Wie wiegt man Corona?

Die­se Fra­ge, ergänzt um den Unter­ti­tel "Über Defi­zi­te und Fehl­ge­wich­tun­gen in der Lock­down-Judi­ka­tur", erör­tert Prof. Dr. Diet­rich Murs­wiek, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor am Insti­tut für Öffent­li­ches Recht an der Uni­ver­si­tät Frei­burg im Breis­gau am 16.3. auf ver​fas​sungs​blog​.de:

»„Leben oder Frei­heit?“ – das ist für man­che Gerich­te die Fra­ge, auf die sie mit ihren Coro­na-Ent­schei­dun­gen eine Ant­wort zu geben suchen. Und auf die­se Fra­ge ant­wor­ten man­che Poli­ti­ker, wenn sie eine neue Lock­down-Ver­län­ge­rung begrün­den. Stellt man die Fra­ge so, kann es nur eine Ant­wort geben. Das Recht auf Leben ist das fun­da­men­tals­te Grund­recht – wer nicht mehr lebt, kann nicht mehr an Demons­tra­tio­nen teil­neh­men, einen Beruf aus­üben oder Kunst­wer­ke schaf­fen. Also ent­schei­den Poli­ti­ker wie Gerich­te in der Coro­na-Pan­de­mie für den Lebens­schutz durch Ein­schrän­kung der Frei­heit. Aber die abs­trak­te Gegen­über­stel­lung der Rechts­gü­ter Leben und Berufs‑, Reli­gi­ons- oder all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit ver­fehlt das bei der ver­fas­sungs­recht­li­chen Lock­down­kon­trol­le zu bear­bei­ten­de The­ma

Die SARS-CoV-2-Epi­de­mie ist eine Seu­che. Nicht der Staat tötet, son­dern das Virus. Es geht um Maß­nah­men der Gefah­ren­ab­wehr, also um Prä­ven­ti­on gegen das Risi­ko, infi­ziert und schwer oder gar töd­lich zu erkran­ken. Um eine Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung vor­neh­men zu kön­nen, muss die Grö­ße die­ses Risi­kos zunächst ermit­telt wer­den. Wie groß ist das Risi­ko, an Covid-19 zu ster­ben? Für den Ein­zel­nen lag die durch­schnitt­li­che Wahr­schein­lich­keit, an Covid-19 zu ster­ben, im Jahr 2020 bei 0,05 Pro­zent. Das ist nicht sehr viel. Bei­spiels­wei­se ist das Risi­ko, an Krebs zu ster­ben, in Deutsch­land mehr als fünf­mal so groß. Aller­dings wis­sen wir nicht, wie vie­le Men­schen ohne die Lock­down-Maß­nah­men gestor­ben wären. Die Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung, die ja ex ante statt­fin­det, ver­langt hier Pro­gno­sen, die aber nicht mit phan­ta­sier­ten Worst-Case-Sze­na­ri­en arbei­ten dür­fen, son­dern empi­ri­sche abge­stütz­te Model­le ver­wen­den müssen…

Beur­teilt ein Gericht die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit einer ein­zel­nen Lock­down-Maß­nah­me, dann ist es falsch, auf der Nut­zen­sei­te den Erfolg des gan­zen Lock­down (also der Sum­me aller Coro­na-Maß­nah­men) auf die Waag­scha­le zu legen, was Gerich­te aber immer wie­der tun. Wird bei­spiels­wei­se eine stren­ge nächt­li­che Aus­gangs­be­schrän­kung ab 20 Uhr ange­ord­net, dann darf in der Abwä­gung als ihr Nut­zen nur die Min­de­rung der Todes­fäl­le berück­sich­tigt wer­den, die dar­auf beruht, dass Men­schen ab 20 Uhr das Haus grund­sätz­lich nicht mehr ver­las­sen dür­fen. Ein Gericht darf sich dann nicht damit begnü­gen fest­zu­stel­len, dass es auch bei einem ein­sa­men nächt­li­chen Spa­zier­gang zu Kon­tak­ten und somit zu Infek­tio­nen und letzt­lich zu Todes­fol­gen kom­men kann, son­dern es muss auch sagen, wie wahr­schein­lich das ist…

Was die Gewich­tung der Todes­fäl­le angeht, kann nicht ein­fach auf die Zahl der „an oder mit“ Coro­na Gestor­be­nen abge­stellt wer­den. Indem das Robert-Koch-Insti­tut (RKI) alle posi­tiv Getes­te­ten als „Coro­na-Tote“ zählt, wer­den uns für die Risi­ko­ein­schät­zung wesent­li­che Infor­ma­tio­nen vor­ent­hal­ten. In wie vie­len Fäl­len Covid-19 tat­säch­lich die Todes­ur­sa­che war, wis­sen wir nicht. Und in den Fäl­len, in denen Covid-19 zum Tod geführt hat, wis­sen wir nicht, wie groß der Kau­sa­li­täts­an­teil war. Die aller­meis­ten „Coro­na-Toten“ sind sehr alt und mul­ti­mor­bid. Die Infor­ma­tio­nen über Alter und gesund­heit­li­che Vor­be­las­tung müs­sen in die Risi­ko­be­ur­tei­lung einfließen. .

Das heißt kei­nes­wegs, dass Covid-19 so harm­los ist wie eine „nor­ma­le“ Grip­pe. Aber wer die weit­rei­chends­ten Frei­heits­ein­schrän­kun­gen seit Bestehen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land mit der beson­de­ren Gefähr­lich­keit der Epi­de­mie recht­fer­ti­gen will, muss zei­gen, um wie­viel gefähr­li­cher die Epi­de­mie im Ver­hält­nis zu einer grö­ße­ren Grip­pe-Epi­de­mie ist. Das aber ist nur mög­lich, wenn man nicht ein­fach Tote mit posi­ti­vem PCR-Test zählt, son­dern wenn man Alter und Vor­er­kran­kun­gen berück­sich­tigt und dann auf die Ver­kür­zung der Lebens­er­war­tung abstellt… 

Die grund­recht­li­che Schutz­pflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG ver­pflich­tet den Staat zum Schutz vor Ein­grif­fen Drit­ter, nicht vor all­ge­mei­nen Lebens­ri­si­ken oder vor Natur­ka­ta­stro­phen. Zum Schutz vor Epi­de­mien ist der Staat ver­fas­sungs­recht­lich kraft des Sozi­al­staats­prin­zips ver­pflich­tet. Dar­aus ergibt sich nicht ein Opti­mal- son­dern ein Mini­mal­schutz, eine Pflicht zur Siche­rung der Exis­tenz­grund­la­gen. Auch wenn man eine prin­zi­pi­el­le Schutz­pflicht bejaht, sagt dies nichts dar­über, wel­che Mit­tel zum Schutz ein­ge­setzt wer­den müs­sen und ein­ge­setzt wer­den dür­fen. Des­halb ist das Bestehen einer Schutz­pflicht für die Abwä­gung im Rah­men der Prü­fung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit des Lock­down irrele­vant. In der Abwä­gung kommt es nicht dar­auf an, ob der Staat zum Lebens- und Gesund­heits­schutz prin­zi­pi­ell ver­pflich­tet ist, son­dern dar­auf, wie groß die kon­kre­te Lebens- und Gesund­heits­ge­fahr ist, der mit den Frei­heits­ein­schrän­kun­gen begeg­net wer­den soll, und wie­viel die­se Frei­heits­ein­schrän­kun­gen zur Ziel­er­rei­chung beitragen.

