Von taz bis Tagesspiegel kommen home stories über den fleißigen Herrn Landt, der stets einen guten Riecher beim Angebot von Tests in Zeiten von Pandemie hatte. Niemand fragt, woher der kommt. In der taz liest sich das so, wie man sich das im "Goldenen Blatt" vorgestellt hätte:
»Produzent von Corona-Tests: Firma im Ausnahmezustand
Ein Berliner Unternehmen hatte als erstes weltweit einen Corona-Test. Ein Riesengeschäft allemal – die Motivation ist aber eine andere.
Die meisten haben längst Feierabend. Olfert Landt nicht…
20 Uhr. Landt telefoniert noch mit der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO. Ein DHL Bote wartet, bis Dr. Constanze Landt, seine Frau, die letzten Kartons verschlossen hat…
Warum TIB Molbiol erster war? Er arbeite mit vielen Virologen zusammen, sagt Landt. Sie spekulierten aufgrund der gemeldeten Krankheitssymptome früh auf ein Corona-Virus…
Im Februar verdreifachte sich sein Umsatz von sonst 1,5 auf 4,5 Millionen Euro. "Aber das Geld wäre keine Motivation. Finanziell haben wir ausgesorgt, da wir die letzten 30 Jahre immer schwarze Zahlen geschrieben habe. Aber wir sehen uns in der Verantwortung. Und es macht wahnsinnig viel Spaß“, erzählt der Biochemiker. "…
„Wenn das Virus keine neuen Opfer findet, läuft es sich tot. Sonst kann das furchtbare Konsequenzen haben“, sagt Landt und erinnert an die spanische Grippe, die Ende des Ersten Weltkrieges ausbrach und Millionen dahinraffte…
Als Student Firma gegründet
Viel länger ist die Gründung der Firma her: Damals synthetisierter [so im Original] er und ein Kumpel, beide noch Doktoranden, an der Berliner Universität Genschnipsel und belieferten die Nachbarinstitute. Kostenlos. Aber warum das Material nicht verkaufen? „Ohne Businessplan haben wir zwei dann die erste Maschine gekauft“, erinnert er sich. In drei Monaten hatten sie das Geld für die erste Maschine drin. Dann plünderte Landts „Partner“ die Kasse. „Das war ein blutiges Ende. Ich musste ihm die halbe Firma abkaufen.“ 1994 fing er bei null an. „Mein Doktor habe ich dann nie abgegeben“, zuckt er die Achseln…
Um kurz vor 10 prusten die Labormaschinen weiter. Die Straßen sind verlassen. Constanze Landt sitzt im Büro. Auch Olfert Landt macht sich wieder an die Arbeit. Sicher noch bis Mitternacht.«
Geld verdienen voll unethisch
Bereits eine Woche zuvor bestand für die taz kein Grund, sich zu wundern. Da erzählte Landt ihr auf die Frage:
»Wer sind denn Ihre Kunden?
Es gibt nur rund ein Dutzend Anbieter des Tests. Deshalb bestellen bei uns Virologielabore aus aller Welt.
Woher wussten die denn, dass Sie den Test schon haben?
Wir haben den Ruf. Wir waren schon 2003 bei der Sars-Pandemie mit die Ersten, später auch bei der Geflügelpest und der Schweinegrippe. Direkt als wir den Test fertig hatten, haben wir Kits nach Hongkong und Taiwan geschickt, weil wir wussten, dass es da Fälle gibt…
Was kostet denn ein Kit für den Coronavirus-Nachweis?
Unsere Test-Kits kosten im Prinzip alle gleich, egal ob für SARS-CoV‑2 oder den Norovirus. Also um die 2,50 Euro.
Aber für so ein extrem nachgefragtes Produkt könnten Sie doch viel mehr verlangen …
Machen wir aber nicht. Das fände ich unethisch.«
Der Tagesspiegel ergänzt noch MERS von 2012, alles Fälle, bei denen die Kunden wußten "Landts Firma ist eben schnell und gründlich". Und das Fachmagazin LaborJournal* fügt hinzu:
»2011 bot das Unternehmen gemeinsam mit Roche einen Assay für EHEC (Enterohaemorrhagic Escherichia coli) an, … seit 2016 für das Zika-Virus.«
Wieviel denn nun pro Test?
Die Zeitungen kommen nicht auf die Idee mitzurechnen. Sie übernehmen begeistert die Aussage von Landt, er nehme pro Test 2,50 Euro ein. Wenn Labore bis zu 300 Euro für einen Test nehmen, dann kann es gar nicht an ihm liegen. 500.000 Tests am Tag könne er produzieren, sagt Landt der taz. Da käme ein schönes Sümmchen für einen Tag mit Überstunden zusammen. Im Guardian ist die Rede von mehr als 4 Millionen Tests bis zum 12.3.
Am gleichen Tag, der auch der des ersten taz-Interviews ist, sprach Landt im Deutschlandfunk von 10 Euro pro Test:
»Olfert zufolge ist es auch nicht teuer, Coronatests zu produzieren. Wenn man sie in großen Mengen herstellt, lägen die Materialkosten bei gut fünf Euro. "Ich behaupte, man kann diesen Test, wenn man es im großen Maßstab macht, für unter zehn Euro anbieten."«
Und der Tagesspiegel glaubt auf's Wort:
»Test-Kits für die Weltgesundheitsorganisation WHO gebe er daher für den halben Preis ab. Und besonders arme Staaten, die "in angemessenem Umfang" bei ihm bestellen, belieferte er sogar gratis.«
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung nennt den Betrag von 59 Euro für die Abrechnung eines "Nukleinsäurenachweis des beta-Coronavirus SARS-CoV‑2".
Die Deutsche Welle steht der taz in nichts nach:
»Es ist ein Telefonanruf in den Maschinenraum dieser Covid-19-Krise: Im Hintergrund klickt und schnauft es mechanisch. Der Unternehmer Olfert Landt steht in seinem Produktionsraum. Es ist der dritte Anrufversuch über mehrere Tage, dann hat er Zeit – spät am Abend, es ist schon nach 22 Uhr.
Seit Wochen geht das jetzt so: Durcharbeiten bis um Mitternacht…
Er kommt ja kaum noch raus. Seine Maschinen stehen kaum noch still. 15.000 Test-Kits pro Woche, die für 1,5 Millionen Tests genutzt werden können. Im Kampf gegen das Virus…
Als zum Jahreswechsel klar wurde, welches Ausmaß der Corona-Ausbruch in China annimmt, hat er sich mit den Virologen des Berliner Universitätsklinikums Charité zusammengesetzt. Sie hätten die anfangs spärlichen Informationen aus der Corona-Region Wuhan in China studiert.
Als dann klar war, dass es ein neues Coronavirus ist, hat Landt seine Produktion von Tests auf den Erreger der Covid-19-Krankheit umgestellt…
Und er hat vorgesorgt: Die Vorprodukte seien für mehrere Monate auf Lager…
Während am Telefon im Hintergrund die Geräusche seiner Maschinen noch einmal lauter werden, erzählt Landt, wie er auf die Genehmigung seines Corona-Testverfahrens warten musste. "Zwischenzeitlich war der Sachbearbeiter für Wochen krank. Eine Vertretung gab es nicht." Da starben in China reihenweise Patienten. Zeitgewinn für das Virus.
Hilfe vom Nachbarn
Als dann vor wenigen Tagen Deutschland die Notbremse zog und Schulen und Kindergärten schloss, konnten manche seiner Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen. Die neu geschaffenen Betreuungsplätze für Krankenhausbeschäftigte sollten für die TIB-Molbiol-Mitarbeiter nicht zur Verfügung stehen. Obwohl sie helfen, die Infektionskette zu durchschlagen. Noch ein Punkt für das Virus.
