Die linke Tageszeitung "junge Welt" wundert sich heute:
"Am Donnerstag hieß es auf der Homepage der Hamburger Innenbehörde: »Der Verfassungsschutz informiert: Wer an dieser Versammlung teilnimmt, macht sich mit gewaltorientierten Linksextremisten gemein.« In dieselbe Kerbe hatte schon der oberste Staatsschützer der Hansestadt, Claus Cortnumme, laut dem Springer-Blatt Welt am Sonntag gehauen. Man rechne »mit einer heißen Vorweihnachtszeit« und habe die Demonstration am Samstag besonders im Blick.
Selbst für Hamburger Verhältnisse war das ein ungewöhnlich dreister Versuch von Polizei und Geheimdienst, eine angemeldete Kundgebung vorab pauschal zu kriminalisieren und potentielle Teilnehmer abzuschrecken – der aber keinen Erfolg hatte.
Unter dem Motto »Alle zusammen gegen ihre Repressionen« zogen am Samstag mehr als 3.000 Demonstranten vom Hauptbahnhof nach St. Pauli und zeigten ihre Solidarität mit den fünf jungen Angeklagten im Rondenbarg-Prozess, der am Donnerstag vor dem Landgericht begonnen hat (siehe jW vom Freitag). Die Polizei sprach von »in der Spitze« rund 2.000 Demonstranten."
Ähnliche Meldungen – allerdings über "Corona-KritikerInnen" und mit dem Etikett "rechtsextremistisch" – finden sich seit Monaten völlig unkritisch in dem Blatt. Gibt es jetzt etwa eine Erkenntnis, daß der Staatsschutz seit jeher aufmüpfigen Bewegungen "Extremismus" und "Gewalt" anhängen will? Oder eine Erinnerung daran, daß es stets zur Masche der Herrschenden gehört, in diesem Sinne "links" und "rechts" gleichzusetzen?
Weit gefehlt. Auf derselben Seite findet sich ein Artikel, der über eine Protestaktion gegen Querdenker in Düsseldorf berichtet. Ohne Distanz wird der Berliner Innensenator Geisel zitiert:
»Wir beobachten ganz klar extremistische und antisemitische Tendenzen. Deswegen muss auch der Verfassungsschutz sehr genau hinsehen.«
In dem Artikel werden Protestbanner mit Losungen wie "Lieber ein Lappen vor dem Mund als ein Zettel am Zeh" gelobt. Was dort als Antifaschismus dargestellt wird, ist in Wirklichkeit ein Kotau vor den Regierungsmaßnahmen. Extremistisch sind aus dieser Sicht wie der des "Verfassungsschutzes" alle KritikerInnen am Abbau der Grundrechte im Zuge der "Corona-Maßnahmen".
Ein wenig unsicher ist man sich dennoch. Ein Sprecher wird zitiert, der
"… deutlich [bezweifelte], dass eine Überwachung der besagten Szene durch die Inlandsgeheimdienste ein geeignetes Mittel sei, um Verschwörungsideologen und Nazis im Zaum zu halten."
Das Dumme ist, daß er im Kampf gegen "besagte Szene" in einer Front mit den Inlandsgeheimdiensten steht, ob ihm das Bauchschmerzen bereitet oder nicht.
Abgesehen davon gibt es Gründe, kritisch auf die Kundgebung in Düsseldorf zu blicken:
Das gesamte Video hier. Siehe auch Düsseldorf: Querdenken-Demo distanziert sich von rechten Hooligans.
Mit Mellenthin und Bonath gibt es bei der JW mindestens zwei Autoren, die sich auf anderen Kanälen (u.a. Rubikon und der Zeitung des Demokratischen Widerstands) sehr kritisch geäußert haben.
Vermutlich sind es noch viel mehr, allerdings haben die wohl keinen Einfluss auf die Blattlinie.
Wer ist dort eigentlich dafür verantwortlich, wenn ich mal fragen darf?
@Zapata Gag: Na klar gibt es sie, die kritischen Linken. Ihnen sind meist die Publikationen der Linken verschlossen. Auch auf diesem Blog kommen sie zu Wort.
In der jW ist vor allem der Geschäftsführer Koschmieder verantwortlich. Danach kommt lange nix. Das ist seit Jahren das Problem, die sektiererische DKP-Linie hat einige gute Leute aus dem Blatt gedrängt.