellschaft im „Dritten Reich“? An Fallbeispielen aus der NS-Zeit wird es zweitens um Formen der Prävention „vor Ort“, um Impfungen als soziale Praxis gehen, in der sich eine vorsorgende „Volksgemeinschaft“ konstituierte. Der Blick richtet sich damit ebenso auf die Einführung und „Übersetzung“ von Impfprogrammen durch kommunale Akteure wie auf das Verhalten Einzelner, für die das Impfen zu einer persönlichen Sache geriet. Drittens zeichnet sich im Untersuchungszeitraum ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel ab: die Geburt des „präventiven Selbst“ und die Individualisierung von Vorsorge-Strategien. Bislang wurde der Beginn dieser Entwicklung in den 1950er und 1960er Jahren verortet. Seit dem „Paradigmenwechsel“ 1945 habe ein „individualistische[s] Leitbild“ allmählich feste Formen gewonnen. Dieser Aufsatz möchte diese Vorstellung hinterfragen, Martin Lengwilers und Jeanette Madarász‘ Plädoyer für eine langfristige Einordnung dieser Entwicklungen aufgreifen und den Wurzeln des „präventiven Selbst“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachspüren…
1. Zwang zur Vorsorge: Impfen vom Kaiserreich zur Weimarer Republik
Der Krieg gilt als „Vater aller Dinge“. Zumindest für die Pocken trifft diese Weisheit zu, denn die Europäer verstanden eine Immunisierung ihrer Armeen seit dem 19. Jahrhundert immer häufiger als kriegsentscheidende Maßnahme. Welche fatalen Auswirkungen solche militärischen Maßnahmen für die Zivilbevölkerung haben konnten, zeigte sich nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, als geimpfte deutsche Soldaten und französische Kriegsgefangene die Pocken ins Reich einschleppten und zehntausende zivile Opfer zu beklagen waren. Diese Erfahrung wurde im Reichstag aufgegriffen, wo seit Februar 1874 über ein Reichsimpfgesetz diskutiert wurde, das für alle Debatten um die „Impffrage“ in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ den Grundstein legte.
Besonders umstritten war im Reichstag die Einführung eines staatlichen Impfzwanges, gegen den sich zahlreiche Abgeordnete wehrten… Kritisch äußerten sich etwa sozialdemokratische Abgeordnete wie Wilhelm Hasenclever und Otto Reimer. Obgleich man nicht grundsätzlich gegen die „Freiheitsbeschränkung des Einzelnen“ im Dienste der „Volkswohlfahrt“ sei, wie Reimer erklärte, liege beim Impfen „die Sache anders“, da der Impfzwang vom eigentlichen Problem ablenke: „wenn in […] großen Städten ungeimpfte Kinder in Masse sterben, dann ist es nicht gesagt, dass sie darum gestorben, weil sie nicht geimpft worden sind, sondern man kann den Grund nur darin suchen, dass die schlechte Ernährung und die angestrengte Fabrikarbeit der Mutter es nicht dazu kommen ließ, ein gesundes Kind zu gebären und noch viel weniger zu ernähren“. Aus dieser Diagnose zogen die Sozialdemokraten Konsequenzen, die Wilhelm Hasenclever auf den Punkt brachte: „es wird so viel Geld für Kriege bewilligt […] gegen die äußeren Feinde; so mögen Sie hier einmal für die Volkswohlfahrt und gegen den inneren Feind, gegen Epidemien, einige Millionen bewilligen“…
Dabei spielten die Pocken nach dem Ersten Weltkrieg keine große Rolle mehr. Ungleich stärker wurde die Öffentlichkeit von den „Kriegsseuchen“ Ruhr und Typhus oder von Geschlechtskrankheiten bewegt, 1918/19 zudem von der „Spanischen Grippe“, die allein in Deutschland mehr als 200.000 Opfer forderte. Auch die Tuberkulose rückte erneut in den Fokus, gab sie doch die perfekte Projektionsfläche für den krisengeschüttelten Zeitgeist ab. Berichte aus der Nachkriegszeit über Tbc-Erkrankungen lassen sich gleichsam als Metaphern für ein zeitgenössisches Untergangsempfinden lesen, wobei der tuberkulöse Körper für ein schwindsüchtiges Volk stand, dessen Lebenskraft nach dem Aderlass des Krieges und der anschließenden Krise ermattet schien…«
Während in England Impfungen freiwillig wurden, hielt man in Deutschland am Impfzwang fest:
»Bei genauerer Betrachtung lassen sich allerdings fünf Gründe für das Festhalten am Impfzwang anführen. Erstens sollte eine systematische Impfung das Wiederaufleben der Pocken verhindern. Zweitens sah man sich nach Kriegsende in einem „demographischen Übergang“, der sich durch den Verlust von Millionen junger Männer noch zu verschärfen schien. Die Eindämmung der „Volksseuche“ versprach Geländegewinne im Kampf gegen den „Volkstod“, der in Weimar häufig ausgerufen wurde. Der Zwang zum Pockenschutz galt somit als Gebot der Stunde, hatte sich die Impfung im 19. Jahrhundert doch als schlagkräftige Waffe gegen die Kindersterblichkeit erwiesen. Drittens stellte die Pockenschutzimpfung die einzige Immunisierung dar, die auf Reichsebene überhaupt umsetzbar war. In diesem Fall konnte sich die neu gewonnene „Interventionskompetenz“ des republikanischen Sozialstaates breitenwirksam bewähren. Viertens eröffneten Impfprogramme beträchtliche Möglichkeiten sozialer Kontrolle, schließlich wurden Impfungen nicht nur systematisch durchgeführt, sondern auch systematisch dokumentiert. Der Gesundheitsstand der Impflinge und die Entwicklung der Gesundheitsverhältnisse in einzelnen „Impfbezirken“ gingen anschließend in die Reichsstatistik ein. Die Behörden erhielten damit ein präzises, nach Gemeinden und Schichten differenziertes Bild über den Gesundheitsstand der Bevölkerung. Anders gesagt: Mit Hilfe der Pockenschutzimpfung glaubte man die Statur des „Volkskörpers“ und seine Schwachstellen besser sehen zu können. Diese Kontrollmöglichkeit hing damit zusammen, dass Impflinge wegen der befürchteten Komplikationen gründlich untersucht werden mussten. Auch deshalb war die Resonanz auf Zwangsimpfungen unter Ärzten besonders groß. Sie erhielten dank der Impfpflicht sowohl ein regelmäßiges Zusatzeinkommen als auch ein verbrieftes Zugriffsrecht auf die Einwohner ihres Impfbezirks. Der Impfbericht gab schließlich nicht nur Auskunft über den „Impferfolg“, sondern ebenso über das soziale Verhalten, die „Reinlichkeit“ und den Ernährungsstand der Impflinge. Foucaults Worte vom Arzt als „Wächter der öffentlichen Gesundheit und Moral“ sind schon häufig für medizinische Themen strapaziert worden. Den Impfärzten wuchs dank des Impfzwanges diese soziomoralische Stellung tatsächlich zu; ihr vehementes Eintreten für den Impfzwang kann auch damit erklärt werden.
Mit dieser Wechselbeziehung aus Prävention und Professionalisierung hängt eine fünfte Erklärung für die rigide Durchsetzung des Impfzwangs in Weimar zusammen. Die staatlichen Zwangsmaßnahmen und die Macht der Impfärzte waren von Beginn an umstritten, die kritischen Stimmen wurden im Laufe der Zeit jedoch immer lauter. Nach der Revolution von 1918 speiste sich diese Opposition aus sozialdemokratischen und kommunistischen, aber auch aus bürgerlichen und konfessionellen Kreisen, so dass sich in der Impfzwang-Kritik eine parteiübergreifende, allerdings ungemein heterogene Opposition artikulierte.
Zu ihr gehörten Ärzte, Sozialmediziner und ‑politiker wie der Sozialdemokrat Julius Moses, die zwar nicht die Wirksamkeit des Impfens bezweifelten, aber den Nutzen des Impfzwanges. Andere Kräfte dagegen lehnten die Impfungen grundsätzlich ab. Sie organisierten sich in Vereinen wie dem „Deutschen Reichsverband zur Bekämpfung der Impfung“ mit 300.000 Mitgliedern, sie publizierten Zeitschriften, Broschüren und Bücher oder luden zu „Volksversammlungen gegen den Impfwahn“ ein. Solche Agitationen sind in der Forschung gelegentlich als „Sabotage“, als rückständige, ja naive Kritik am Gesundheitswesen abgetan worden. Dagegen hat Eberhard Wolff nachgewiesen, dass sich die Impfgegner aus unterschiedlichen Milieus speisten und mitunter sehr zeitgemäße Positionen vertraten. Unter der Fahne des „Impfgegners“ fanden sich Lebensreformer und Sozialmediziner ebenso zusammen wie Naturheilkundler, Kulturkritiker oder Fortschrittspessimisten, die „der“ Schulmedizin, „dem“ Ärztestand sowie der staatlichen Gesundheitspolitik den Kampf ansagten. Es dürfte deshalb für die zeithistorische Forschung ertragreich sein, Impfkritik als Form einer Protestbewegung zu analysieren, die sich aus einem zeitgenössischen Krisenbewusstsein speiste.
Während aus heutiger Perspektive die Heterogenität der Impfkritiker auf der Hand liegt, fiel es den Verteidigern des Impfzwanges schwer, diese Vielfalt zu erkennen; sie sprachen meist von einer „Bewegung“ der „Impfgegner“. Es war dieses Schreckbild, das die Verteidiger immer enger zusammenrücken ließ. Schließlich schienen die Impfkritiker die Legitimität staatlicher Impfprogramme ebenso in Frage zu stellen wie die Professionalität der Impfärzte…
Seit Mitte der 1920er Jahre mehrten sich jedoch auch unter Ärzten und Medizinalbeamten die Stimmen derer, die sich für ein Ende des Impfzwanges einsetzten. In einer Sitzung des preußischen Landesgesundheitsrats stand im Oktober 1925 die Einführung einer Gewissensklausel zur Diskussion, die nach englischem Vorbild zur prinzipiellen Freiwilligkeit von Impfungen geführt hätte. Von den Befürwortern dieser Klausel waren dabei verschiedene Argumente zu hören, in denen sich das breite Spektrum der Impfkritik entfaltete. Impfungen seien „vom rassehygienischen Standpunkt aus“ zu verwerfen, meinte etwa der spätere Vorsitzende der „Reichsimpfgegnerzentrale“ Wilhelm Winsch. Der Sachverständige Heinrich Böing ging weniger weit. Er wollte nicht das Impfen an sich, jedoch den Zwang abschaffen, zumal im Seuchenfall ohnehin die Möglichkeit zur Zwangsimpfung bestünde. Die Befürworter des Impfzwanges hielten in der Debatte heftig dagegen. Heinrich A. Gins vom Robert Koch-Institut sah in der Gewissensklausel gar ein „Verbrechen an der Volksgesundheit“. Sie untergrabe nicht nur die ärztliche Autorität, sondern erleichtere zudem die Einschleppung der Pocken. Wilhelm Kolle, Leiter des Paul Ehrlich-Instituts, hielt hingegen ein pragmatisches Plädoyer für den Impfzwang: „Es gibt Sachen, die man mit in den Kauf nehmen muss; sie sind leider ein Nebenprodukt der Entwicklungen unserer Verhältnisse, nicht nur der Natur.“…«
In dieser Sitzung setzten sich die Impfzwangbefürworter durch. Es zeigt sich , daß
»… die Problematik des Impfzwanges aber nach wie vor ungelöst war.Das zeigte sich wenige Jahre später in aller Deutlichkeit, als die „Impffrage“ von einem Skandal erneut auf die politische Tagesordnung gesetzt wurde. 1930 starben in Lübeck 77 Kinder nach der Einführung eines Tuberkulose-Impfstoffes, mehr als hundert Kinder erlitten darüber hinaus schwere Gesundheitsschäden. Als „grauenhaftes“ „Lübecker Kindersterben“ und „Säuglingsmorde“ fand der Skandal in die Schlagzeilen der nationalen und internationalen Presse. Zahlreiche Zeitungsredaktionen sandten ihre Berichterstatter gen Norden, um die Schreckensherrschaft des „Herodes von Lübeck“ zu dokumentieren. Dieser Fall steckte für die folgenden Jahre den Rahmen der Debatte ab. Denn obgleich das Unglück „nur“ eine Folge fehlerhaft gelagerten Impfstoffes war und die Tuberkulose-Immunisierung im Reich kaum praktiziert, geschweige denn staatlicherseits angeordnet worden war, standen plötzlich die Gesundheitspolitik im Allgemeinen und die Pockenschutzimpfung im Besonderen auf dem Prüfstand.Angesichts dieser Ereignisse brachte Ministerialdirektor Dammann im Reichsinnenministerium Ende Mai 1930 seine Sorge zum Ausdruck, dass sich mittlerweile „Impfgegner […] in allen Parteien befänden“ und eine „Erörterung des Impfgesetzes im Reichstage zur Einführung einer Gewissensklausel führen“werde…
Besorgt kommentierte ein Landrat aus Aurich diese Entwicklung mit der Beobachtung, dass die Ärzteschaft in den Impflokalen seither schweren Anfeindungen ausgesetzt, ja „der ganze Impfzwang in Frage gestellt“ sei. Entsetzt war auch der Direktor des Hygienischen Instituts der Universität Jena über die „Lockerung der Impfpflicht“. Eine „Abwehr wider impfgegnerische Bestrebungen“, sei seither unmöglich, so dass das „deutsche Volk […] erst einmal wieder schwer von den Pocken heimgesucht werden“ müsse, „bevor es auf diesem Gebiete vernünftigen Überlegungen zugänglich wird“…
2. „Volksgemeinschaft“ und Vorsorge nach der „Machtergreifung“
Aus heutiger Sicht begann das „Dritte Reich“ mit einer Überraschung: 1933 wurde die kurz zuvor liberalisierte Impf-Praxis nicht nur beibehalten, sondern sogar politisch festgeschrieben…
Womit wäre die Zurückhaltung auf diesem wichtigen Feld öffentlicher Gesundheitsvorsorge zu erklären? Weshalb gab man 1933 ausgerechnet bei der Vorsorge für den „Volkskörper“ bisherige staatliche Machtansprüche auf? Die nach wie vor anhaltende Debatte um den Lübecker Impfskandal bietet für damalige Bedenken eine erste Erklärung. Eine zweite liegt in der NS-Ideologie selbst begründet, wirft das Impfen unter „rassenhygienischen“ Gesichtspunkten doch gravierende Probleme auf. Schließlich widerspricht eine Immunisierung gegen Krankheiten aufs Schärfste dem Gedanken von Abhärtung und Auslese.
Das betonten zumindest zahlreiche Impfgegner, die seit der „Machtergreifung“ Morgenluft witterten, zumal sie sich in ihrer Kritik auf Autoritäten aus der NS-Führung berufen konnten. Beliebt war etwa der Verweis auf einen Ausspruch Julius Schleichers, „Die Impfung ist eine Rassenschande“, oder die Behauptung, dass das Reichsimpfgesetz „nachweislich durch die jüdischen Abgeordneten Löwe, Lasker und Eulenburg, die sich als ‚Väter‘ dieses Gesetzes vom 8. 4. bezeichneten, angeregt“worden sei, wie der „Deutsche Impfgegner-Ärztebund e.V.“ im Oktober 1935 mahnte. Eher ungewöhnlich war hingegen die Reimform, in der Ende 1933 die „Blätter für Impfforschung“ eine „Beseitigung des Impfzwanges“ zur „Grundbedingung […] der Aufartung und des Aufstiegs von Volk und Menschheit“ erklärten: „Deutsches Volk, hab‘ nichts mit dem Impfen gemein, / Es ist jeder wahren Gesundheitspflege Hohn, / Und willst Du nicht selbst Dein Totengräber sein, / Dann bekenn‘ Dich entschlossen zur Anti-Vakzi-Nation!".
In der anfänglichen Zurückhaltung beim Impfen schlug sich offenbar ein programmatischer Widerspruch der NS-Gesundheitspolitik nieder: Der Gegensatz zwischen „rassenhygienischen“ Ideen, die auf eine erbbiologische Optimierung zielten, auf der einen Seite; und einer Präventionspolitik auf der anderen, die bevölkerungs- und wehrpolitische Ziele ins Auge fasste...«
Im März 1934 tagte dazu eine Kommission im Reichsinnenministerium. Dort stießen die Meinungen aufeinander. Entscheidend wurde die des Heeres-Sanitätsinspekteurs Anton Waldmann:
»Eine persönliche Entscheidung des „Volksgenossen“ beim Impfen widerspräche „dem Führerprinzip“ und erhöhe damit das Risiko von Seuchenherden „im Volke“, die „im Falle eines uns aufgezwungenen Zukunftskrieges […] das Heer in der Bewegungsfreiheit hinderten“. Diese wehrpolitischen Gründe führten am Ende der Sitzung zu der Erkenntnis, dass gegen die Abschaffung des Impfzwanges nach wie vor Bedenken bestünden. Die Kommission kam somit zu keinem abschließenden Ergebnis, woraus sich allerdings eine wichtige Erkenntnis gewinnen lässt: Für ein Hauptinstrument moderner Bevölkerungspolitik lag 1933 kein Konzept bereit. Um die zeitgemäße Vorsorge wurden nach der „Machtergreifung“ eine ungewöhnlich offene Diskussion geführt…
3. Von der pragmatischen Prävention zur präventiven Innovation: Impfprogramme ab 1935
Währenddessen verlief die Praxis des Impfens in pragmatischen Bahnen. Pockenschutzimpfungen wurden zwar nach wie vor durchgeführt, auf eine rigide Durchsetzung des Impfzwanges verzichtete man jedoch. Auf den ersten Blick schien sich das Mitte 1934 zu ändern. Das Innenministerium nahm bis dahin geltende Lockerungen zurück, Ende des Jahres galt die Pflicht zu Pockenschutzimpfungen offiziell wieder als Leitlinie. In der Praxis allerdings blieb man pragmatisch…
Pointiert gesagt war die „Elastizität“ in der Impffrage… nicht mehr als ein Feigenblatt. Zwar behauptete der NS-Staat offiziell den Zwangs-Charakter von Impfungen und damit seinen Machtanspruch über den „Volkskörper“. In der Praxis jedoch wurde dieser Machtanspruch selten systematisch durchgesetzt, da Verunsicherungen der „Volksgenossen“ unerwünscht waren. 1940 wurde die Elastizität sogar in eine rechtsverbindliche Form gebracht, auf die man sich übrigens bis in die 1970er Jahre berief…
In den Planungen für eine Ausweitung staatlicher Impfprogramme könnte man eine Vorsorge ganz eigener Art sehen, nämlich eine Vorbereitung auf den Kriegsfall. Tatsächlich blieb die Kriegswichtigkeit einer Immunisierung bis Kriegsende ein schlagendes Argument in den verantwortlichen Behörden…
[1935] übernahmen die Ämter bei der Immunisierung des „Volkskörpers“ die Federführung. In Presse und Rundfunk wurden Termine, Ort und Vorteile der Impfungen propagiert. In den Impflokalen erhielten die Ärzte Unterstützung durch NSV [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt , AA] und Sanitäter des Roten Kreuzes, die NS-Frauenschaft kümmerte sich um besorgte Mütter, die Klassenlehrer wiederum führten Karteien über die Impflinge und konnten sich dabei auf die Mithilfe von Polizeibeamten stützen. Gesammelt wurden die Daten in den Gesundheitsämtern, von denen die Ergebnisse auch statistisch aufbereitet wurden. Sie stellten darüber hinaus die Versorgung der Impflokale mit Impfstoffen und Propagandamaterial sicher und gaben Ärzten, Hilfspersonal und der Presse „genaue Anweisung“. Dank dieses ausgeklügelten Systems könne ein Arzt, wie ein Bericht aus Westfalen von 1935 hervorhob, „in einer Stunde etwa 120“ Kinder impfen. In den Folgejahren wurden ständig Verbesserungen in der Koordination erzielt, was sich in Steigerungen der Durchschnittsleistung ausdrückte. So meldete man 1942 aus Hannover, dass in einer Stunde mittlerweile bis zu 400 Kinder „reibungslos abgefertigt werden“ konnten…
So berichteten mehrere Amtsärzte wie jener aus Bottrop im Juli 1938, dass die Aufführung des Films „Vorbeugen ist besser als Heilen“ große Erfolge gebracht habe. Der Aufklärungsfilm war den Gesundheitsämtern von den Behringwerken der I.G. Farben kostenlos zur Verfügung gestellt worden, da für eine „weitestgehende Erfassung der Impflinge […] eine intensive Propaganda erforderlich“ sei, wie das Unternehmen erklärte. Dass auf Seiten der Behringwerke bevölkerungspolitische mit wirtschaftlichen Interessen bei der Effektivierung der Vorsorge zusammenfielen, unterstreichen zahlreiche weitere Angebote, die den Gesundheitsämtern gemacht wurden. Neben farbigen Diapositiven waren es vor allem mehrere Broschüren sowie ein „Schulkinder-Brief“, durch den sich die übliche „Zustimmungserklärung“ der Eltern erfahrungsgemäß umgehen lasse, wie das Begleitschreiben warb. In dieser präventiven Praxis formierte sich also eine „geschlossene Abwehrfront aller maßgeblichen Stellen“, wie ein Beobachter der ersten Diphtherieschutzimpfungen in Westfalen freudig feststellte. Diese geschlossene „Abwehrfront“ war insofern von Bedeutung, als die Maßnahmen ausdrücklich als freiwillig propagiert wurden. Impfungen avancierten damit zu einem gesellschaftlichen Laboratorium, in dem zweierlei erprobt wurde: die Zustimmung der „Volksgenossen“ zu neuen Präventionsprogrammen und die Praxistauglichkeit der Bevölkerungspolitik „vor Ort“…
Die Gleichheit der Behandlung galt selbstverständlich nur in den Grenzen, die von der „Volksgemeinschafts“-Ideologie gezogen wurde. Impfungen für jüdische Kinder kamen bei den Terminen im Gesundheitsamt ebenso wenig in Frage wie die Einbindung jüdischer Ärzte in die präventive Praxis…
Bemerkenswert ist dieser Ausschluss insofern, als er dem Präventionsgedanken widersprach. Schließlich riskierte man mit einer selektiven Vorsorge den Fortbestand von Infektionsquellen. Dass dieses Risiko kein Thema war, unterstreicht den generellen Befund: Beim Impfen ging es immer auch um die Formierung des „Volkskörpers“, hier konstituierte sich die „Volksgemeinschaft“ in der sozialen Praxis vor Ort. Im Mittelpunkt stand nie nur das „eigene Interesse“, sondern ebenso das „der anderen Volksgenossen“, wie ein Münchener Obermedizinalrat hervorhob. Daher folgten Impfungen im „Dritten Reich“ nicht mehr dem Egalitätsprinzip wie in Weimar, sie waren nun ein Akt „volksgemeinschaftlicher“ Mobilisierung. In den Schlangen vor den Impflokalen formierte sich eine „Volksgemeinschaft“ aus Pflichtgefühl, die ihren Beitrag zur Immunisierung des „Volkskörpers“ leistete. Eine „Pflichtvergessenheit gegenüber dem Volksganzen“, den eine Verweigerung des Impfens darstellte, widerspräche dem Ehrgefühl jedes „Volksgenossen“, wie ein Aufruf in Siegen betonte: „Es ist wohl Ehrensache, dass demnächst dem NSV-Blockwalter mit ‚Ja‘ geantwortet wird, wenn er bei seinem Rundgang anfragt, ob Hans und Fritz jetzt schutzgeimpft sind.“ Solche Überhöhungen des Impfens zu einem Dienst an der „Volksgemeinschaft“ bedienten unterschiedliche Interessen. Zum einen intensivierten sie den sozialen Druck, der auch „Impfmüde“ in die Gesundheitsämter getrieben haben dürfte. Zum anderen verklärten sie andere Motive für eine Impfbeteiligung zum Bekenntnis zur „Volksgemeinschaft“: Für einen Großteil der Eltern dürfte die Angst vor der Diphtherie ja immer noch ein wichtigeres Argument für Impfungen gewesen sein als ihr Pflichtgefühl gegenüber dem „Volksganzen“…
Flankiert wurde die Freiwilligkeit nicht nur vom sozialen Druck, den die Stilisierung des Impfens zum Dienst an der „Volksgemeinschaft“ auf den Einzelnen ausübte. Hinzu kam eine massive Instrumentalisierung von Ängsten. Zwar war die Notwendigkeit des Impfens bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik mit Krankheit und Tod begründet worden. Im „Dritten Reich“ allerdings nahm diese Begründungsstrategie neue Ausmaße an. „Immer noch“, warnte beispielsweise ein Flugblatt aus München im Jahr 1941, „fordert die Diphtherie (Halsbräune) ihre jährlichen Opfer. Diphtherie-Todesfälle sind immer besonders schmerzlich und traurig, weil sie in der Regel Kinder treffen, die bis dahin vollständig gesund waren und nun plötzlich aus vollster Gesundheit in wenigen Tagen hin-weggerafft werden. Der Diphtherietod ist ein Herztod oder Erstickungstod.“ „Eltern!“, schloss der Aufruf mit mehreren Ausrufezeichen, „Die Verantwortung, die Ihr tragt, ist groß! Ihr dürft Eure Kinder nicht der Gefahr einer Diphtherieerkrankung aussetzen!“ Der Tonfall und die Verbreitung solcher Appelle waren von neuer Qualität. In allen Teilen des Reiches malten Plakate, Filme, Broschüren und Zeitungen in kräftigen Farben die Gefahren von Seuchen aus. Sie geben Hinweise darauf, dass die Einführung neuer Impfungen neue Legitimationsstrategien erforderte. Anders gesagt: Gerade die Freiwilligkeit beförderte eine Instrumentalisierung der Angst, die auch zweifelnde „Volksgenossen“ überzeugt haben dürfte…
4. Expansion und Prävention: Impfen im totalen Krieg
Dass Kriege mobilisieren und radikalisieren, zeigte sich im „Dritten Reich“ in den schlimmsten Auswüchsen. Beim Thema Impfen hat diese Erkenntnis dazu geführt, dass sich die Forschung vor allem auf einen Aspekt konzentriert hat: Auf Menschenversuche in Konzentrationslagern, in denen Impfstoffe und ‑verfahren erprobt wurden. Diese Verbrechen sind zweifellos ein ebenso wichtiges wie widerliches Kapitel der NS-Geschichte. Die Zeitgeschichte darf dabei dennoch nicht stehen bleiben, sie muss auch nach präventiven Prozessen in der Kriegsgesellschaft und im Militär sowie nach der soziale Mobilisierung fragen, die Impfprogramme bewirkten. Diese Entwicklungen stehen abschließend im Mittelpunkt…
Seit dem Überfall auf die Sowjetunion setzte auch unter den ganz normalen Deutschen ein regelrechter Ansturm auf den Fleckfieber-Impfstoff ein, wie er für keine andere Impfung festzustellen ist. Beispiele für dieses persönliche Bedürfnis sind Initiativen von Einzelpersonen oder Unternehmen, die den Impfschutz in die eigene Hand nahmen. Das Robert Koch-Institut erreichten damals zahlreiche Briefe wie der eines Hamburger Baudirektors, der dringend um „etwas Impfstoff“ für seinen Sohn an der „Leningrader Front“ bat, da dort keine ausreichende Immunisierung durch die Wehrmacht erfolgt sei. Auch Firmen wie die Junkers-Werke wünschten eine „Übersendung von Fleckfieberimpfstoff“ für Mitarbeiter in der Ukraine. Schwieriger zu lösen waren wohl Anfragen wie jene der Reichsbahn, die „Serum für 60.000 Personen“ anfragte…
Selbst wenn Soldaten durch Impfungen geschützt waren, konnten sie zur Bedrohung für ihre Angehörigen werden, waren sie doch trotz ihrer Immunisierung nach wie vor ansteckend, ohne Symptome zu zeigen. Gefährlich für die Heimat wurde zudem der anschwellende Strom an Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die Krankheiten aus Osteuropa einzuschleppen drohten, gegen die im Reich keine natürliche Immunität bestand und gegen die es auch keine staatlichen Impfprogramme gab. Außerdem bereiteten die Bedingungen, unter denen Gefangene und Zwangsarbeiter leben und arbeiten mussten, Krankheiten einen idealen Nährboden. Von diesen schien nach der Expansion der Kriegswirtschaft fast das gesamte Reich bedroht. Nicht mehr allein die Gefangenenlager, jeder einzelne Betrieb, der Zwangsarbeiter beschäftigte, galt nun als potenzieller Seuchenherd. Schließlich brachen in den „eingegliederten“ polnischen Gebieten im Zuge der Deportationen und Ghettoisierungen Epidemien aus, die auf das Altreich übergreifen konnten. Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti warnte Anfang 1942, dass im „Zusammenhang mit der freiwilligen oder unfreiwilligen Wanderung der Juden […] die Krankheit im Generalgouvernement stark verbreitet“ werde; 65.000 Fälle seien bereits gemeldet worden.
Im Reich setzte daraufhin eine hektische Impf-Welle ein. In Betrieben und Arbeitsämtern, in DAF- und Konzentrationslagern wurden Schutzimpfungen gegen Fleckfieber angeordnet. Freilich nur für das „reichsdeutsche Lagerpersonal“, wie die Deutsche Arbeitsfront betonte, da der Impfstoff gegen Fleckfieber an der „Heimatfront“ nach wie vor Mangelware blieb. Irritiert zeigte sich daher das Robert Koch-Institut, als ein Nürnberger Motorenwerk Impfstoff für „3.000 Russen“ anforderte. In seiner Antwort machte das Institut deutlich, dass Impfungen „in erster Linie für Deutsche bestimmt“ seien, die „Behandlung von Russen“ nicht vorgesehen wäre. Zerknirscht räumte das Werk daraufhin ein, dass man „unrichtig“ bestellt habe und eine Impfung der „ausländische[n] Arbeitskräfte […] in keinem einzigen Fall in Frage“ käme…
Letztlich zeichnet sich an den Schwierigkeiten einer Immunisierung gegen Fleckfieber ein grundsätzliches Problem der NS-Gesellschaft ab: Migration und Mobilität im Dienste der Kriegsrüstung waren epidemiologisch gesehen eine Katastrophe. Sie zeigten drastisch, wie groß die Lücken im „Herdenschutz“ waren und evozierten ein alltägliches Bedrohungsgefühl, das allerdings die Attraktivität von Impfungen noch weiter erhöhte. Sich impfen zu lassen, avancierte im Reich zu einem ebenso existenziellen wie exklusiven Bedürfnis, und zwar bevor die ersten Runderlasse eine Schutzimpfung empfahlen. Hier liegt vielleicht die tiefste Wurzel dessen, was man später das „präventive Selbst“ genannt hat: in der kollektiven Angst und dem daraus resultierenden Engagement Einzelner in Zeiten des „totalen Krieges“, der den Impfschutz zur privaten Sache machte…
Die Behringwerke der I.G. Farben… stellten sich umgehend auf den wachsenden Bedarf der „Volksgemeinschaft“ ein und versprachen bei der Einrichtung einer Herstellungsstätte in Lemberg Anfang 1942, dass der Impfstoff „in erster Linie dem Reich und dem Generalgouvernement zur Verfügung“ stehen solle. Eine schnelle Produktionsaufnahme könne garantiert werden, wohl auch, weil Joachim Mrugowsky, Leiter des Hygiene-Instituts der Waffen-SS, Versuche am Menschen zusagte, in denen die Wirksamkeit des Impfstoffs „geprüft werde“. Der anschließende Schriftverkehr zwischen SS-Sanitätsamt, Robert Koch-Institut, Innenministerium und Behringwerken bezeugt den Erfolg dieser Menschenversuche, da von diesen die „Verträglichkeit“ der Impfstoffe bestätigt worden sei.
An dieser Art von „Aufbau Ost“ waren nicht nur die Behringwerke beteiligt, auch andere Unternehmen konnten an „Erweiterungen der Produktionsstätten“ denken… Bereits vor Anlaufen der Produktion hatte ein Bericht des Reichspropagandaministeriums hervorgehoben, dass „aus Prestige-Gründen der Wunsch“ nach Impfstoff-Produktionen bestehe, „um damit die Überlegenheit der deutschen Wissenschaft und Organisation beweisen zu können“. An der Immunisierung des Ostens sollte man gewissermaßen die Leistungskraft des Deutschtums ermessen. Das Impfen galt demnach als Ausdruck deutscher Kulturleistungen, die den unterentwickelten Osten vom Seuchenherd in einen sanierten germanischen „Lebensraum“ verwandeln sollten. Nach der Kriegswende 1943 erwiesen sich solche kolonialen Träume allerdings schnell als Luftschlösser.
Fazit
Die Geschichte des Impfens ist eine Gesellschaftsgeschichte der Moderne. Sie eröffnet dem Zeithistoriker ein Forschungsfeld, auf dem sich grundsätzliche gesellschaftliche Erkenntnisse gewinnen lassen. Schließlich ging es beim Impfen nie allein, oft nicht einmal in erster Linie um Krankheit und Gesundheit. Häufiger ging es um Gesellschafts- und Menschenbilder, um die Klärung staatlicher Pflichten und Ansprüche, um die Normierung individuellen Verhaltens und um eine Verständigung über das Verhältnis von Staat und Staatsbürger bzw. um die Beziehung zwischen „Volkskörper“ und „Volksgenossen“. Eine Geschichte des Impfens beschäftigt sich daher immer auch mit der Aushandlung von Legitimität und Grenzen staatlicher Macht und persönlicher Freiheitsrechte, mit kollektiven Ängsten und individuellen Bedürfnissen…
Die Bemühungen um einen „immunisierten Volkskörper“ zielten auf die Exklusion „Gemeinschaftsfremder“, mehr noch aber auf eine Optimierung der „Volksgemeinschaft“, was der Zustimmung des Volkes ebenso bedurfte wie der Etablierung neuer Strukturen. Der NS-Staat übernahm damit beim Impfen – anders als der autoritäre Interventionismus des Kaiserreichs oder der Weimarer Republik – zunehmend die Rolle einer „appellierenden Instanz“, wie sie ansonsten postmodernen Gesellschaften zugeschrieben wird. Allerdings waren solche Appelle mit beträchtlichem sozialen Druck verbunden und sie fielen nicht zuletzt deshalb auf fruchtbaren Boden, weil in der Bevölkerung die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes vor Diphtherie und Fleckfieber ungleich größer empfunden wurde als der gegen Pocken…
In diesem Sinne ist die Geschichte des Impfens auch eine Geschichte der Gefühle. Einerseits versprachen Impfungen das Ende alter Seuchen-Ängste, die Europa bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in Atem hielten. Andererseits schürte sie auch neue Ängste: die Sorge vor Nebenwirkungen und Impfunfällen oder die Furcht vor einem rigiden Impf-Regime, dem vor allem Kleinkinder ausgesetzt waren.Das Impfen im „Dritten Reich“ kann daher als erzwungene Modernisierung und Individualisierung wider Willen begriffen werden. Der sich verschärfende hygienische Ausnahmezustand, die zunehmenden Migrationsbewegungen, die Rückkehr von Kriegsseuchen, alles das erhöhte die Attraktivität des Impfschutzes im Reich. Hinzu kam der Mangel an Ärzten und Arzneien, so dass immer mehr Deutsche ihre Immunisierung fast zwangsläufig selbst in die Hand nehmen mussten und auf diese Weise zu ihrem „präventiven Selbst“ fanden.«
Auf die Fußnoten des Originaltextes wurde hier verzichtet.
(Hervorhebungen nicht im Original.)
Siehe u.a. auch Robert-Koch-Institut und Faschismus und Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: Weiter kein Problem mit Nazi-Vergangenheit.
* Update: Unverzeihlicherweise hatte ich den Autor in einer ersten Textfassung unterschlagen. Inzwischen hat er sein Wissen verdrängt, siehe
Falls sich jemand mit den – sehr umfangreichen – Unterlagen der Nürnberger Prozesse bezüglich IG Farben und med. Experimente auseinandersetzen möchte:
http://www.profit-over-life.org/guide/index.html
Hier findet man z.B., dass Impfexperimente auch in den KZs durchgeführt worden sind und damals zu den Anklagepunkten gehört haben:
(Punkt 9: "Typhus to investigate the value of different vaccines", Punkt 7: "epidemic jaundice to develop an antitoxin against the disease")
http://www.profit-over-life.org/rolls_887.php?roll=16&pageID=5&expand=no
Für die Durchführung der Menschenversuche, die IG Farben "bestellte", gab es detaillierte schriftliche Anweisungen:
http://www.profit-over-life.org/books/books.php?book=46&pageID=1&expand=no&addPage=0
Vorab kann man hier sein Geschichtswissen bezogen auf die Verbindungen testen:
http://www.profit-over-life.org/know_history/index.php
Empfehlenswert!
Auch damals ging es um die Aufteilung des Marktes, hier: zwischen Rockefeller und IG Farben:
1918
Die Rockefeller-Stiftung nutzte die spanische Grippe-Epidemie – und die Medien (die zu diesem Zeitpunkt bereits kontrolliert wurden) und startete eine Hexenjagd auf alle Formen von Medizin, die nicht durch ihre Patente abgedeckt waren.
Innerhalb der nächsten 15 Jahre wurden alle medizinischen Fakultäten in den USA, die meisten Krankenhäuser und die American Medical Association im wesentlichen Schachfiguren bei Rockefellers Strategie, den gesamten Gesundheitssektor unter das Monopol seines pharmazeutischen Investmentgeschäfts zu stellen.
Als „Mutter Theresa“ verkleidet, wurde die Rockefeller-Stiftung auch dazu genutzt, fremde Länder und ganze Kontinente für das Pharma-Investmentgeschäft zu erobern – so wie es Rockefeller selbst einige Jahrzehnte zuvor mit seinem petrochemischen Investmentgeschäft getan hatte.
1925
Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde in Deutschland das erste chemisch-pharmazeutische Kartell gegründet, um mit Rockefellers Streben nach Kontrolle über den globalen Drogenmarkt zu konkurrieren. Unter Federführung der deutschen multinationalen Konzerne Bayer, BASF und Hoechst wurde das IG Farben-Kartell mit einer Gesamtzahl von über 80.000 Mitarbeitern gegründet. Das Rennen um die globale Kontrolle ging weiter.
1929, 29. November
Das Rockefeller-Kartell (U.S.A.) und die I.G. Farbenkartell (Deutschland) beschlossen, den gesamten Globus wiederum in Interessenssphären aufzuteilen. Eben das gleiche Verbrechen wofür Rockefeller 18 Jahre zuvor verurteilt worden war, als seine Vertrauten die USA in „Interessenszonen“ aufgeteilt hatten.
1932/33
Das ebenfalls unersättliche Kartell der IG Farben beschloss, sich nicht länger an die Beschränkungen von 1929 zu halten. Sie unterstützen einen aufstrebenden deutschen Politiker, der IG Farben verspricht, die Welt militärisch für sie zu erobern. [meine Anmerkung: das kann nicht ganz richtig sein, denn Rockefeller unterstützte Hitler ebenfalls. Deutschland war DAS Versuchslabor für die eugenische Gemeinschaft der Wissenschaftler weltweit] Mit Millionen von Dollars als Wahlkampfspenden, ergriff der Politiker die Macht in Deutschland, verwandelte die deutsche Demokratie in eine Diktatur und hielt sein Versprechen, seinen Eroberungskrieg zu beginnen, ein Krieg, der bald als zweiter Weltkrieg[1] bekannt wurde.
In jedem einzelnen Land fiel Hitlers Wehrmacht ein, der erste Akt bestand darin, die chemische, petrochemische und pharmazeutische Industrie auszurauben und sie dem IG-Farben-Imperium einzuverleiben.
1942 – 45
Um seine weltweite Führungsrolle mit patentierten Medikamenten zu festigen, testet das IG Farben-Kartell seine patentierten pharmazeutischen Substanzen bei KZ-Häftlingen in Auschwitz, Dachau und vielen anderen Standorten. Die Gebühren für die Durchführung dieser unmenschlichen Studien wurden direkt von den Bankkonten von Bayer, Hoechst und BASF auf die Bankkonten der SS, die die Konzentrationslager betrieb, überwiesen.
1945
Der Plan der IG Farben, die globalen Öl- und Drogenmärkte zu kontrollieren, scheiterte. Die USA und die anderen alliierten Streitkräfte gewannen den Zweiten Weltkrieg. Dennoch hatten viele US-Soldaten und alliierte Soldaten während des Konflikts ihr Leben verloren, und die Belohnung der Verbündeten war gering im Vergleich zu den Belohnungen anderer. Die Unternehmensanteile der Verlierer, I.G. Farben, ging an die Rockefeller Trust (U.S.A.) und Rothschild / J.P. Morgan (U.K.).
https://linkezeitung.de/2018/09/13/die-geschichte-des-weltweiten-pharma-kartells/
"Typhus" = Fleckfieber.
Wikipedia: Typhus / Fleckfieber
"Not to be confused with Typhoid fever."
"Typhus, also known as typhus fever, is a group of infectious diseases that include epidemic typhus, scrub typhus, and murine typhus. …
The diseases are caused by specific types of bacterial infection.[1] Epidemic typhus is due to Rickettsia prowazekii spread by body lice, scrub typhus is due to Orientia tsutsugamushi spread by chiggers, and murine typhus is due to Rickettsia typhi spread by fleas."
"Fleckfieber, auch Flecktyphus, Typhus exanthemicus, Kriegspest, Läusefieber, Läusefleckfieber, Lazarettfieber oder Faulfieber, ist eine Infektion mit Mikroorganismen (Bakterien) der Gattung Rickettsien (Rickettsia prowazekii oder Rickettsia prowazeki), die durch Läuse, vor allem die Kleiderlaus, übertragen wird."
@some1
Muss ich mir hierrüber gedanken machen ?
"This online archive has been made possible by the Dr. Rath Health Foundation, a non-profit organization promoting health, peace and social justice globally."
Das ist nicht zufällig der Dr. Matthias Rath ?
https://www.dr-rath-foundation.org/
@ Skeptiker
Keine Ahnung. Stimmt etwas mit den dort verbreiteten Dokumenten nicht? Haben Sie Hinweise, dass sie gefälscht sind?
@some1
Keine Ahnung ob die Angaben stimmen, bin weder Historiker noch habe ich damals bereits gelebt.
Aber sonst sollen wir doch auch immer aufmerksam der Spur des Geldes folgen und alles hinterfragen oder?
Und wenn sie sachliche Fragen mit Gegenfragen beantworten werde ich nur noch skeptischer.
Vielleicht ist es Ihnen auch nur unangenehm, dass mal jemand genauer hinschaut.
@ Skeptiker
Ja, wer weiß, nicht wahr? 🙂
Wenn Sie den Messias suchen, müssen Sie Menschen prüfen. Wenn Sie die Wahrheit suchen, die Tatsachen. Der Untersuchungsgegenstand verrät immer die Bedürftigkeit des Suchenden.
Wenn Sie Quellen bei mir lesen, können Sie tatsächlich nicht davon ausgehen, dass ich die zuvor auf "linke Reinheit" geprüft habe, weil ich tatsächlich Informationen nicht deswegen ablehne, weil sie aus einer aus linker Sicht "bösen" Quelle kommen oder umgekehrt. Ich bin politisch atheistisch: mir sind die dort jeweils vertretenen Götzen egal. Ich glaube weder an Marx noch an Wotan.
Hier belegen sie, was eine linke Quelle (warum hinterfragen Sie die nicht ebenfalls? Sind Sie voreingenommen?) auch behauptet, aber mit Dokumenten aus dem damaligen Prozess noch detaillierter. Da hier die politisch feindlichen Fronten nicht divergieren, scheint mit die Aussage, auf die es mir hier ankommt – medizinische Versuche in Auschwitz auf Bestellung der IG Farben – ausreichend verifiziert.