Zu den Nachteilen und Kollateralschäden des Lockdown

Die Gewich­tung der Frei­heits­ein­schrän­kun­gen ist rela­tiv ein­fach, sofern sie öko­no­misch bewer­tet wer­den kön­nen. Die Schä­den, die aus der Schlie­ßung von Geschäf­ten, Hotels, Gast­stät­ten und vie­len ande­ren Betrie­ben resul­tie­ren, die Schä­den aus Ver­an­stal­tungs­ver­bo­ten oder aus der Schlie­ßung von kul­tu­rel­len Ein­rich­tun­gen las­sen sich im Hin­blick auf die ent­stan­de­nen Ver­lus­te, sal­diert mit staat­li­chen Hilfs­trans­fers, aus­rech­nen. Das gilt auch für Lohn- und Gehalts­ein­bu­ßen infol­ge von Kurz­ar­beit oder Arbeits­lo­sig­keit. Schwie­ri­ger ist es, die öko­no­mi­schen Fol­gen von Kon­kur­sen und Exis­tenz­ver­nich­tun­gen zu erfas­sen. Und noch viel schwie­ri­ger ist es, die imma­te­ri­el­len Schä­den des Lock­down zu ana­ly­sie­ren und zu gewich­ten. Wie gro­ße Ängs­te, wie­viel Leid allein auf­grund der öko­no­mi­schen Exis­tenz­be­dro­hung? Wie­viel wiegt der Bil­dungs­ver­lust bei vie­len Mil­lio­nen von Schü­lern? Wie­viel die mas­si­ven psy­chi­schen Stö­run­gen, die bei Kin­dern durch Iso­lie­rung, durch den Ver­lust der für ihre Ent­wick­lung not­wen­di­gen Kon­tak­te zu andern Kin­dern, durch Ängs­te und exis­ten­ti­el­le Ver­un­si­che­rung ent­stan­den sind?

Wie las­sen sich ideel­le Schä­den bewer­ten, die durch die Schlie­ßung der Kul­tur­ein­rich­tun­gen ent­stan­den sind, durch die Ver­hin­de­rung von Gemein­schafts­er­leb­nis­sen im Kon­takt mit Freun­den, in Ver­ei­nen, in Knei­pen usw.? Das alles ist nicht quan­ti­ta­tiv exakt erfass­bar, aber es darf auch nicht igno­riert wer­den – es gehört in die Stoff­samm­lung für eine Abwä­gung der Vor- und Nach­tei­le des Lockdown.

Bei den Kol­la­te­ral­schä­den der Coro­na-Pan­de­mie sind auch die Toten zu berück­sich­ti­gen, die es ohne die Coro­na-Maß­nah­men nicht gege­ben hät­te: Sui­zi­de auf­grund öko­no­mi­scher Exis­tenz­ver­nich­tun­gen; Todes­fäl­le auf­grund wegen Coro­na auf­ge­scho­be­ner Ope­ra­tio­nen; Todes­fäl­le auf­grund unter­blie­be­ner Behand­lung von Herz­in­farkt- und ande­ren Pati­en­ten, die aus Angst vor Anste­ckung mit SARS-CoV‑2 nicht zum Arzt oder in die Kli­nik gegan­gen sind. Kol­la­te­ral­schä­den haben auch die Opfer häus­li­cher Gewalt im Lock­down erlit­ten, meist Frau­en und Kin­der. Auch das gehört auf die Waage.

Abwägung von Nutzen und Nachteilen

Leben, Gesund­heit, öko­no­mi­sche, psy­chi­sche, ideel­le Fol­gen sind inkom­men­sura­ble Grö­ßen. Es ist nicht mög­lich, die rich­ti­ge Abwä­gungs­ent­schei­dung mit den Com­pu­ter aus­zu­rech­nen. Aber eine Abwä­gung ist defi­zi­tär und des­halb juris­tisch falsch, wenn sie wesent­li­che rele­van­te Abwä­gungs­grö­ßen völ­lig außer Acht lässt.

Wenn es nicht mög­lich ist, die Vor- und Nach­tei­le der Coro­na-Maß­nah­men zu quan­ti­fi­zie­ren, ergibt sich dar­aus ein erheb­li­cher Wer­tungs­spiel­raum der zustän­di­gen Staats­or­ga­ne, hier vor allem der exe­ku­tivi­schen Ver­ord­nungs­ge­ber. Aber die­ser Spiel­raum ist nicht unbe­grenzt. Ein Kor­rek­tiv sind jeden­falls Risi­ko­ver­glei­che. Es ist nicht zumut­bar, dass Frei­heits­ein­schrän­kun­gen mit Schä­den und Fol­ge­schä­den bis­her in Frie­dens­zei­ten unbe­kann­ten Aus­ma­ßes ange­ord­net wer­den, wenn die Risi­ken, die es abzu­weh­ren gilt, nicht in Rela­ti­on zu den Risi­ken, die wir her­kömm­lich ohne staat­li­che Inter­ven­tio­nen hin­neh­men, ganz exor­bi­tant groß sind. Wer meint, dass die­se Vor­aus­set­zung bei Covid-19 erfüllt sei, muss es bewei­sen.«

