Da es Nachfragen gab zu den drei Teilaufsätzen, die die Goethe-Universität in einer ihrer Varianten zur Dissertation von C. Drosten für die Veröffentlichung hält, seien diese hier noch einmal genannt:
Drosten C, Seifried E, Roth WK. TaqMan 5'-nuclease human immunodeficiency virus type 1 PCR assay with phage-packaged competitive internal control for high-throughput blood donor screening. J Clin Microbiol 2001;39(12):4302–8.
Roth WK, Buhr S, Drosten C, Seifried E. NAT and viral safety in blood transfusion. Vox Sang 2000;78 Suppl 2(257–9).
Drosten C, Weber M, Seifried E, Roth WK. Evaluation of a new PCR assay with competitive internal control sequence for blood donor screening.
Transfusion 2000;40(6):718–24.
Die Reihenfolge der Autoren verdeutlicht üblicherweise ihren Anteil an der Arbeit, wobei sich Instituts- oder Projektleiter in der Regel an die letzte Stelle setzen, in zwei Fällen hier Herr Roth. So verfährt Herr Drosten mit seinen Arbeiten auch heute. Keiner der Aufsätze wird in der inzwischen vorliegenden Veröffentlichung der 122-seitigen Monographie benannt.*
Es stellt sich hier die Frage, worin die von der Promotionsordnung geforderte "selbständige Leistung des/der Doktorand/in" bestand.
Doktorvater Roth
Prof. Roth ist Drostens Doktorvater. Über ihn war 2000 im Ärzteblatt zu lesen, daß im Jahr 2000 der Forschungspreis "Sicherheit von Blutpräparaten durch PCR-Testung"
»…an die Forschergruppe Prof. Dr. med. Willi Kurt Roth, Dr. rer. nat. Marijke Weber und Prof. Dr. med. Erhard Seifried, DRK-Blutspendedienst Hessen, Institut für Transfusionsmedizin in Frankfurt am Main, in Anerkennung ihrer Arbeit mit dem Titel "Feasibility and efficacy of routine PCR screening of blood donations for hepatitis C virus, hepatitis B virus and HIV‑1 in a blood-bank setting". Die Göttinger Arbeitsgruppe wurde vom Bundesministerium für Gesundheit mit insgesamt 369 000 DM gefördert. Die Frankfurter Arbeit wurde vom Blutspendedienst Hessen des Deutschen Roten Kreuzes gefördert und in "The Lancet" original publiziert.«
verliehen wurde. Der Artikel in "The Lancet" kann hier eingesehen werden. Die Arbeit wurde auch in der National Library of Medicine veröffentlicht. Sucht man dort mit den Stichworten "Drosten" und "HIV‑1", findet man 9 Publikationen. Die Doktorarbeit ist nicht dabei, auch nicht unter den 10 Werken, die sich mit "HBV" beschäftigen. (Zur wirtschaftlicher Karriere des Herrn Roth siehe Doktorvater Roth "hat den deutschen Markt aufgerollt".)
Der ebenfalls an den Arbeiten und dem erwähnten Forschungspreis beteiligte Prof. Seifried ist Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer des Instituts für Transfusionsmedizin. (Er hat sich übrigens 1989 habilitiert. Christian Drosten hatte Derartiges nicht nötig.)
Ein Titel war verschollen
Der zweite Titel war nur unter großem zeitlichen und finanziellen Aufwand einsehbar (s. Wo ist Teil 3 der "Doktorarbeit" von Christian Drosten?). Dann stellte sich heraus, daß es sich um drei Seiten in einem Tagungsband zum "26th Congress of the International Society of Blood Transfusion", der im Juli 2000 stattfand, handelt. Sie können hier eingesehen werden: Seite 1, Seite 2, Seite 3. Es dürfte schwer fallen, hierin eine "selbständige Leistung des/der Doktorand/in" zu erkennen.
Es steht also fest, daß es 2000/2001 drei Zeitungsaufsätze gab, an denen Drosten mitgewirkt hatte. Bei keinem ist eine "selbständige Leistung des/der Doktorand/in" zu sehen. Vor allem aber: Die seinerzeit gültige Promotionsordnung (s.o.) ermöglicht lediglich die Veröffentlichung dieser Leistung in einem(!) Zeitschriftenaufsatz. Eine "kumulative Dissertation" gab es zu dieser Zeit nicht.
Das muß auch der Goethe-Universität gedämmert haben, als 2020 die Nachfragen zu laut wurden. Denn wäre man dort von der Rechtmäßigkeit des Verfahrens überzeugt gewesen, hätte man schlicht auf die drei Aufsätze verweisen können. Das wäre nicht ganz einfach gewesen, da keiner davon in der eigenen Bibliothek vorhanden war, hätte sich aber irgendwie organisieren lassen.
