Ein seit dem 9.2. rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg (Az. 7 OWi 170 Js 112950/20) hat die Verfassungswidrigkeit der baden-württembergischen Corona-Verordnung erklärt. Konkret ging es um den Fall einer Person, die
»… sich mit anderen zu dritt in der Öffentlichkeit aufgehalten und alkoholische Getränke konsumiert [habe], wobei alle drei Personen in verschiedenen Haushalten lebten und auch nicht direkt miteinander verwandt seien.«
Der Betroffene wurde auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Die Richterin führte u.a. aus:
»Der Betroffene war bereits aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da § 3 CoronaVO BW in der Fassung vom 9.5.20 verfassungswidrig und damit nichtig ist.
1. Das Gericht hat über die Verfassungsmäßigkeit der Norm vorliegend selbst zu entscheiden. Vorlagefähig gem. Art. 100 GG sind nur deutsche förmliche Gesetze, d.h. Parlamentsgesetze des Bundes und der Länder einschließlich der Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen (zu letzterem BVerfGE 95, 39 (44)). Da es sich bei der CoronaVO als Rechtsverordnung um rein materielles Recht handelt, hat der Richter über deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht selbst zu entscheiden.
2. § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG i.V.m. § 32 IfSG stellt bereits keine taugliche Ermächtigungsgrundlage dar (a), ferner verstößt die Regelung im Verordnungswege gegen den Parlamentsvorbehalt (b), überschreitet ohnehin den Gestaltungsspielraum der Exekutive © und verstößt insoweit gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, als durch die in schneller Folge vorgenommenen Änderungen der CoronaVO ein verlässlicher und stabiler Ordnungsrahmen für den Bürger nicht mehr gegeben ist (d)…
Die CoronaVO Baden-Württemberg vom 9.5.2020 ist eine dieser Verordnungen, die in ihrem § 3 Abs. 1 S. 1 sämtlichen Bürgern Baden-Württembergs verbietet, sich im gesamten öffentlichen Raum Baden-Württembergs mit Personen aufzuhalten, die nicht dem selben oder einem weiteren Haushalt entstammen.
Mit den Grundsätzen der Gefahrenabwehr (s.o.) hat dies jedoch nichts mehr gemein. Gefahrenprognose und Adressatenauswahl werden derart pauschaliert, dass die Inanspruchnahme eines konkreten Störers zur Bekämpfung einer konkreten Infektionsgefahr an einem abgrenzbaren Ort gänzlich zu Gunsten einer allgemeingültigen und vollkommen abstrakten Einschätzung aufgegeben werden (so auch AG Dortmund, Urteil vom 2. November 2020 – 733 OWi 127 Js 75/20 – 64/20 – juris). § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG wird hierdurch zu einer „Ermächtigung für alles und jedes“ (kritisch hierzu Volkmann, NJW 20, 3153 ff. (3156)). Angesichts der Eingriffsintensität der Maßnahme, die in räumlich und personell nicht eingegrenzter Weise das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG massiv beschneidet, kann dieses Ergebnis nicht überzeugen. Art. 80 Abs. 1 GG verlangt, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Dies gilt umso mehr, je eingriffsintensiver eine Maßnahme ist.
Vergleicht man die Anforderungen an sonstige Eingriffsbefugnisse im Gefahrenabwehrrecht, wie beispielsweise Onlinedurchsuchung oder automatische Erfassung von KfZ-Kennzeichen, mit der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel, wird ein eklatantes Missverhältnis deutlich…
b) Ohnehin verstößt die Regelung gegen den Parlamentsvorbehalt. Für zeitlich, räumlich und vom Adressaten kreis her eng limitierte Maßnahmen konkreter Gefahrenabwehr ist die hier in Rede stehende generalklauselartige Eingriffsermächtigung der §§ 32, 28 Abs. 1 S. 1 IfSG sicherlich ein flexibles und adäquates Instrument – wird jedoch das gesellschaftliche Leben in grundrechtssensibelsten Bereichen im Ganzen wie hier durch die CoronaVO auf nicht vorhersehbare Dauer beschränkt, bedarf es des förmlichen Verfahrens parlamentarischer Gesetzgebung…
Vor diesem Hintergrund kann das in § 3 Abs. 1 S. 1, 2 CoronaVO normierte Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum, das die allgemeine Handlungsfreiheit gern. Art. 2 Abs. 1 GG massiv beschränkt und trotz der in Absatz 3 normierten Ausnahmen zumindest indirekt auch Auswirkungen auf andere Grundrechte wie Berufsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, oder Kunstfreiheit hat, nicht durch Rechtsverordnung geregelt werden sondern ist eine so wesentliche (Abwägungs-) entscheidung, dass sie vom parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen ist…
§ 3 Abs. 1 S. 1 CoronaVO Baden-Württemberg regelt die Frage, mit welchen Personen außerhalb der Angehörigen des eigenen „Haushalts" eine Person sich im öffentlichen Raum aufhalten darf und nennt die Angehörigen eines weiteren „Haushalts". Bereits dieses Abstellen auf Personen, die einem Haushalt, zumeist also einer Familie oder familiären Personengruppe angehören, ist nicht rein infektionsschutzrechtlich begründet. Durch die Ausnahmen des Abs. 3 wird jedoch erst recht evident, dass der Verordnungsgeber umfassende Erwägungen aller möglichen Art angestellt hat, die nicht infektionsschutzrechtlich begründet sind (Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebs, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Daseinsfür- oder ‑vorsorge und der medizinischen Versorgung, der Betrieb von Einrichtungen und die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit). Dies geht weit über das hinaus, was die Exekutive ohne jeglichen parlamentarischen Entscheidungsprozess auf sich gestellt regeln darf und hat mit dem Ausfüllen des vom Gesetzgeber gesteckten Rahmens nichts mehr zu tun. Natürlich muss auch die Exekutive Verhältnismäßigkeitserwägungen anstellen, jedoch ist hier der Gestaltungsspielraum klar überschritten, da eigene Entscheidungen getroffen werden, die weit in die Sachmaterie hineinreichen. Eine Verfassungswidrigkeit des § 3 CoronaVO ist aufgrund dessen ebenfalls gegeben…«
Das Urteil kann hier eingesehen werden.
Update Hier war ursprünglich fälschlich vom AG Stuttgart die Rede. Danke für die Hinweise!
Über den Fall berichtet auch tkp.at: Urteil von deutschen Amtsgericht bezeichnet Corona Verordnung als verfassungswidrig.
Amtsgericht Ludwigsburg, nicht Stuttgart. 😉
@DS-pektiven: Danke und sorry! Korrigiert.
Wer Auszüge zitieren will – ich hab es mal mittels OCR in Textform umgewandelt.
Prima 🙂
Allerdings handelt es sich um das Amtsgericht Ludwigsburg.
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 29.01.2021
nicht AG Stuttgart: https://dejure.org/2021,3508
Danke für das Urteil!
Was? Das kann und darf nicht sein.
Die Richterin ist bestimmt bei der AFD Mitgliedin oder Wählerin oder Sympathisantin oder sie war mal vor zwei Jahren in einem Biergarten, wo auch ein AFD Wähler 8 Tische weiter weg saß. Oder sie ist noch viel schlimmeres.
@Martin F.: Vielleicht ist die einfachste Erklärung, sie versteht etwas von ihrem Fach.
Es muss aber etwas gefunden werden, womit man die Richterin diskreditieren kann.
wird auch Zeit das einige Richter nun endlich mal aus der Deckung kommen. Dieser ganze Unsinn, inklusive der idiotischen "Masken" muss gestoppt werden. Von der ReGIERung kann man nichts mehr erwarten, das sind Irre die in ihrer eigenen Welt leben.
SARS-CoV‑2:
Vollständiger Ausschluss einzelner Klassenstufen von Präsenzbeschulung im Wechselmodell rechtswidrig (Nr. 12/2021)
Pressemitteilung vom 10.03.2021
Das Verwaltungsgericht Berlin hat mehreren Eilanträgen von Schüler/-innen gegen die derzeitigen Regelungen zum pandemiebedingten Schulbetrieb teilweise stattgegeben.
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1062949.php
Eine der wenigen Anwältinnen, die sich wagt, gegen das Unrecht zu klagen!
Leicht positive Entwicklungen sind erkennbar!
Corona-Update 12.03.2021
Erfolg in Bayern,
mündliche Verhandlung am VG Mainz,
Warten auf Kassel,
warum Schnelltests nicht der Anfang vom Ende der Krise sind und Gerichtsentscheidungen, die Hoffnung geben
12. März 2021
4. „Wer negativ ist, soll eine Bescheinigung erhalten und darf an dem Tag beispielsweise shoppen gehen.“[6]
So stellt sich nicht nur Karl Lauterbach die Lösung vor, sondern auch die Stadt Erfurt griff diese Idee auf.
Der Plan des „Erfurter Experiments“:
In der Innenstadt sollen vier oder fünf Teststrecken aufgebaut werden.
Wer frei von Corona ist,
soll ein Bändchen bekommen
und kann dann ungehindert durch die Geschäfte bummeln,
so berichtete der mdr am 04.03.2021.[7]
https://www.ckb-anwaelte.de/corona-update-11–03-2021-erfolg-in-bayern-muendliche-verhandlung-am-vg-mainz-warten-auf-kassel-warum-schnelltests-nicht-der-anfang-vom-ende-der-krise-sind-und-gerichtsentscheidungen-die-hoffnung/
Düren: Eilantrag gegen Verweilverbot und Maskenpflicht in der Innenstadt erneut erfolgreich
12. März 2021
https://www.vg-aachen.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/04_210312/index.php
Eilantrag gegen die generelle Maskenpflicht in der Dürener Innenstadt erfolgreich
9. Februar 2021
https://www.vg-aachen.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/01_210209/index.php
Erstmals (!) gibt es diesen Bericht.