18 Antworten auf „Wie wiegt man Corona?“

  1. Geert Van­den Bos­sche, DMV, PhD, unab­hän­gi­ger Viro­lo­ge und Impf­stoff­ex­per­te, frü­her tätig bei
    GAVI und der Bill & Melin­da Gates Foundation.

    Offe­ner Brief an die WHO

    https://​dry​burgh​.com/​w​p​-​c​o​n​t​e​n​t​/​u​p​l​o​a​d​s​/​2​0​2​1​/​0​3​/​G​e​e​r​t​_​V​a​n​d​e​n​_​B​o​s​s​c​h​e​_​O​p​e​n​_​L​e​t​t​e​r​_​W​H​O​_​M​a​r​c​h​_​6​_​2​0​2​1​.​pdf

    Er teilt mit das Covid-19- Impf­stoff­emp­fän­ger zuneh­mend zu asym­pto­ma­ti­schen Trä­gern des Virus wer­den, die das Virus ausscheiden.

    Ex-GAVI-Mit­ar­bei­ter sagt, das Geimpf­te das Virus ausscheiden.

    Hat die von eini­gen geplan­te Impf­pass-Agen­da viel­leicht gar kei­ne wis­sen­schaft­li­che Grundlage?

    Wer­den hier von Volks­ver­tre­tern, die dem Grund­ge­setz ver­pflich­tet sind, öffent­lich Dis­kri­mi­nie­rung und Meschen­rechts­ver­stö­ße befür­wor­tet oder gar geplant, indem gefor­dert wird Unge­impf­te in ihrer Bewe­gungs- und Ent­schei­dungs­frei­heit einzuschränken?

  2. Wird bei Coro­na die Ursa­che über­se­hen? | Prof. em. prof. Dr. med. Karl Hecht
    https://​qs24​.tv/​2​0​2​0​/​1​2​/​2​0​/​w​i​r​d​-​b​e​i​-​c​o​r​o​n​a​-​d​i​e​-​u​r​s​a​c​h​e​-​u​e​b​e​r​s​e​h​en/

    Der 96jährige Arzt und hoch­de­ko­rier­te Wis­sen­schaft­ler Pro­fes­sor Karl Hecht aus der ehe­ma­li­gen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik (DDR) hat in einem bereits im Dezem­ber 2020 auf­ge­zeich­ne­ten Inter­view von „QS24​.tv / Natur-Medi­zin“ dar­auf hin­ge­wie­sen, dass bei „Coro­na“ die wah­ren Ursa­chen über­se­hen wer­den. Sie sei eine nor­ma­le Infek­ti­ons­krank­heit, die durch ein gesun­des inne­res Milieu, wozu vor allem ein star­kes Immun­sys­tem gehö­re, gut bewäl­tigt werde.

    Wir wer­den der­zeit mit einem „Poli­ti­kum“ und nicht mit einer Coro­na-Pan­de­mie kon­fron­tiert, so der welt­weit aner­kann­te Pro­fes­sor für Neu­ro­phy­sio­lo­gie. Es hand­le sich um eine „Luft­ver­schmut­zungs- und Elek­tro­smog-Pan­de­mie“, auf die Coro­na „auf­ge­pfropft“ wur­de. Mit der Ver­ab­rei­chung von Vit­amin C (Askor­bin­säu­re) bekä­me man die gegen­wär­ti­ge Infek­ti­ons­er­kran­kung – wie bereits zu DDR-Zei­ten nach dem Zwei­ten Welt­krieg – gut in den Griff. Chi­na hat es schon 2020 erfolg­reich vorexerziert.

