Auch in Mecklenburg-Vorpommern waren die Zahlen "ungenau"

»Ungenaue Zahlen brin­gen Schwesigs Corona-Politik ins Wanken« ist am 14.1. ein Artikel auf welt​.de (Bezahlschranke) über­schrie­ben, in dem es heißt:

»In Mecklenburg-Vorpommern wur­den Anfang Dezember 2021 auf Basis von unge­nau­en Inzidenz-Zahlen poli­ti­sche Corona-Maßnahmen und Verschärfungen beschlos­sen. Dies erga­ben Recherchen von WELT. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat­te in einer Sondersitzung des Landtags zur Corona-Lage am 3. Dezember 2021 ver­mel­det, die Corona-Inzidenz lie­ge bei Geimpften in Mecklenburg-Vorpommern bei unter 70, bei den Ungeimpften lie­ge sie bei über 1.000. In der zuge­hö­ri­gen Pressemitteilung war sogar von 1.100 die Rede.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport teil­te WELT auf Anfrage mit, dass die Neuinfizierten mit unbe­kann­tem Impfstatus bei der Inzidenzberechnung pau­schal den „Ungeimpften“ zuge­schla­gen wur­den. Für den bei­spiel­haf­ten Stichtag 3. Dezember 2021 betrug die­se Gruppe mit 691 Fällen immer­hin mehr als die Hälfte der Neuinfektionen. 117 Neuinfektionen ent­fie­len auf nach­ge­wie­sen Geimpfte, 403 auf nach­ge­wie­sen Ungeimpfte. Vom 9. Dezember 2021 an sei­en die getrenn­ten Angaben aus dem Lagebericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales „ent­fernt“ wor­den, heißt es aus dem Ministerium. Die Erklärung dafür: Die Gesundheitsämter waren mit den stei­gen­den Infektionszahlen über­for­dert und muss­ten ihre Daten häu­fig ver­teilt über meh­re­re Tage nach­mel­den. Man habe „unvoll­stän­di­ge Darstellungen“ ver­mei­den wol­len, die sich dar­aus erge­ben könnten…

Die Annahme, dass sich Ungeimpfte im Verhältnis häu­fi­ger infi­zier­ten, stimmt – der Unterschied war aber nicht so dra­stisch, wie von Schwesig behaup­tet, die damit die Maßnahmenverschärfung begründete.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern ver­deut­lich­ten die Nachmeldungen, dass die Fälle mit unbe­kann­tem Impfstatus kei­ne homo­ge­ne Gruppe sind: Die nach­träg­lich kor­ri­gier­ten Zahlen (Stand: 12.01.2022) erge­ben mitt­ler­wei­le, dass von den am 3. Dezember gemel­de­ten Neuinfektionen 211 geimpft und 614 unge­impft waren. Bei 385 Fällen ist der Impfstatus immer noch unklar…

Für die Bevölkerung hat­te die Ungenauigkeit der Landesregierung weit­rei­chen­de Folgen: Schwesig nahm die ver­zerr­ten Inzidenzen zum Anlass, sich die Zustimmung des Landtags für „zusätz­li­che Schutzmaßnahmen“ ein­zu­ho­len. Sie ließ die 2G- bezie­hungs­wei­se die 2G-Plus-Regel in vie­len Bereichen ver­län­gern und sorg­te für noch stren­ge­re Kontaktbeschränkungen.

Und auch mit ande­ren fal­schen Zahlen wur­de in Mecklenburg-Vorpommern Politik gemacht: Die Landesregierung hat­te die Auslastung der Intensivstationen in ihrem Corona-Warnstufensystem ver­än­dert, sodass höhe­re Warnstufen frü­her grif­fen. Statt bei der Berechnung der inten­siv­me­di­zi­ni­schen Kapazitäten des Landes alle Intensivbetten ein­zu­be­zie­hen, etwas mehr als 600, hat­te die Landesregierung für Covid-19-Patienten eine Zahl von 100 Betten defi­niert. Damit ent­stand der Eindruck einer höhe­ren Auslastung. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald kipp­te Teile die­ses Corona-Warnstufensystems am 7. Januar 2022…«

4 Antworten auf „Auch in Mecklenburg-Vorpommern waren die Zahlen "ungenau"“

  1. Gleichzeitig kann man aber auch anfüh­ren, dass die berufs­tä­ti­gen Ungeimpften und die (noch unge­impf­ten) Schulkinder täg­lich zu Tests genö­tigt wer­den, wäh­rend sich die Geimpften nur frei­wil­lig testen, wenn sie tat­säch­lich Symptome haben oder einer 2G-plus Freizeit- Beschäftigung nach­ge­hen wollen.
    Bei einer nied­ri­gen Prävalenz in einer Kohorte (- also beim Testen Gesunder, die dann allen­falls "asym­pto­ma­tisch" posi­tiv sind) fal­len die Inzidenzen bekannt­lich oft grob falsch posi­tiv aus und jeder posi­ti­ve Test (Schnelltest +PCR- Test) wird beim Amt gemel­det (also 1- 2 pro Person)!
    Die Geimpften kön­nen hin­ge­gen eine Erfassung ver­mei­den, indem sie sich bei Symptomen zu Hause testen und bei Bedarf krank mel­den, ohne eine Quarantäne zu riskieren.
    Allein dadurch ent­ste­hen absicht­li­che sta­ti­sti­schen Verzerrungen, um die Ungeimpften in die Spritze zu treiben
    und sie schlecht daste­hen zu las­sen‼️

    1. @ D.D.
      Jepp, so ist es. Deswegen ist eine der Tabellen (näm­lich Tabelle 5, Seite 26) im letz­ten Wochenbericht des RKI auch so inter­es­sant. Dort wird die Verteilung der "Omikron-Fälle" auf die Ungeimpften, Geimpften und Gebooooosterten dargestellt.
      Das RKI über­geht das im Text, aber die Verteilung ist ziem­lich nahe an den jewei­li­gen Bevölkerungsanteilen. Die Experten ver­brei­ten, das läge an der ver­rin­ger­ten Impfwirkung gegen Omikron. Nach mei­ner Auffassung kommt genau so gut in Betracht, dass wir bei den Omikronfällen für kur­ze Zeit ein deut­lich weni­ger ver­zerr­tes Bild der Verteilung haben (vie­le Geimpfte haben Erkältungssymptome, die Testwahrscheinlichkeit steigt, dazu kom­men 2G+ Regeln und frei­wil­li­ge Tests). Hätten wir eine sol­che Situation jemals bei den ande­ren Varianten gehabt, hät­te das Ergebnis wahr­schein­lich genau­so ausgesehen.
      Vielleicht kommt auch bei­des zusam­men, schwä­che­re Virusvariante und rea­li­täts­nä­he­re Erfassung. Sei es wie es sei, bis Tristan der Pfosten, Dolle-Haue-Brinkmann und Raketen-Viola das erken­nen (wol­len) läuft noch viel Impfstoff die Nadel runter…

      1. "vie­le Geimpfte haben Erkältungssymptome, die Testwahrscheinlichkeit steigt, dazu kom­men 2G+ Regeln und frei­wil­li­ge Tests"

        Sehr gut erkannt. Das könn­te durch­aus zu einer signi­fi­kan­ten Veränderung im Testverhalten führen.

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