Übelste Gestalten Träger der Bernhard-Nocht-Medaille (Teil 3)

Auch in die­sem Teil geht es um die "Bernhard-Nocht-Medaille", die das Institut, mit dem Christian Drosten berühmt wur­de, an Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Anerkennung her­vor­ra­gen­der Leistungen auf dem Gebiet der Tropenmedizin ver­leiht. Link zum BNITM

Eine gan­ze Reihe übel­ster Nationalsozialisten wur­de in den vor­he­ri­gen Beiträgen bereits genannt. Eine Distanzierung des Instituts gibt es nicht. Die unvoll­stän­di­ge Liste der Preisträger bei Wikipedia (eine voll­stän­di­ge war nicht zu ermit­teln, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin schweigt sich dar­über aus) führt für die 40er und 50er Jahre zwei von drei Namen auf, die einer Verstrickung in das NS-Regime unver­däch­tig sind.

Viktor Schilling
hin­ge­gen, der 1957 aus­ge­zeich­net wur­de, gehört wie­der in die Riege der beken­nen­den Nazis. Dabei lie­gen bei ihm kei­ne wider­wär­ti­gen Verbrechen vor wie bei den zuvor Genannten. Er war wohl eher der Typ heu­ti­ger bie­de­rer AfD-Wissenschaftler, die sich nicht selbst die Hände schmut­zig machen, son­dern ide­lo­gisch wir­ken. Wikipedia berich­tet über ihn:

»Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten trat er am 1. Mai 1933 der NSDAP bei…

Neben sei­ner ärzt­lich-aka­de­mi­schen Tätigkeit war Schilling im Dritten Reich auch Schriftleiter der Medizinischen Welt und Herausgeber der Folia Haematologica. Hier trat er die Nachfolge ver­folg­ter jüdi­scher Kollegen an (u. a. Hans Hirschfeld) und öff­ne­te die medi­zi­ni­schen Publikationsorgane der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Propaganda. In sei­nem Eröffnungsvortrag bei einer der ersten inter­na­tio­na­len Hämatologentagungen ver­an­lass­te Schilling 1937 eine Ergebenheitsaddresse an den "Schirmherrn deut­schen Blutes" Adolf Hitler und dozier­te über das "unent­rinn­ba­re Schicksal im eige­nen Blute, auf dem Adolf Hitler einen der Grundpfeiler des Nationalsozialismus vor­aus­schau­end für Jahrhunderte errich­tet hat"«

(Das BNITM zeich­net sich heu­te durch Verschleierung sei­ner Vergangenheit aus. In den 50er und 60er Jahren war dies gän­gi­ge Praxis im west­deut­schen Wissenschaftsbetrieb. So wur­de das "Handbuch der gesam­ten Hämatologie" 1957–1969 in einer zwei­ten Auflage von Ludwig Heilmeyer und Anton Hittmair her­aus­ge­ge­ben, ohne mit einem Wort auf den Erstherausgeber ein­zu­ge­hen. Dies war der von Schilling ver­dräng­te Hans Hirschfeld, der 1944 im KZ Theresienstadt ermor­det wur­de. Auch die Nachkriegsauflage der von Schilling über­nom­me­nen "Folia Haematologica" durch Ludwig Heilmeyer und Hans Schulten hat­te kei­nen Hinweis auf Hirschfeld, eine Würdigung erfolg­te erst 1987. Heilmeyer bedau­er­te 1964 die "fehlen­de Kontinuität der Forschung". Man habe aber die Fähigkeit, "die deut­sche kli­ni­sche Forschung wie­der an die Spitze [zu brin­gen], wo sie ein­mal war… – trotz der Abwanderung bedeu­ten­der Köpfe im drit­ten Reich". Link

Daran zumin­dest haben das Institut und Absolventen wie Christian Drosten erfolg­reich gearbeitet.
Schilling ist wie Heilmeyer, Schulten und Hittmair Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie – DGHO.)

Da Viktor Schilling nur ein "ganz nor­ma­ler Nazi-Wissenschaftler" ohne (Opfer-)Blut an den Händen war, sei hier am Beispiel der Universität Rostock ange­deu­tet, wie die­se Normalität aus­sah. Im Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1944/45 ist dort zu lesen:

»Für die Ahnennachweise der Mitglieder der Deutschen Studentenschaft sind außer der eige­nen Geburtsurkunde die voll­stän­di­gen Geburts- und Heiratsurkunden der Eltern und Großeltern vor­zu­le­gen, falls nicht nach­ge­wie­sen wer­den kann, daß die ari­sche Abstammung bereits durch eine ande­re Universität geprüft wor­den ist. Die Vorlage eines Ahnenpasses ersetzt die Beibringung der ein­zel­nen Urkunden. Jedem Studierenden wird die Beschaffung eines Ahnenpasses drin­gend empfohlen…

Alle stu­die­ren­den Parteigenossen und son­sti­gen Mitglieder des NSD.-Studentenbundes haben sich zu Beginn jedes Semesters auf der Dienststelle im Studentenhaus, Schwaansche Straße 2, zu melden.«

Ordentlicher Professor und Direktor der medi­zi­ni­schen Klink der Universität war Viktor Schilling.