Statt dessen stellte man nach 17 Jahren eine 122-seitige Monographie in die Bibliothek, die als Dissertation ausgewiesen wurde, und bestückte nun auch die Deutsche Nationalbibliothek mit Kopien davon. Zur Begründung, warum dies erst jetzt geschehe, präsentierte man eine abenteuerliche und eigentlich unnötige Geschichte von einem Wasserschaden (s. "Wasserschaden" verhinderte Zugang zu Drosten-Dissertation und Drosten-Dissertation: Wenigstens den Wasserschaden gab es). Dieser hätte verhindert, daß die Arbeit 17 Jahre lang nicht in den Katalog gelangte.
Fragen bleiben
Die Fragen bleiben: Woher kommt das jetzige Exemplar, wenn doch alle in Frankfurt vorhandenen unwiederherstellbar beschädigt waren? Von wann stammt es? Warum wurde es nicht nach dem Wasserschaden angefordert und zur Ausleihe gebracht? Wieso wird in diesem Exemplar keiner der Teilaufsätze benannt?
Nichts stimmt an der Darstellung der Goethe-Universität. Von ihr eine Aufklärung zu erwarten, wäre unsinnig. Auch Winterkorn hat die Diesel-Affäre nicht aufgedeckt. Hier bleibt öffentlicher Druck erforderlich.
Direktorin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main und Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität ist übrigens Sandra Ciesek, "die neue Virologin an der Seite von Christian Drosten" bei seinem Podcast.
Update 17.10. Korrektur: Auf Seite 3 werden die Aufsätze erwähnt unter "Auszüge aus der vorliegenden Arbeit wurden in folgenden Zeitschriften veröffentlicht:". Auch das stützt nicht die Lesart der Goethe-Universität.
Hmmm. zu dem Artikel
"NAT and viral safety in blood transfusion"
Da steht doch auf der ersten Seite drüber "State-of-the-Art Paper".
Das heißt doch auf deutsch, dass darin das zusammengefasst wird, was zu diesem Zeitpunkt bekannt ist. Es handelt sich also um eine Zusammenfassung aller bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Erkentnisse VERSCHIEDENSTER Autoren. Praktische des gesamten Fachbereichs.
Das ist definitonsgemäß kein wissenschaftliche Leistung.
… und lese ich das richtig
in 1.078.940 Proben wurden 7 (in Worten SIEBEN) kritische Proben entdeckt?
Wieviel hat das gekostet? Und hätte dieser Erfolg nicht anders erzielt werden können? Wären denn Blutempfänger davon überhaupt krank geworden? (Anzuchtfähige Viren?) Und wieviele kritische Proben wurden NICHT gefunden? Wo sind die klinischen Tests zur Validierung des Verfahrens?
Also, ich habe mich ja auch einmal auf die Suche nach den Artikeln gemacht, weil ich die Inhalte vergleichen wollte und habe mit dem "NAT and Viral saftey"-Artikel so meine Probleme. In der Autorenliste von VoxSang 2000,78 2 https://www.karger.com/Article/Abstract/31197
taucht weder Herr Drosten noch einer der Co-Autoren namentlich auf, was bedeuten würde, der Artikel ist in dieser Zeitschrift nie veröffentlicht worden, denn die Autorenliste ist grundsätzlich vollständig, auch wenn man vielleicht selbst nicht alle Artikel einsehen könnte. Zudem gibt es in Volume 2 der Ausgabe 78 aus dem Jahre 2000 überhaupt gar nicht die Seiten 257–9. Die Aussage hört irgendwo in der 100ern auf. Volume 4 hat dann die höheren 200er Seiten verzeichnet. Dementsprechend liegt hier also eine Falschangabe der Autoren vor, oder irre ich mich hier? Und wie kann überhaupt ein 3‑seitiger Artikel mit insgesamt 3 Autoren noch als eine wissenschaftliche Leistung angesehen werden und vor allem eine wissenschaftliche Leistung, die dann zur Dissertation führt?
Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum dieser Link nicht zum richtigen Artikel dieser Ausgabe führen sollte! Das ist Schlamperei.
Aber es ist vielleicht erwähnenswert, dass dieser Artikel nicht als wissenschaftliche Leistung geführt wird, sondern einfach als eine Rezension als Serviceleistung, aber in diesem Fall nicht von wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Kollegen, sondern eines Laborproduktes zur PCR-Testung von Blutkonserven. Vielleicht war es deswegen nicht wert, in der Doktorarbeit zitiert zu werden.
Rezensionen sind lohnenswert und zeugen davon, dass Kollegen auf das Fachurteil der Autoren einen gewissen Wert legen, aber sie gelten nicht als wissenschaftlicher Beitrag im engeren Sinn, selbst wenn das rezensierte Produkt für Drostens Arbeit beim Blutspendezentrum des DRK in Frankfurt relevant war.