Und dennoch: Deutschland kann in der Corona-Krise auch ganz andere Geschichten produzieren. "Ich bin unendlich dankbar", sagt Olfert Landt und meint seinen Nachbarn, "eine Event-Agentur" wie so viele in Berlin. New Wave heißt die Berliner Firma, die irgendwie alles macht, was man mit der Party-Hauptstadt Europas assoziiert. Doch das Virus hat alle Partys beendet. "Da hat er mir angeboten, dass seine Mitarbeiter bei uns arbeiten könnten." Ganz ohne bürokratischen Aufwand, einfach über die Straße rüber. Jetzt packen die Kreativen gemeinsam mit dem Unternehmer die Corona-Tests in Tüten ein. Und so sieht er jetzt aus – der Kampf gegen das Virus in einem kleinen Berliner Maschinenraum der Covid-19-Krise.«
Bei all dem vielen Arbeiten rund um die Uhr paßt man bei einem Interview schon mal nicht auf und sagt dem Deutschlandfunk solche Sachen:
»Wir machen alles, was Kunden von uns erwarten. Das sind vor allem Infektionserreger wie Influenza, Noro-Virus oder Salmonella. Auch sexuell übertragbare Krankheiten, wir haben ein paar Sachen, die Richtung Krebs gehen.«
Die Lobhudelei des "Journalisten" geht weiter:
»Olfert Landt ist Geschäftsführer der kleinen Berliner Biotech-Firma TIB Molbiol Syntheselabor GmbH, und er hat im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun.
"Das ist in kleinen Firmen so, da packt der Chef auch selber an. Fertige Test-Kits. Hier für Bratislava, ich habe viele für Spanien, für Polen. Heute nur für Europa und Deutschland."…
Pandemien als Umsatztreiber
… Olfert Landt hat in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrere Virus-Ausbrüche beruflich begleitet. Dadurch sind langjährige Geschäftsbeziehungen besonders nach Asien gewachsen…
Im Januar schon alarmiert
In der Lokalpresse wurde TIB Molbiol bereits als Berlins derzeit gefragtestes Unternehmen tituliert. Und in der Tat: Olfert Landt scheint ein besonderes Gespür dafür zu haben, welcher Virustest unmittelbar gebraucht wird. Er hat, wie die meisten Experten, im Januar zum ersten Mal über das neue Corona-Virus gehört und dann schnell gehandelt:
"Das werden Sie immer bei kleinen Unternehmen feststellen, dass diese flexibler sind. Weniger Verwaltung, kurze Entscheidungsprozesse."…
Start-up der frühen Jahre
Olfert Landt hat vor 30 Jahren TIB Molbiol gegründet. Aus einem Universitätsprojekt heraus, in einer Zeit als es das Wort Start-up noch gar nicht gab:
„Ich war Doktorand in der Bio-Chemie – also Protein-Engineering. Und wir brauchten diese Oligonukleotide um Proteine zu verändern. Und dann haben wir im Institut so eine Maschine besorgt, und dann hatten wir plötzlich sehr viele Freunde. In der Medizin, im Max-Plack-Institut, die wir einfach mit versorgt haben. Da schien so etwas wie ein Markt zu sein. Dann haben wir eine Firma aufgemacht und haben eben diese Produkte angeboten.“
Und seitdem läuft das Geschäft. Seit Jahresbeginn jedoch mehr denn je. Vor allem die Logistik ist aktuell eine Herausforderung. Geschäftsführer Landt hetzt regelrecht durch die Gänge. Tür auf, Tür zu.
In einem Raum wird es lauter, hier sitzt sein Sohn, der derzeit, wie der Rest der Familie auch, aushilft. An der Labelmaschine werden Mini-Etiketten direkt auf die Teströhrchen geklebt. Bis vor kurzen noch Handarbeit, nun vollautomatisch…
Der Geschäftsführer sieht müde aus: Trotz einer 100-Stunden-Woche versucht er derzeit, ausreichend Schlaf zu bekommen. Nicht einfach, sagt er, aber:
"Was soll ich sonst machen? Verreisen? Geht gerade nicht. In die Oper gehen? Geht gerade nicht. Also die meisten Dinge könnte man ohnehin nicht machen. Das ist tragbar."«
In diesem Interview vom 22.5. ist bereits die Rede von 3 Millionen Test-Kits.
Ein Schmuseartikel der Neuen Zürcher Zeitung wird beschrieben im Beitrag Wirtschaftliche Interessen des Prof. Drosten (II).
(Hervorhebungen nicht in den Originalen. Der Beitrag wurde um 18:33 geringfügig redigiert.)
* Neuer Link: laborjournal.de