Das Corona-Panikorchester

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Stephan Ruß-Mohl schreibt in einem Gastbeitrag am 26.10. auf sued​deut​sche​.de unter die­sem Titel u.a.:

»Vorwegzuschicken ist: Ich hal­te mich für kei­nen Verschwörungs­theoretiker und bin sicher kein "Covidiot", der das Virus leug­net. In mei­nem Freundeskreis hat es bis­her einen Covid-19-Fall gege­ben, den lang­jäh­ri­gen Medienredakteur des Tagesspiegel Joachim Huber. Jeder und jede kann sei­ne dra­ma­ti­sche Krankengeschichte nach­le­sen. Sie ist gruselig…

Mich beun­ru­hi­gen seit Monaten die vie­len Trompeter im Corona-Panikorchester. Sie ver­brei­ten Angst und Schrecken. Als Medienforscher beob­ach­te ich mit gro­ßer Sorge den Overkill, mit dem Leitmedien, ins­be­son­de­re das öffent­lich-recht­li­che Fernsehen, aber auch Zeitungen wie SZ oder FAZ, über die Pandemie berich­ten. Meine These: Nicht die Regierenden haben die Medien vor sich her­ge­trie­ben, wie das Verschwörungstheoretiker so ger­ne behaup­ten. Vielmehr haben die Medien mit ihrem gro­tes­ken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum ent­zie­hen konnten.

An manchen Tagen drehten sich bis zu 70 Prozent der Berichte um Corona

Im März und April schnell­te der Anteil der Corona-News in den Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF, "Tagesschau" und "Heute", hoch und beweg­te sich zwi­schen 60 und 75 Prozent, so das Institut für Medienforschung in Köln. Selten sei "ein Thema so stark prä­sent" gewe­sen wie die Pandemie, ergänzt Mark Eisenegger von der Universität Zürich im Blick auf das Nachbarland Schweiz. Auch hier habe sich im ersten Halbjahr 2020 an man­chen Tagen bis zu 70 Prozent der gesam­ten Berichterstattung um die­ses Thema gedreht.

Zum Vergleich: Der Anteil Beiträge zur Klimadebatte habe "in Spitzenzeiten kaum mehr als zehn Prozent der Gesamtberichterstattung" erreicht. Media Tenor, ein wei­te­res Schweizer Forschungsinstitut, das auf Medien-Inhaltsanalysen spe­zia­li­siert ist, hat­te bereits im März fest­ge­stellt, die deut­schen Corona-Berichte sei­en mehr als jene zu den Terrorattacken auf das World Trade Center im Herbst 2001.

Obendrein über­schüt­ten uns die Medien im tag­täg­li­chen Kampf um Aufmerksamkeit ziem­lich hem­mungs­los mit Statistiken zu Corona-Infizierten und ‑Toten. Es ist weit­hin offen­ge­blie­ben, ob letz­te­re am oder nur mit dem Coronavirus ver­star­ben. Aber Angst, ange­steckt zu wer­den, haben ver­mut­lich wir alle bekommen.

Die Berichterstattung wird immer weiter verengt, bis zum Tunnelblick

Die Nachrichtenauswahl ist ja mit die vor­nehm­ste Aufgabe des Journalismus. Es gilt noch immer die Einschätzung des Soziologen Niklas Luhmann, dass wir das, was wir über die Welt wis­sen, aus den Medien erfah­ren – wobei seit­her die sozia­len Netzwerke mit ihren Echokammern hin­zu­ge­kom­men sind. Die Medien ori­en­tie­ren sich, inzwi­schen zum Teil von Algorithmen gesteu­ert, in ihrer Auswahl immer mehr an der Nachfrage der Nutzer. Genau an die­ser Stelle wird die Aufmerksamkeitsökonomie, wel­che die Gesellschaft prägt, zum Verhängnis. Überaufmerksamkeit und ein­sei­ti­ge Fokussierung erzeu­gen beim Publikum Interesse, aber eben auch Angst; die­se Angst gene­riert stei­gen­de Nachfrage nach Corona-News, die inzwi­schen ja online in Echtzeit mess­bar ist. Die Nachfrage wie­der­um ver­lei­tet Redaktionen dazu, die­se zu bedie­nen und die Berichterstattung wei­ter auf die Pandemie hin zu ver­en­gen – bis hin zum Tunnelblick. Alles, was nicht mit Corona zu tun hat, wird über Monate hin­weg nachrangig.

Dummerweise lie­fern unter sol­chen Bedingungen nicht nur Medien, was ihre Nutzer wol­len, son­dern auch Politiker, was ihre Wähler wün­schen. Diese wie­der­um lau­fen, vom Virus ein­ge­schüch­tert, eher dem stram­men Markus Söder hin­ter­her als dem dif­fe­ren­zie­ren­den, manch­mal zau­dern­den Politikertyp eines Armin Laschet. Die Schweizer Ökonomin Margit Osterloh befürch­tet in einem "Weißbuch zur Informationsqualität in Deutschland" (zu dem auch ich etwas bei­steu­ern durf­te), dass sich zusam­men mit Covid-19 ein "Autoritätsvirus" aus­brei­tet: Es gebe eine "bereit­wil­li­ge Selbstentmündigung des Souveräns". Wir hät­ten wider­stands­los hin­ge­nom­men, dass fun­da­men­ta­le Grundrechte ein­ge­schränkt wurden.

Es sind im Übrigen weit­hin die­sel­ben Experten, die vor die Kamera geholt wer­den. Was Virologen, Epidemiologen, Pressesprecher regie­rungs­na­her Forschungsinstitute zulie­fern, kann nicht ange­mes­sen hin­ter­fragt wer­den, denn in vie­len Redaktionen gibt es zu weni­ge Wissenschaftsjournalisten, sprich: Mediziner und Naturwissenschaftler, die für Vielfalt der Quellen sor­gen und die­se ein­ord­nen könnten.

Wie die Medien selbst mit Corona-Informationen umge­hen, bleibt eben­so unter­be­lich­tet. Die ein­schlä­gig spe­zia­li­sier­ten Medienressorts wur­den oft­mals längst aus­ge­dünnt oder weg­ge­spart. Außerdem will man ja nicht das eige­ne Nest beschmut­zen. Während Verschwörungstheoretiker mei­nen, die Medien wür­den von Regierungszentralen oder gar Bill Gates fern­ge­steu­ert, gibt es eine viel näher­lie­gen­de Erklärung für die erstaun­li­che Selbstgleichrichtung der Corona-Berichterstattung: den Herdentrieb. Meine per­sön­li­chen Helden in Zeiten der Pandemie sind des­halb Verhaltensökonomen und Sozialpsychologen, die dem Herdenverhalten unter Bedingungen der Unsicherheit nach­spü­ren. "Groupthink" ist zwar mensch­lich – aber nicht ent­schuld­bar, wenn wir her­kömm­li­che Maßstäbe der Professionalität anle­gen, die den Journalismus lei­ten sollten.

Es wird schwie­rig wer­den, aus der Nummer wie­der her­aus­zu­kom­men. Gefragt wären: mehr Demut vor der Unberechenbarkeit des Virus, mehr Vertrauen in die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger statt staat­li­cher Bevormundung, soweit sie über Abstandsregeln, Hygienetipps und Maskenpflicht hin­aus­geht – aber auch weni­ger Angstmache in den Medien, die mit­tel­fri­stig den News-Totalverweigerern Auftrieb geben wird.«

Eine Antwort auf „Das Corona-Panikorchester“

  1. "In mei­nem Freundeskreis hat es bis­her *einen* Covid-19-Fall gege­ben, den lang­jäh­ri­gen Medienredakteur des Tagesspiegel Joachim Huber. Jeder und jede kann sei­ne dra­ma­ti­sche Krankengeschichte nach­le­sen. Sie ist gruselig…"

    Sie ist gru­se­lig? Ja? Dürfen eigent­lich ein Jahr spä­ter, am 31. Oktober, die Kleinen wie­der Halloween fei­ern und von Haus zu Haus gehen? Oder sind sie – gru­se­lig – wegen schwe­rer "Schutz-Impf"nebenwirkungen krank oder inzwi­schen tot?

    Und darf man an Silvester 2021 auf 2022 Feuerwerksraketen kau­fen, die­se drau­ßen zün­den, selbst wenn man kein Impfzertifikat besitzt? Wer darf über­haupt Silvester fei­ern? Nur 2G oder 1G oder kein G, weil G‑estorben?

    Tja, ich ver­su­che, in die nahe­lie­gen­de Zukunft zu blicken und hof­fe auf das aktu­el­le Rechtsgutachten von Professor Murswiek als Vorlage für sehr vie­le Gerichtsentscheidungen.

    https://​impf​ent​schei​dung​.online/​r​e​c​h​t​s​g​u​t​a​c​h​t​e​n​-​v​e​r​f​a​s​s​u​n​g​s​w​i​d​r​i​g​k​e​i​t​-​i​m​p​f​z​w​a​ng/

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