Den Jahresbericht 2020 als digitales Flipbook zum Durchblättern finden Sie hier.
Link:
https://jahresbericht.bundesverfassungsgericht.de/
(Zu den einzelnen Kapiteln gelangen Sie durch Herunterscrollen und Anklicken der Kapitelüberschriften bzw. Seitenzahlen. Eine PDF-Fassung des Jahresberichts können Sie in der Menüleiste unterhalb des Flipbooks unter dem Symbol „…“ abrufen.)
Anmerkung:
„…“ anklicken – Goto First Page – „…“ anklicken – Download PDF File
https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Presse/jahresberichte/jahresberichte.html
Anmerkung:
Blickwinkel zu beachten
"Die Sozietät vertritt verschiedene Bundesländer in den gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Corona-Schutzmaßnahmen. "
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/hauptsache-verfahren-corona-gerichte-entscheidungen-pandemie-verhaeltnismaessigkeit-gleichbehandlung/
Gerichtsentscheidungen in der Pandemie: Hauptsache Corona
Gastbeitrag von Dr. Michael Winkelmüller und Dr. Christian Eckart, LL.M. (Cornell)
14.01.2021
Die Verwaltungsgerichte haben die Corona-Schutzmaßnahmen in Eilverfahren bislang überwiegend bestätigt.
Nunmehr stehen Hauptsacheverfahren an.
Wie die ausgehen könnten, erläutern Michael Winkelmüller und Christian Eckart.
VG Hamburg 9 E 920/21* Beschluss vom 11.03.2021
Erfolgreicher Eilantrag gegen die Maskenpflicht beim Laufen/Joggen an Elbe, Alster und im Jenischpark
https://justiz.hamburg.de/contentblob/14961776/28ccb53945e50f72aeff7655d9fe1097/data/9‑e-920–21-beschluss-vom-11–3‑21.pdf
in:
https://justiz.hamburg.de/vg-aktuelles/
Streit um Corona-Entschädigung
Lockdown-Urteil:
Stuttgarter Richter stellt Verfassungsmäßigkeit von Verboten infrage
FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer
Samstag, 13.03.2021, 18:40
Genau das trifft auf ein Corona-Urteil des Landgerichts Stuttgart zu, das die 7. Zivilkammer bereits am 26. Februar 2021 gefällt hat (Az.: 7 O 285/20).
Zweifel an Verhältnismäßigkeit bestimmter Maßnahmen
Das Landgericht Stuttgart schreibt: Sofern in der Rechtsliteratur „Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der hier in Rede stehenden Maßnahme“ geltend gemacht würden und dabei ein Verstoß gegen Artikel 80 des Grundgesetzes angemahnt werde, könne „man diese Auffassung durchaus teilen“.
Das Gericht bezieht sich dabei explizit auf einen Aufsatz des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Hans-Jürgen Papier in der Deutschen Richterzeitung.
Er trägt den Titel „Freiheitsrechte in Zeiten der Pandemie“.
https://www.focus.de/politik/deutschland/urteil-zu-folgen-der-corona-massnahmen-muss-der-staat-opfer-der-lockdown-politik-entschaedigen-richter-macht-hoffnung_id_13076270.html
Viele Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schränken Grundrechte ein.
Hier beobachten wir die Entwicklungen, beantworten häufige Fragen und bieten rechtliche Einschätzungen.
Unser FAQ wird regelmäßig erweitert und aktualisiert.
https://freiheitsrechte.org/corona-und-grundrechte/
Anmerkung:
Leider ist weder das Aktenzeichen noch das Urteil veröffentlicht.
Richterin am Amtsgericht Ludwigsburg zerpflückt Corona-Verordnung
In einem spektakulären Urteil hat eine Richterin des Ludwigsburger Amtsgerichts die Corona-Verordnung von Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt. Der Angeklagte, der gegen die Abstandsregel verstoßen haben soll, wurde freigesprochen.
https://www.lkz.de/lokales/stadt-ludwigsburg_artikel,-richterin-am-amtsgericht-ludwigsburg-zerpflueckt-corona-verordnung-_arid,628632.html
Maskenpflicht: Stadtverwaltung Ludwigsburg stellt Bußgeldverfahren ein
Ein Vierteljahr hat sich die Stadtverwaltung Zeit gelassen, gestern nun gab sie es bekannt: Alle noch anhängigen 357 Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht werden eingestellt. Der Grund: die unklare Rechtslage. Kürzlich hatte eine Richterin am Amtsgericht einem Mann recht gegeben, der sich gegen seinen Bußgeldbescheid wehrte.
https://www.lkz.de/lokales/stadt-ludwigsburg_artikel,-maskenpflicht-stadtverwaltung-ludwigsburgstellt-bussgeldverfahren-ein-_arid,629274.html
@Hoch lebe das AG Ludwigsburg: Das Aktenzeichen steht im Beitrag.