1933 hat­te er die Stelle des ver­trie­be­nen Georg Klemperer als Direktor der IV. Universitätsklinik in Moabit über­nom­men, bevor er 1934 – gegen den Willen der dor­ti­gen Fakultät, aber mit poli­ti­schem Auftrag der Parteileitung – einen Lehrstuhl in Münster über­nahm. Link auch zu fol­gen­dem Zitat

»Bei heu­ti­gem Offenliegen aller histo­ri­schen Zeugnisse wird man… erheb­li­che mensch­li­che Defizite und einen aus­ge­präg­ten Antisemitismus kon­sta­tie­ren müssen.«

Wie das Verhältnis zur eige­nen Geschichte anders gestal­tet wer­den kann als das BNITM es tut, läßt sich hier erkennen:

»Die Charité führ­te zu Ehren des Mediziners 2007 eine Georg Klemperer Ehrenvorlesung ein, die seit­dem alle zwei Jahre statt­fin­det. Die Ärztekammer Berlin ver­gibt seit 2007 die Georg-Klemperer-Ehrenmedaille an Persönlichkeiten, die sich um die Patientenversorgung in Berlin und das Ansehen der Ärzteschaft ver­dient gemacht haben.« Link

(Ein Bruder Georg Klemperers war der eben­falls von den Nazis ver­folg­te Literaturwissenschaftler Victor, ein Cousin der mit einem Auftrittsverbot beleg­te Komponist und Dirigent Otto.)

Zum Artikel Bernhard-Nocht-Medaille antisemitische Karikatur
Antisemitische häma­to­lo­gi­sche Hetze – o.J. u. O. – Link

Bernhard Nocht ohne jede Distanz zu Nazis

Dazu war in den vori­gen Beiträgen schon zu lesen. Es kommt dazu:

»Das Bekenntnis der Professoren an den deut­schen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem natio­nal­so­zia­li­sti­schen Staat wur­de am 11. November 1933 zur Feier der "natio­nal­so­zia­li­sti­schen Revolution" des Jahres auf einer Festveranstaltung in der Alberthalle in Leipzig als Gelöbnis deut­scher Gelehrter – meist im Beamtenverhältnis – vor­ge­tra­gen. Doch waren nicht alle Unterzeichner Professoren, es fin­den sich auch Privatdozenten, Lehrbeauftragte, Dozenten bis zu ein­zel­nen Studenten dar­un­ter. Der Titel lau­te­te "Mit Adolf Hitler für des deut­schen Volkes Ehre, Freiheit und Recht!" Weitere Bezeichnungen in der Publizistik der Zeit, in offi­zi­el­len Dokumenten und damit in der Historiographie lau­ten "Kundgebung der deut­schen Wissenschaft" oder kurz Bekenntnis der Professoren sowie Ruf an die Gebildeten der Welt…

Die Wissenschaftler unter­schrie­ben trotz der Tatsache, dass der natio­nal­so­zia­li­sti­sche Staat zuvor durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mas­siv in die wis­sen­schaft­li­che Lehrfreiheit der Hochschulen ein­ge­grif­fen hat­te, indem er Wissenschaftler jüdi­schen Glaubens oder Herkunft oder demo­kra­ti­scher Gesinnung aus dem Amt ver­trie­ben hat­te. Auch war die Selbstbestimmung der Universitäten durch die Einführung des Führerprinzips besei­tigt wor­den und die NSDAP hat­te dort einen bestim­men­den Einfluss gewonnen…

Insgesamt unter­schrie­ben ca. 900 Personen.«

Bernhard Nocht war einer der Unterzeichner. 1942 wur­de er übri­gens Ehrenmitglied der Leopoldina. Link

Die ersten Teile zu die­sem Thema: Übelste Gestalten Träger der Bernhard-Nocht-Medaille (Teil 1) und Übelste Gestalten Träger der Bernhard-Nocht-Medaille (Teil 2)

Eine Antwort auf „Übelste Gestalten Träger der Bernhard-Nocht-Medaille (Teil 3)“

  1. "Jedem Studierenden wird die Beschaffung eines Ahnenpasses drin­gend empfohlen…"
    Quelle s.o.

    Auch schon in dama­li­ger Zeit war der Gebrauch des sub­stan­ti­vier­ten Partizip Präsens in tota­li­tä­ren Kreisen nicht unüblich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert