Das unten abgebildete Dokument, das von dem Investigativ-Journalisten Dr. Markus Kühbacher veröffentlicht wurde, müßte schon eine plumpe Fälschung sein, wenn sich daraus nicht notwendig die Frage ableitete, wo und wann die Goethe-Universität in Frankfurt die Wahrheit sagt in Sachen Promotionsverfahren Christian Drosten.
Denn unabhängig von der "Wasserschaden"-Version ergeben sich gravierende Widerspüche:
Seit einigen Tagen sind nach und nach erst ein, dann zwei Exemplare der Dissertation von Christian Drosten im UB-Katalog gelistet worden, etwas später wiederholte sich das mit Einträgen in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB).
Alle diese Exemplare sind ausgeliehen und bis auf weiteres nicht vormerkbar. Sowohl von der UB als auch der DNB werden (nicht ganz identische, mit unterschiedlichen Datumsstempeln versehene und mit verschiedenen Auflösungen gescannte) Inhaltsverzeichnisse als PDF zum Download angeboten (Links dazu hier).
Diese beschreiben in deutscher Sprache den Inhalt der 122-seitigen Arbeit.
Die hier vorliegende Stellungnahme des Pressesprechers der Universität stellt die Arbeit hingegen so dar: Herr Drosten habe nachgewiesen,
»… dass die Ergebnisse seiner Dissertation in drei Teilaufsätzen publiziert worden sind… Da die Titel in englischer Sprache und in englischsprachigen Fachorganen publiziert wurden, fallen sie nicht unter den Sammelauftrag der Deutschen Nationalbibliothek und sind folglich dort auch nicht verzeichnet.«
Sollte dies wahr sein, was zu bezweifeln ist (s.u. und vgl. Drosten und die Übersetzungen – Doktorvater profitiert), wäre dann immer noch zu fragen, was da nun in der Bibliothek steht und warum plötzlich die DNB einen Eintrag anführt. Hinzu kommt, daß eine hier dargelegte kumulative Dissertation in der seinerzeit geltenden Promotionsordnung der Universität nicht vorgesehen war.
Und weshalb hatte der Sachgebietsleiter Information/Anmeldung/Lesesäle der UB auf die Bitte, das im Katalog befindliche Werk als Scan zur Verfügung zu stellen, einen Tag vor der Erklärung seines Pressesprechers nicht etwa auf die Zeitschriftenaufsätze verwiesen, sondern mitgeteilt:
»Aufgrund des geltenden Urheberrechtes können wir nur Scans eines kompletten Werkes vornehmen, wenn der Urheber oder die Urheberin bereits über 70 Jahren tot ist.
Das ist bei diesem Werk nicht der Fall. Daher ist eine vollständige Digitalisierung nicht möglich.
Wir haben 2 Exemplare dieser Dissertation im Bestand: https://hds.hebis.de/ubffm/Record/HEB465078648
Ein Exemplar kann nur an die Lesesäle bestellt und dort genutzt werden, das andere Exemplar ist normal ausleihbar.
Ebenso sind beide Exemplar per Fernleihe bestellbar.«?
Der Online-Katalog der Goethe-Universität bietet eine Suche getrennt nach "Bücher & mehr" und "Artikel & mehr" an. Der Titel der Arbeit von Drosten wird unter den Büchern aufgeführt.
Bei einer Suche nach Artikeln bis zum Jahr 2001 kennt der Katalog diese 4 Titel, die wohl eher nicht in Betracht kommen für die Aussage des Pressesprechers, die drei zur Dissertation gehörenden Teilaufsätze seien "in den meisten deutschen Universitätsbilbiotheken nachgewiesen". Oder sollte ausgerechnet die Frankfurter Bibliothek keinen dieser Titel besitzen?
Es scheint, das Krisenmanagement von Frankfurter Uni und Deutscher Nationalbibliothek sei noch nicht ausgereift.
So geht es weiter: Drosten-Diss.: Entlastungsmaterial für Uni Frankfurt? und Drosten-Dissertation: Wenigstens den Wasserschaden gab es.
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
Das bezweifel ich aber, dass das Verwursten einer deutschen Dissertation in drei englischsprachige Artikel (mit jeweils weiteren Autoren + Peer-Review) die Veröffentlichungspflicht nach §12 I lit. b Promotionsordnung erfüllt.
Die Aussage, dass die Ergebnisse der Dissertation in drei Teilaufsaetzen publiziert wurden, bedeutet NICHT automatisch, dass es sich um eine kumulative Promotion handelt. Eine kumulative Promotion besteht aus einer gewissen Zahl von wissenschaftlichen Artikeln plus eventuell einer Zusammenfassung – das haengt von der jeweiligen Promotionsordnung ab. Eine Monographie kann auf veroeffentlichten Arbeiten beruhen, wenn diese dann der jeweiligen Promotionsordnung entsprechend angegeben wurden. Mich interessiert, ob die Goethe-Universitaet jemals schriftlich oder muendlich hat verlauten lassen, dass es sich hier um eine kumulative Promotion handelt.
Wenn dem nicht so ist, dann besteht kein Widerspruch zwischen der Aussage, dass die Ergebnisse in Veroeffentlichungen vorliegen, und dem Vorliegen einer Monographie.
Interessant bliebe aber in diesem Fall die Frage, warum sich in der der Nationalbibliothek zur Verfuegung gestellten Version kein Hinweis auf die Artikel findet.
Das koennte ich mir dadurch erklaeren, dass die Goethe-Univeristaet – und das waere wirklich ein schwerer Fehler – irgendwelche vorlaeufigen Fassungen der Deutschen Nationalbibliothek zur Verfuegung gestellt hat. Das ist aber reine Spekulation. Auch bleibt natuerlich unklar, wieso trotz frueh einsetzender Digitalisierung bei der Universitaetsbibliothek kein Exemplar der Dissertation zur Verfuegung steht und angeblich ein Wasserschaden diese vernichtet haben soll.
Auf was es mir ankommt: Wurde irgendwo von irgendwem zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich von einer kumulativen Arbeit geredet? Wenn nicht, dann liegt hier zumindest kein Widerspruch vor.
@DerDoktorDoktor: Der Begriff der kumulativen Arbeit kommt nicht vor. Eine solche sah die Promotionsordnung auch nicht vor. Wozu dient der Universität die Erwähnung von drei Teilaufsätzen, die in der Monographie nicht erwähnt werden und die in der UB nicht zur Verfügung stehen?