Aber sonst sollen wir doch auch immer aufmerksam der Spur des Geldes folgen und alles hinterfragen oder?
Wer sagt Ihnen, was Sie "sollen"?
Dr. Wolfgang Wodarg mit einer emotionalen Grußbotschaft an die Spaziergänger. "Gentechnische Grossversuche an der breiten ahnungslosen Bevölkerung. Es wurden Impf-Chargen von Pfizer mit 3000-fach erhöhter Toxizität verspritzt":
https://cdn.lbryplayer.xyz/api/v4/streams/tc/An-die-Spazierga%cc%88nger.mov-on-Vimeo/d3ca98c91e42acd01ed0555c03b5d3bf167b6168/03c0f69028b6b86b8639db5a342666ffdfca9d538b38183007004b9202c59d4d34bf9788bcd284ad42226cbbe57023e0/master.m3u8
Video ist auf allen öffentlichen Plattformen inzwischen gelöscht.
Der Anstieg der Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit den Impfungen: https://multipolar-magazin.de/artikel/ein-sicherheitssignal-wird-ignoriert
Extremisten rufen Pflegepersonal zum „Impfstreik“ auf
27.02.2022
Kritiker der Corona-Maßnahmen, darunter auch Extremisten, protestierten zuletzt auch bei unangemeldeten sogenannten „Spaziergängen“.
Foto: Christophe Gateau / dpa
Das Pflegepersonal soll aus Protest gegen die Impfpflicht kurzzeitig die Arbeit niederlegen. Das ruft Kritik hervor.
Bezahlschranke
https://www.morgenpost.de/berlin/article234684611/Extremisten-rufen-Pflegepersonal-zum-Impfstreik-auf.html
Gericht kippt unvollständigen Impfstatus von Johnson & Johnson-Spritzungen: https://www.tz.de/welt/unvollstaendigen-impfstatus-johnson-johnson-geimpfte-gericht-kippt-zr-91359748.html
Nurmalso nebenbei: Im Sezessionskrieg 1861 bis 1865 ging es um Spekulationsgeschäfte mit Patenten und die Erprobung neuartiger Munition und der neuartigen Waffen die man zügig nachladen konnte, Repetiergewehre und Revolver. Insbesondere um die neuen Repetiergewehre mit dem Kniegelenkverschluß von Winchester. Von wegen also Befreiung der Südstaaten von der Sklaverei!
Und in der Zeit der Prohibition 1920 bis 1933 ging es natürlich auch nur um Spekulationsgeschäfte. Banken und skrupellose Geschäftemacher machten mit dem Alkoholverbot, was die Preise in die Höhe trieb Millionenprofite mit denen der Faschismus in Deutschland vorfinanziert wurde. Dahinter steckt also der Dawesplan.
Leute, Gehirn einschalten!!!
"Besorgt kommentierte ein Landrat aus Aurich diese Entwicklung mit der Beobachtung, dass die Ärzteschaft in den Impflokalen seither schweren Anfeindungen ausgesetzt, ja „der ganze Impfzwang in Frage gestellt“ sei. Entsetzt war auch der Direktor des Hygienischen Instituts der Universität Jena über die „Lockerung der Impfpflicht“. Eine „Abwehr wider impfgegnerische Bestrebungen“, sei seither unmöglich, so dass das „deutsche Volk […] erst einmal wieder schwer von den Pocken heimgesucht werden“ müsse, „bevor es auf diesem Gebiete vernünftigen Überlegungen zugänglich wird“…"
s.o.
Die Angst vor einer Wiederholung der Auswirkungen des "Lübecker Totentanzes" mit grundsätzlciher Beschädigung des "Impfgedankens" ist schon lange einer der gewichtigsten Gründe, warum Impfnebenwirkungen nur so "stiefmütterlich vernachlässigt" untersucht und (nicht-)erfasst werden.
Sehr guter Text. Es ist schon verblüffend wieviel sich von der Historie bis heute erhalten hat.
Ich selbst wurde am Tag meiner Geburt Mitte der 60 iger gegen TBC geimpft. Später fanden Forscher in Indien heraus, dass diese Praxis mehr schadet als nutzt, dennoch wurde diese Impfung in D bis Anfang der 90 er verabreicht.
In Deutschland tut man sich wohl immer schon sehr schwer damit Fehler zu erkennen, einzugestehen und zu beenden.
"henning rosenbusch
@rosenbusch_
Das Neuseeländische Oberste Gericht beendete Jacinda Arderns Impfpflicht mit der Begründung:
"Es ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte".
Hat schon jemand in Deutschland berichtet? Handelt sich um Menschenrechte im Ausland, da darf man doch?
https://newspunch.com/new-zealand-high-court-ends-jacinda-arderns-vaccine-mandate-its-a-gross-violation-of-human-rights/amp/"
https://twitter.com/rosenbusch_
Auf den Artikel habe ich vor einiger Zeit auch hingewiesen, danke für den Hinweis. Allerdings habe ich erfahren, daß der Autor Malte Thießen inzwischen ins "Impf"- und "No Covid"-Lager eingetreten ist. Siehe u. a. https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-844649.html
@Michael: Du weißt doch, daß ich mich gnadenlos aus den Kommentaren bediene! 🙂 Historiker sind alles andere als unfehlbar. Der Unterschied zu seiner an Quellen orientierten wissenschaftlichen Arbeit und dem Video liegt darin, daß er im Video offen politisch wird, was er darf. Ich höre übrigens dort nichts von NoCovid.
Danke für diesen sehr informativen Beitrag.
Ich nehme zur Kenntnis, das die Methoden der "Volkserziehung" und ‑beeinflussung im Wesentlichen wohl zeitlos und unabhängig von der gerade herrschenden Staatsideologie sind.
In Süddeutschland gibt es jetzt die Quasi-Impfpflicht. Mit Quasi-Impfstoff von QuasiTech? https://www.schwaebische.de/sueden/baden-wuerttemberg_artikel,-ohne-impfung-keine-arbeit-_arid,11477617.html
Wobei man hier davon reden muss das es sich um Krankheiten mit Sterblichkeiten 20% PLUS handelt.
Las den Beitrag erst jetzt, sehr informativ, vielen Dank auch den Kommentatoren.