    Auch die Angst, die jeden Tag neu geschürt wür­de, sei ein stark krank­ma­chen­der Fak­tor, der zudem eine ver­zwei­fel­te Hilf­lo­sig­keit aus­lö­se. Man müs­se sich immer an der Gesund­heit ori­en­tie­ren, nicht an der Krank­heit. Alle von Poli­ti­kern auf höhe­re Anwei­sung hin ergrif­fe­nen Maß­nah­men wie Frei­heits­be­schrän­kung, Demons­tra­ti­ons­ver­bot und sozia­le Iso­lie­rung sei­en kon­tra­pro­duk­tiv und wei­te­re krank­ma­chen­de Faktoren.

    1. So isses, Dan­ke!!! In Klei­ne Enzy­klo­pä­die Gesund­heit, Bli­blio­gra­phi­sches Insti­tut Leip­zig, 1985 heißt es unter Ande­rem, daß Coro­na­vi­ren zur Grup­pe der Influ­en­za­vi­ren gehö­ren die bekannt­lich die Grip­pe aus­lö­sen und für Erkran­kun­gen der obe­ren Atem­we­ge ver­ant­wort­lich sind.

      Leu­te lest die rich­ti­gen Bücher! Das Staats­fern­se­hen ver­bei­tet Müll!

  3. Der Witz ist der: sie­he Ein­lei­tung der Arti­kels, Prof. Dr. Murs­wiek wen­det sich an die Gerich­te, an Rich­ter oder Verfassungsrichter.

    Wenn man so etwas Gerich­ten erklä­ren muss, in Deutsch­land im 21. Jahr­hun­dert, was soll man da dazu sagen? Ein schlech­ter Witz.

    Nun, wenn es um Bewei­se geht: jeden­falls muss die Exe­ku­ti­ve mit Ihren sog. 'wis­sen­schaft­li­chen' Bera­tern nie­mals bewei­sen, sie hät­te es jemals ernst gemeint damit, die Mass­nah­men sei­en eine (auch grund­ge­setz­lich) gebo­te­ne Reak­ti­on des Staa­tes auf eine Pandemie…ich glau­be nicht, dass sie selbst dar­an glauben…

    Wie die Judi­ka­ti­ve, Legis­la­ti­ve, Aka­de­mi­ker und Wis­sen­schaf­ter wie Ver­bän­de das jemals glau­ben oder anneh­men konn­ten, 'ernst­haft', das wer­den einst nicht die Gerich­te allei­ne auf­ar­bei­ten kön­nen, da braucht man Psy­cho­lo­gen dazu (falls man brauch­ba­re Psy­cho­lo­gen hät­te dazu).

  4. Der Ver­weis auf Arti­kel 2 (2) GG ist wich­tig. Scha­de jedoch, dass Murs­wiek nicht auf die in einem nie dage­we­se­nen Aus­maß ange­grif­fe­ne Men­schen­wür­de ein­geht, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf das BVerfG-Urteil zum Luft­si­cher­heits­ge­setz 2006. Denn dann wür­de sich die Fra­ge eines Abwä­gens gar nicht mehr stel­len. Der Staat darf nicht – auch noch ohne einen Hauch von Evi­denz, auf rei­nen Ver­mu­tun­gen basie­rend, im Rah­men einer Natur­ka­ta­stro­phe (wor­über sich auch strei­ten lässt) – direkt und indi­rekt das Leben der einen gegen das Leben ande­rer abwä­gen; er darf Men­schen auch nicht ver­ob­jek­ti­vie­ren; also durch einen seu­chen­recht­li­chen Gene­ral­ver­dacht nicht die Unschulds­ver­mu­tung auf den Kopf stel­len, indem er jeden ein­zel­nen Men­schen zu einer zu bekämp­fen­den, poten­zi­el­len Lebens­ge­fahr macht. Der Staat darf, vor allem in einer unkla­ren Situa­ti­on, nie­mals ein­grei­fen – und selbst "den Abzug drücken."

  5. Zitat: "Ein Kor­rek­tiv sind jeden­falls Risikovergleiche."

    Bei aller ange­brach­ter Skep­sis gegen­über den bis­he­ri­gen hand­werk­li­chen Manage­ment­leis­tun­gen der gegen­wär­ti­gen Exe­ku­ti­ve bei der Bewäl­ti­gung der Pan­de­mie: Wer den "exe­ku­tivi­schen Ver­ord­nungs­ge­bern" zwi­schen den Zei­len dozie­rend unter­stel­len will, dass die­se in einer sicher auch vom Blog-Ver­fas­ser bis­her nicht gekann­ten Situa­ti­on unzu­rei­chen­de bis nicht situa­ti­ons­ge­rech­te Risi­ko­ver­glei­che anstel­len, um nicht gleich zu pos­tu­lie­ren, dass die­se Risi­ko­ver­glei­che sogar unter­blie­ben, der mag sich trotz aller Vor­bil­dung mit dem Fin­ger auch mal an die eige­ne Stirn tippen. 

    Dies ist dann für den Fach­kom­men­ta­tor selbst zumut­bar, der mit dem eige­nen Rücken gera­de nicht an der "exe­ku­tivi­schen" Wand steht. Dies gilt umso mehr in der jet­zi­gen Pan­de­mie­si­tua­ti­on, die – in der Gesamt­schau der vira­len Angriffs­wel­len und deren gesell­schaft­li­chen Schä­den – mit einer "Frie­dens­zeit" bald nicht mehr viel gemein hat. Dann wäre näm­lich erst ein­mal kei­ne Zeit mehr zu klein­tei­li­gen ver­fas­sungs­recht­li­chen Auf­rech­nen aller Risi­ken für jeden ein­zel­nen Staats­bür­ger und zur Fra­ge der Zumut­bar­keit von Frei­heits­be­schrän­kun­gen für die Gemein­schaft, bevor es über­haupt noch zu einer staat­li­chen Füh­rungs­ent­schei­dung durch Rechts­ver­ord­nung kommt.

    Wie jeden Wis­sen­schaft­ler respek­tie­re ich jeden ehr­li­chen poli­ti­schen Ver­ant­wort­li­chen, der der­zeit nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen und dabei oft auch oft prag­ma­tisch zu ent­schei­den hat und dann auch zu sei­ner Ent­schei­dung steht, bevor er im Dau­er­feu­er der "Bun­des­trai­ner" ent­nervt das Hand­tuch hinwirft. 

    Bei allem gegen­sei­ti­gen Respekt: Dann kön­nen ger­ne auch die Staats­recht­ler bewei­sen, was sie in Pan­de­mie­zei­ten wirk­lich drauf haben. Jedoch wird die Kla­ge gegen eine Frei­heits­be­schrän­kung eine Pan­de­mie weder ver­kür­zen und noch bewäl­ti­gen. Erst danach soll­te man tat­säch­lich auf­klä­ren und sich bis dahin auch mal dar­in üben, sich zurück­zu­neh­men. (Was mir hier selbst auch nicht gelang…)

    Das Ler­nen setzt "lei­der" immer erst nach der Lek­ti­on ein. Davon kann sich kei­ner "Irdi­scher" freisprechen.

    1. @Zeigefinger:
      Net­ter Versuch.
      En Détail:
      Ob (oder wie) die "exe­ku­tivi­schen Ver­ord­nungs­ge­ber (…) unzu­rei­chen­de bis nicht situa­ti­ons­ge­rech­te Risi­ko­ver­glei­che" ange­stellt oder gar unter­las­sen haben, ist natür­lich kaum zu bewei­sen. Aller­dings lässt sich das Niveau auf dem die­se statt­ge­fun­den haben könn­ten, aus diver­sen Leaks durch­aus erra­ten (sei es die eigen­wil­li­ge Aus­le­gung von Ver­fas­sung und Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz, das "Schock­pa­pier", das aus-der-Hüf­te-schie­ßen bay­ri­scher Poli­ti­ker, Inter­views mit dem sakro­sank­tes­ten aller "Exper­ten" = Bera­ter … uvm.) – erst­mal unge­ach­tet des Ver­dachts, dass ande­re "Bun­des­trai­ner" viel­leicht eben­so kläg­lich ver­sagt hätten. 

