So überschreibt welt.de am 15.10. einen Beitrag. Nun scheint angesichts der aktuellen Zahlen der WHO, nach denen in diesem Sommer und Herbst die Zahl der Grippe-Infizierten dramatisch geschrumpft ist, ein solcher Vergleich zwar plausibel, aber keineswegs dramatisch (s. Dumm für Spahn: Laut WHO ist Influenza kaum sichtbar).
Die Autorin ist besorgt:
»Immer wieder kommt die Frage auf: Wie gefährlich ist Covid-19 überhaupt?
Auch unter Wissenschaftlern wird diese Frage weltweit intensiv diskutiert. Wiederholt gab es kleinere Studien, nach denen das neue Virus nicht sehr viel gefährlicher als die Grippe zu sein scheint… Dabei gibt es inzwischen aus etlichen Ländern große Untersuchungen, die weit aussagekräftiger sind…
Wieso kann es überhaupt einen Streit darüber geben, wie viele Menschen an dem Virus sterben? Weil jede Erhebung, jede Studie immer wieder andere Werte liefert – je nachdem, wann und wo und auf welche Weise man Infizierte und Tote zählt. Immer wieder gibt es Studien mit stark abweichenden Werten, und insbesondere für Deutschland fehlen bislang verlässliche Untersuchungen.«
Das ändert sich jetzt. Denn:
Experten mit dürfte und wahrscheinlich
»Experten aus Deutschland und den USA haben daher für WELT AM SONNTAG eine wahrscheinliche Infektionssterblichkeit für Deutschland berechnet: Demnach dürfte mehr als einer von hundert Infizierten hierzulande sterben.
Auch der internationalen Gesamtschau [so im Original, AA] wird deutlich: Covid-19 ist mindestens zehnmal so tödlich wie die Grippe.«
"Dürfte" folgt der Drostenschen Art zu sprechen.
Korrekt wird zu IFR (Infektionssterblichkeit, auf Englisch infection fatility rate) und CFR (Fallsterblichkeit, case fatality rate) erklärt:
»Das Problem dabei: Bei vielen Menschen verläuft die Infektion harmlos oder sogar ohne Symptome. Viele Infizierte werden deshalb nie getestet, gehen also auch nicht in offizielle Statistiken ein. Die CFR fällt daher zwangsläufig deutlich höher aus als die IFR. Sterben beispielsweise 50 von 1000 positiv getesteten Menschen, dann liegt die Fallsterblichkeit bei fünf Prozent. Haben sich aber in Wahrheit unbemerkt weitere 4000 Menschen infiziert, ergibt das eine Infektionssterblichkeit von nur einem Prozent.«
"Erhebung aus Spanien"
Gestützt auf dieses Wissen bringt das Blatt nun eine "Erhebung aus Spanien", eine "von Experten besonders gelobte Studie". Wer da erhoben hat und welche Experten loben, wird nicht mitgeteilt. Dafür hören wir von recht vielen "Vielleicht", von "Unsicherheiten" und "könnte" – Drosten halt:
»Mehr als 60.000 zufällig ausgewählte Menschen wurden landesweit getestet. Fünf Prozent der Spanier erwiesen sich als bereits infiziert. Rund einer von hundert Infizierten war gestorben. Allerdings bleiben auch hier Unsicherheiten: Vielleicht wurden nicht alle Infektionen vom Antikörpertest erkannt und die Zahl der Infizierten lag sogar noch höher. Vielleicht sind nicht alle Verstorbenen, die vor ihrem Tod positiv auf das Virus getestet worden waren, wirklich am Virus gestorben. In beiden Fällen läge die Infektionssterblichkeit niedriger als ein Prozent. Vielleicht wurden aber auch Corona-Tote übersehen. In Spanien hatte es bis zum Mai rund 27.000 offizielle Todesfälle gegeben, im gleichen Zeitraum waren im Land aber 45.000 Menschen mehr gestorben als erwartbar. Angesichts einer solchen Übersterblichkeit könnte das Virus noch tödlicher sein, als die Berechnung der IFR erfasst hat.«
Am allertödlichsten für die Vernunft ist allerdings diese Art der "Berichterstattung". Ohne den Hauch einer Begründung kommt dann:
»Hört man sich unter Mathematikern und Epidemiologen um, dann stimmen sie Rod Jacksons Argumenten und Schlussfolgerungen zu. "Im Gesamtbild dürfte die IFR zwischen 0,5 und 2 Prozent liegen", urteilt Thomas Hotz, Professor für Statistik an der TU Ilmenau. Das bedeutet, dass unter zweihundert Infizierten ein bis vier Menschen sterben. Und Covid-19 zehn bis zwanzigmal so tödlich ist wie die Grippe, bei die IFR auf 0,05 bis 0,1 Prozent geschätzt wird.«
Zur Rod Jackson gleich. Nett, wie hier zweihundert Infizierte (nehmen wir einmal diesen Begriff an) zur Grundlage genommen werden, um nicht halbe Tote auf einhundert erwähnen müssen. Welche Aussagekraft die Angabe des Statistikers hat, wird deutlich, wenn als Zahl von Infizierten zwei Millionen genommen wird. Dann hätten wir mit 10.000 und 40.000 Toten zu rechnen. Das macht einen gewissen Unterschied. Übrigens ließe sich mit den genannten Prozentzahlen noch mehr Panik erzeugen. Denn 2 Prozent sind gar 40 mal so tödlich wie 0,05 Prozent.
Rod Jackson wurde zuvor so vorgestellt, was zum zweiten Satz des letzten Zitats so wenig paßt wie zu der Studie aus Spanien.:
»Erfahrene Epidemiologen trauen daher eher den großen repräsentativen Studien. Der angesehene neuseeländische Epidemiologe Rod Jackson etwa hält alle Arbeiten, die nicht viele Zufallsstichproben aus mehreren Millionen Menschen und ein paar Hundert Todesfälle beinhalten, für wertlos.«
Die "Levin-Studie". Verblüffendes und Merkwürdigstes
»Warum aber gibt es immer wieder kleinere Studien mit stark abweichenden und manchmal sehr niedrigen Werten? Und warum sterben in Deutschland trotz hoher Fallzahlen bislang nur so wenige Menschen am Coronavirus? Die Antwort auf diese Frage wird besonders gut durch eine Analyse verständlich, die ein Team um Andrew Levin am Dartmouth College in den USA angefertigt hat…
Seine Arbeit wurde noch in keiner Fachzeitschrift veröffentlicht, wird aber unter Fachleuten intensiv diskutiert.«
Der Artikel verlinkt diese Studie nicht, sie kann hier eingesehen werden. Sie beantwortet die gestellte Frage keineswegs, ihr standen schlicht keine Daten aus Deutschland zur Verfügung. Dafür wird vermeintlich Verblüffendes und höchst Merkwürdiges festgestellt:
»Dass das Coronavirus vor allem für ältere Menschen gefährlich ist, weiß man schon länger. Dass der Einfluss des Alters aber so stark ist, verblüfft dann doch. Für sich selbst hat Levin ein Sterberisiko von einem Prozent ermittelt. „Würde ich heute in ein Restaurant gehen und mich infizieren, dann wäre das so, als würde ich für ein Jahr Freeclimbing betreiben, also ohne Seil die Felsen hochklettern“, beschreibt er das Risiko. Für seinen Schwiegervater liege das Sterberisiko im Fall einer Infektion bei vier Prozent. „Da ist so, als hätte er zwei Pistolen mit je zwölf möglichen Schüssen vor sich liegen, in denen nur eine Kugel steckt. Würde er sich infizieren, dann wäre das so, als ob er eine der beiden Pistolen nehmen und an der Schläfe abdrücken würden.“ [so im Original, AA] Entwarnung gibt es seiner Auswertung zufolge für die Jüngeren: Für Menschen unter 30 ist die Infektionssterblichkeit kaum größer als das Risiko, durch einen Unfall tödlich zu verunglücken.«
Herr Levin trägt keinen Aluhut. Deshalb kommt die Autorin nicht auf die Idee, seine geistige Gesundheit zu befragen. Statt dessen resümiert sie:
»Weiß man, wie viele Menschen sich in den jeweiligen Altersgruppen infizieren, dann kann man auch eine mittlere Sterblichkeit für ein ganzes Land errechnen. Für die USA kommt Levin auf eine IFR von derzeit 0,8 Prozent.«
In Deutschland 1,4 Prozent oder auch viel weniger
»Für Deutschland gibt es bislang keine solche Analyse, doch für WELT AM SONNTAG hat Dmitri Jdanov vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung eine Abschätzung gewagt. Anhand von Levins Risikoprofilen und der deutschlandspezifischen Altersstruktur kommt er auf eine IFR von 1,4 Prozent. „Das überrascht nicht, denn Deutschland hat eine ältere Bevölkerung als die USA“, sagt der Mathematiker. Allerdings sei die direkte Übertragung problematisch: „Die Sterblichkeitsrate muss eigentlich länderspezifisch ermittelt werden, denn manche Länder sind erfolgreicher bei der Behandlung von Covid-19, und Deutschland gehört zu den erfolgreichsten.“ Eine deutsche Infektionssterblichkeit von 1,4 Prozent ist daher vielleicht etwas zu hoch gegriffen.«
Die Autorin weiß nicht, was ein "zeitlicher Verlauf" ist:
»Zudem unterscheidet sich die IFR nicht nur von Land zu Land, sie kann auch im zeitlichen Verlauf stark schwanken. Das verdeutlichen zwei Szenarien, die Dmitri Jdanov in Zusammenarbeit mit WELT AM SONNTAG entwickelt hat. In Szenario 1 stecken sich alle Altersgruppen gleichmäßig an, die IFR liegt dann sogar bei 1,7 Prozent. In Szenario 2 stecken sich insgesamt genauso viele Menschen an, doch es gelingt, die Älteren zu schützen.
Die mittlere IFR sinkt dann auf 0,6 Prozent.«
Sie krönt den Artikel mit der Erkenntnis:
»Das neue Coronavirus ist gefährlich, daran besteht kein Zweifel. Allerdings erweist sich die Infektionssterblichkeit bei genauerem Hinsehen als kein fixer Wert. Sie ist keine rein biologische Eigenschaft des Virus. Sie hängt von mindestens zwei Faktoren ab: vom Virus und vom Menschen.«
Die heute vom RKI gemeldeten Zahlen lauten: 348.557 "COVID-19-Fälle" mit 9.734 "COVID-19-Todesfällen". Das wären 2,8 Prozent. Läßt man für den Augenblick die Frage beiseite, wie stimmig die vom RKI genannten Daten sind, so handelt es sich um den "Fall-Verstorbenen-Anteil", der die Dunkelziffer nicht berücksichtigt, sondern von einer willkürlich getesteten Gruppe ausgeht, etwa von Reisewilligen.
Wollte man auf eine IFR von 0,6 Prozent gelangen, müßte es 1,6 Millionen "Fälle" geben. Bei einer IFR von 1,7 Prozent immerhin etwa 572.500.
Nimmt man dagegen den Wert der spanischen Studie von 5 Prozent der Bevölkerung, die bereits infiziert waren und legt ihn auf Deutschland um, dann gibt es hierzulande fast 4,2 Millionen Infizierte. Die IFR läge damit bei etwa 0,2 Prozent. Wie war das noch mit den Grippetoten?
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
In der Tat infizieren sich in manchen Jahren 4–9 Millionen Menschen in Deutschland an einer Grippe. Die Grippe wird oft verharmlost. Wenn die IFR, wie immer behauptet bei 0,1% läge, hätte es bei 25.000 Toten im Jahr 2018 Millionen Infizierte geben müssen. Das entspricht fast einem Drittel der Bevölkerung. Das klingt sehr unwahrscheinlich, denn dann hätte es innerhalb von 3 Monaten mindestens 8 Millionen Menschen gegeben, die mindestens 1 Woche im Bett verbracht hätten. Das hätte dich sicher auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass zumindest die Grippepandemie 2018 eine IFR von 0,5 hatte. Das ist mehr, als Studien, wie die von Streek oder auch Joannidis für Covid-19 ermittelt haben. Die natürliche Sterberate für einen 80-jaerigen beträgt 5%. Einer Statistik des Deutschen Aerzteblatts zufolge ist die Wahrscheinlichkeit an einer Coronainfektion zu versterben 1,2% dieser Gesamtsterblichkeit. Das heiesst: Von 10.000 80-jaerigen Männern versterben 6 an Corona. Anders ausgedrückt sterben 83 mal so viele an einer anderen Erkrankung. Welchem alten Menschen sollte Corona deswegen wohl Angst machen?
Die jungen Angsthasen sollten endlich zur Normalität zurückkehren: Saufen, Tanzen und Sich aneinander reiben.
Zitat:
"Das entspricht fast einem Drittel der Bevölkerung. Das klingt sehr unwahrscheinlich, denn dann hätte es innerhalb von 3 Monaten mindestens 8 Millionen Menschen gegeben, die mindestens 1 Woche im Bett verbracht hätten. Das hätte dich sicher auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht."
Und genau so war es auch. Nur, daß es nicht "1 Woche" war, sondern eher ein Monat und mehr. Ich kann mich noch sehr gut an das Frühjahr 2018 erinnern. An die Wartezimmer voller halbtoter Menschen, daran, daß wir zweimal den Notarzt ins Haus holen mußten, daran, daß einige Radio- und Fernsehsender in Berlin damals ihren Betrieb einstellen oder einschränken mußten, weil sie kein gesundes Personal mehr hatten. Und in anderen Bereichen (ÖPNV etc.) sah es ähnlich aus. Auf den Straßen hat man später niemanden getroffen, der nicht aus seinem Umfeld ähnliches zu berichten gewußt hätte.
Heute kenne ich niemanden, der irgend jemand kennen würde, der schwer an Corona erkrankt wäre.
John Ioannidis aus Stanford, CA, kommt in seiner von der WHO veröffentlichten Metaanalyse (Bulletin of the World Health Organization; Type: Research Article ID: BLT.20.265892) auf eine IFR von 0,09% für Regionen mit weniger als 118 Todesfällen pro Million Einwohner. Für Menschen unter 70 Jahren liegt die Sterblichkeit sogar im weltweiten Median bei 0,05%.
https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf
Wie ist es eigentlich mit der Sterberisiko von 110-Jährigen bei einer Corona-Infektion? Und von 120-Jährigen? Gibt es schon Studien dazu?
Es ist schon erstaunlich, dass es Leute gibt, die ihre Mission darin sehen, die Gefahr durch das Corona Virus kleinzureden. Wahrschenlich nur, damit sie weiterhin excessiv "Party machen" können. "Saufen, Tanzen und Sich aneinander reiben." wie Archimedes schreibt.
Die Seriosität dieser Seite kann man daran erklennen, dass nicht der hier erwünschtenMeinung entsprechende Kommenmtare nicht veröffentlicht werden.
@WoZi:??
Aha! Mein Kommentar von 11:00 wurde zunächst unterdrückt, nach weiterem Kommentar von 11:17 dann aber doch veröffentlicht.
O tempora , o mores!
@WoZi: Genau, es sind die tempora. Wie mehrfach erwähnt, wird es hier keine Beleidigungen und keinen Rassismus irgendwelcher Art geben. Bei mehr als 1.000 Kommentaren ist dies zweimal vorgekommen. Sie wurden nicht veröffentlicht und die Kommentatoren erhielten eine Begründung dafür. Die Prüfung kann dann schon mal 17 Minuten dauern.
@aa:
Ich hoffe, dass ich durch meinen Beitrag von 11:00 niemanden beleidigt habe.
Zur Sache vertiefend das Folgende:
Ich gehe mal davon aus, dass bisher niemand wirklich weiß, wie gefählich das Corona Virus ist.
Meine Frau und ich sind 83 und 84 Jahre.
Meine Frau mit erheblichen das Immunsystem schwächenden Vorerkrankungen.
Lt. Kurve "Sterberate in Prozent" in dem hier behandelten Artikel der WELT beträgt das Sterberisiko im Falle einer Corona-Erkrankung bei mir ca. 7 %, bei meiner Frau ca. 28 %.
Wir gehen (vorsichtshalber) davon aus, dass das so sein könnte und richten uns nach der Empfehlung (!) der Bundeskanzlerin: „Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.“ und wären froh, wenn das auch die "Allgemeinheit" so täte.
Und nun stelle ich fest, dass es eine Internetseite gibt, deren Ziel es ist, die Gefahr durch das Corona Virus kleinzureden und ich frage mich, welche Motive diejenigen haben mögen, die dafür Zeit und Geld aufwenden.
Kann "Party machen" zu können, "saufen, tanzen und sich aneinander reiben.", wie Archimedes es schreibt, wirklich so wichtig sein, dass man – auch ohne es genau zu wissen – die Gefahr klein redet?
Bei rot über die Ampel zu gehen, mit 200 über die Landstraße zu rasen oder ähnliches birgt sicher nur begrenzte Risiken und trotzdem verurteilt fest jeder das. Bei Corona ist das aber anders. Da wird das Risiko kleingeredet. – Alaaf! – Helau! – "Et hätt noch emmer joot jejange."
Und es wird sogar argumentiert, die Alten und Vorerkrankten sterben ja ohnehin. O. k., das überzeugt, da macht es natürlich nichts, wenn ich jetzt mit 84 an Coronma sterbe. Aber: Meine Mutter wurde 102 und hat bis 3 Monate vor ihrem Tod glücklich und zufrieden gelebt. Das wären noch 18 Jahre!
Über den moralischen Anspruch der Menschen mit diesen Gedanken möchte ich mich hier nicht weiter auslassen auslassen.
In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund.