Afrikanische WissenschaftlerInnen kritisieren WHO

In der Nacht sen­de­te der Deutschlandfunk einen kri­ti­schen Beitrag zum Umgang afri­ka­ni­scher Staaten mit Corona. Darin ist zu hören:

'Ausgangssperren, wohin man schaut: Auch über­all auf dem afri­ka­ni­schen Kontinent sind Bürger gezwun­gen, zuhau­se zu blei­ben – so wie es inter­na­tio­nal emp­foh­len wird. Es ist ein Modell für alle, ob es passt oder nicht. Im Norden erdacht, dem Süden über­ge­stülpt, kri­ti­siert Amy Niang, Dozentin für inter­na­tio­na­le Beziehungen an der Johannesburger Witwatersrand-Universität:
Kein Raum für afri­ka­ni­sche Krisenlösungen

„Afrikanischen Staaten wur­de kei­ne Möglichkeit ein­ge­räumt, einen eige­nen Weg im Umgang mit der Pandemie zu ent­wickeln. Stattdessen gibt die WHO Anweisungen und damit indi­rekt die Länder des Nordens. 

Obwohl die­se Maßnahmen in unse­rer gesell­schaft­li­chen Realität ans Absurde gren­zen: Die Mehrheit der Bevölkerung muss raus, um Geld zu ver­die­nen. Viele sind es auch gewohnt, in Krisenzeiten zu arbei­ten. Auch mit Epidemien haben sie Erfahrung. Wenn es Raum für ande­re Ideen gege­ben hät­te, hät­te man viel­leicht eine ande­re Lösung gefun­den. Aber die glo­ba­le Marschrichtung ist vor­ge­ge­ben und alle müs­sen sich dar­an hal­ten. Das ist aus mei­ner Sicht ein Problem.“

Und sym­pto­ma­tisch für das glo­ba­le Kräfteverhältnis. Die Zeit sei reif für einen radi­ka­len Wandel, lau­tet die zen­tra­le Botschaft ihres offe­nen Briefes. Amy Niang hat ihn gemein­sam mit dem sene­ga­le­si­schen Ökonomen Ndongo Sambal Sylla und Lionel Zevounou ver­fasst, der in Paris Jura lehrt. Über ein­hun­dert afri­ka­ni­sche Intellektuelle vom Kontinent und aus der Diaspora haben die­sen Appell mitt­ler­wei­le unter­schrie­ben. Darunter auch die Chemie-Professorin Karine Ndjoko Ioset, deren Leben sich zwi­schen der Schweiz, der Universität in Würzburg und der Demokratischen Republik Kongo abspielt, wo sie ein Stipendienprogramm leitet.

„Die poli­ti­sche Führung in Afrika ist kom­plett von dem abge­kop­pelt, was an der Basis geschieht, von der Bevölkerung und ihren Prioritäten. Wenn sie krank wer­den, flie­gen sie zur Behandlung ins Ausland, dort stu­die­ren auch ihre Kinder. Aber jetzt stecken sie selbst fest, jedes Land ist auf sei­ne eige­ne Infrastruktur ange­wie­sen und die Probleme sind unüber­seh­bar. Nicht nur was die Infrastruktur, son­dern auch die Bildung angeht. Es gibt Expertise und Erfahrungswerte auf dem Kontinent, aber sie wer­den nicht gebün­delt. Darüber soll­ten wir nach­den­ken und zwar auf pan­afri­ka­ni­scher Ebene.“

Panafrikanischer Austausch zur Stärkung des Kontinents

Diese Forderung wird auch im zwei­ten Brief afri­ka­ni­scher Intellektueller laut, den auch die in Europa bekann­ten Vordenker in der Dekolonisierungs-Debatte Achille Mbembe und Felwine Sarr unter­zeich­net haben…

„Die glo­ba­len Regierungsstrukturen sind von Natur aus zutiefst unge­recht und zer­stö­re­risch für afri­ka­ni­sche Ökonomien. Afrika expor­tiert Rohstoffe zu Preisen, die es selbst nicht kon­trol­liert. Die mei­sten afri­ka­ni­schen Staaten geben einen Großteil ihrer Budgets zur Schuldentilgung aus. Auf Kosten eige­ner Infrastruktur. Maschinen und Fachleute kom­men oft aus dem Ausland und müs­sen mit Devisen bezahlt wer­den. Es muss also eine Reform auf glo­ba­ler Ebene geben. Denn selbst dem durch­set­zungs­fä­hig­sten afri­ka­ni­schen Präsidenten wird es nicht gelin­gen, die Bedingungen des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank zu ändern. Ich spre­che also von einer tek­to­ni­schen Veränderung.“'

Textzusammenfassung hier. Von dort aus ist der Beitrag auch zu hören.

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