      Die Exkul­pa­ti­on jener, die "mit dem eige­nen Rücken" gera­de "an der 'exe­ku­tivi­schen' Wand" ste­hen, oder gar als "ehr­li­che poli­ti­sche Ver­ant­wort­li­che" ver­harm­lost wer­den, die "der­zeit nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen und dabei oft auch oft prag­ma­tisch zu ent­schei­den [haben] und dann auch zu [ihrer] Ent­schei­dung [ste­hen], bevor [sie] im Dau­er­feu­er der 'Bun­des­trai­ner' ent­nervt das Hand­tuch hin[werfen]. "
      ist nichts wei­ter als ein ver­län­ger­tes, plat­tes Vox popu­li ("Hät­test du viel­leicht die­se Ent­schei­dung tref­fen wollen?").
      Ange­mes­se­ne Reak­ti­on: Wer für die 'Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung' kan­di­diert hat, gewählt wur­de und dafür gut bezahlt wird, dem soll­te es nicht so ein­fach gemacht wer­den. Basta!

      Die "jet­zi­ge Pan­de­mie­si­tua­ti­on, die – in der Gesamt­schau der vira­len Angriffs­wel­len und deren gesell­schaft­li­chen Schä­den – mit einer 'Frie­dens­zeit' bald nicht mehr viel gemein hat" ist die bedin­gungs­lo­se Kapi­tu­la­ti­on vor der Realität.
      Die 'Frie­dens­zeit' wur­de von einem ech­ten fran­zö­si­schen Staats­prä­si­den­ten sehen­den Auges been­det – die Kriegs­rhe­to­rik pflicht­schul­digst welt­weit (ger­ne?) über­nom­men (wegen der "Ver­ant­wor­tung"??) – dazu pas­sen die "vira­len Angriffs­wel­len" (die man selbst flei­ßig her­bei­gemes­sen hat – auch wenn das von den mathe­ma­tisch Unbe­gab­ten der Exe­ku­ti­ve ent­we­der nicht ver­stan­den oder als wun­der­ba­re Aus­re­de für's eige­ne Ver­sa­gen genutzt wird).

      Das "klein­tei­li­ge ver­fas­sungs­recht­li­che Auf­rech­nen aller Risi­ken für jeden ein­zel­nen Staats­bür­ger" und die Beant­wor­tung der "Fra­ge der Zumut­bar­keit von Frei­heits­be­schrän­kun­gen für die Gemein­schaft, bevor es über­haupt noch zu einer staat­li­chen Füh­rungs­ent­schei­dung durch Rechts­ver­ord­nung kommt." hät­te man inso­fern auch mit einem Schul­ter­zu­cken und einem "C'est la guer­re!" abkür­zen können.
      Eben­so, die ger­ne als Stil­mit­tel genutz­te "Argu­men­ta­ti­on", dass eine "Kla­ge gegen eine Frei­heits­be­schrän­kung eine Pan­de­mie weder ver­kür­zen und noch bewäl­ti­gen" kön­ne. Da ja ein Virus "wütet" und man nicht mit ihm ver­han­deln könne.

      Par­don, nach einem Jahr "Pan­de­mie", die in Deutsch­land (und den meis­ten ande­ren euro­päi­schen Län­dern) NIEMALS die Befürch­tun­gen (auch nicht annä­hernd) bewahr­hei­tet hat, die zum men­schen­ge­mach­ten Aus­bruch der "Maß­nah­men" führ­ten, zählt das nicht mehr als Aus­re­de – oder (Eigen-)Schutzbehauptung.

      ALLE 3 staat­li­chen "Gewal­ten" (+ die soge­nann­te Vier­te) haben zu 90% VERSAGT. PUNKT.

      Fina­le: "auch mal dar­in üben, sich zurück­zu­neh­men. (Was mir hier selbst auch nicht gelang…)".
      Stimmt.
      Si tacuis­ses … ego sum tacuissum 😉

      1. Hin­ter­her schlau sein ist pri­ma, bes­ser aller­dings ist es, vor­her schon schlau zu sein.
        Viren wüten nicht. Viren sind.

        @Zeigefinger: "jeden ehr­li­chen poli­ti­schen Verantwortlichen"
        ein Oxymoron

  6. "Wir machen Feh­ler, wir machen sie immer wie­der, es ist unse­re Natur – wir kön­nen gar nicht anders. Moral, Gewis­sen, gesun­der Men­schen­ver­stand, Natur­recht, über­ge­setz­li­cher Not­stand – jeder die­ser Begrif­fe ist anfäl­lig, sie schwan­ken, und es liegt in ihrer Natur, dass wir uns nicht sicher sein kön­nen, wel­ches Han­deln heu­te rich­tig ist und ob unse­re Über­le­gun­gen mor­gen noch genau­so gelten.
    Wir brau­chen also etwas Ver­läss­li­che­res als unse­re spon­ta­nen Über­zeu­gun­gen. Etwas, wonach wir uns jeder­zeit rich­ten und an dem wir uns fest­hal­ten kön­nen. Etwas, was uns Klar­heit im Cha­os ver­schafft – eine Richt­schnur, die auch in den schwie­rigs­ten Situa­tio­nen gilt. Wir brau­chen: Prinzipien.
    Die­se Prin­zi­pi­en haben wir uns selbst gege­ben. Es ist unse­re Ver­fas­sung. Wir haben uns ent­schlos­sen, jeden Ein­zel­fall nach ihr zu ent­schei­den. Jeder Fall ist an ihr zu mes­sen und an ihr zu prü­fen. An ihr – nicht an unse­rem Gewis­sen, nicht an unse­rer Moral und schon gar nicht an einer ande­ren, höhe­ren Macht. Recht und Moral müs­sen streng von­ein­an­der getrennt werden.

    Nie­mals darf eine »mora­lisch rich­ti­ge« Ein­stel­lung über die Ver­fas­sung gestellt wer­den. Das gilt jeden­falls in einem funk­tio­nie­ren­den demo­kra­ti­schen Rechtsstaat.

    Unse­re Ver­fas­sung ist also eine Samm­lung von Prin­zi­pi­en, die unbe­dingt und immer der Moral, dem Gewis­sen und jeder ande­ren Idee vor­ge­hen muss. Und das höchs­te Prin­zip die­ser Ver­fas­sung ist die Wür­de des Menschen."
    Fer­di­nand von Schirach

  7. Unser Grund­ge­setz (nicht Ver­fas­sung) ist kei­ne Hand­lungs­an­lei­tung für den Staat – aber des­sen Tun muss sich dar­an mes­sen las­sen. Es ist das Abwehr­recht des Bür­gers gegen den Staat, die urei­gent­li­che Aus­for­mung des Rechts­staat­prin­zips.. Das war die Idee damals (so hab ichs gelernt von einem ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten des BVerfG, der nicht von Pap­pe war)

    1. @Herr Brehm: "Im Bewußt­sein sei­ner Ver­ant­wor­tung vor Gott und den Menschen,
      von dem Wil­len beseelt, als gleich­be­rech­tig­tes Glied in einem ver­ein­ten Euro­pa dem Frie­den der Welt zu die­nen, hat sich das Deut­sche Volk kraft sei­ner ver­fas­sungs­ge­ben­den Gewalt die­ses Grund­ge­setz gege­ben." Prä­am­bel des GG (https://​www​.geset​ze​-im​-inter​net​.de/​g​g​/​p​r​_​a​m​b​e​l​.​h​tml)

      1. Ich gehö­re wahr­lich nicht zu denen, die stän­dig nach einer Ver­fas­sung schrei­en, aber was da in der Prä­am­bel steht, ist sach­lich ein­fach falsch. Zur Wie­der­ver­ei­ni­gung hät­te eine sol­che Abstim­mung bzw. eine ver­fas­sungs­ge­ben­de Ver­samm­lung statt­fin­den sol­len. Was – wie wir wis­sen – nie gesche­hen ist. War­um auch immer.

        Im Grun­de muss man aber auch fest­stel­len, dass wir, gera­de in der heu­ti­gen Zeit, defi­ni­tiv nix Bes­se­res als Ver­fas­sung bekä­men. Von den Rege­lun­gen her ist das GG eigent­lich eine gute Ver­fas­sung. Nur lei­der hal­ten sich die drei Gewal­ten nicht an die­ses die­se unmit­tel­bar bin­den­de Recht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.