Solidaritätsgeheuchel und bittere Realität

"Wegen Corona" kommt der Familiennachzug für Schutzberechtigte zum Erliegen. Pro Asyl teilt am 18.4. mit:

"In Folge der Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Eindämmung des Coronavirus unter­nom­men hat, wur­den die mei­sten deut­schen Auslandsvertretungen für Familiennachzugsangelegenheiten bis auf wei­te­res geschlos­sen: Es wer­den kei­ne Termine für die Antragstellung mehr ange­bo­ten, kei­ne ange­nom­me­nen Anträge bear­bei­tet. Termine, die zwecks Antragstellung mit jah­re­lan­gem Vorlauf gebucht wur­den, sind auf Eis gelegt…

Ohnehin wird der Familiennachzug zu Schutzberechtigen seit Jahren sei­tens der Bundesregierung aus poli­ti­schen Gründen tor­pe­diert, mal über gesetz­li­che Verschärfungen, mal über orga­ni­sa­to­ri­sches Versagen. So wird z.B. auch das monat­li­che Kontingent von 1.000 Visa beim Nachzug von Angehörigen der sub­si­di­är Schutzberechtigten nicht erfüllt: Die deut­schen Auslandsvertretungen erfüll­ten seit August 2019, also schon vor der Corona-Krise, die­se Quote nicht mehr: Im Februar 2020 wur­den bei­spiels­wei­se nur 736 Visa ausgestellt…

Die Bundesregierung hat es auf der ande­ren Seite mei­ster­haft ver­stan­den, rund 200.000 deut­sche Urlauber*innen aus der gan­zen Welt in orga­ni­sier­ten Charterflügen nach Hause zu holen. Bei ein paar tau­send Angehörigen von hier Schutzberechtigten, bei denen es um die Umsetzung ihres Grund- und Menschenrechts auf Familienleben geht, sind eben­so drin­gen­de Handlungen zu erwarten."

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Porsche und Ikea: auf – Kirchen und Moscheen: zu – Demos meist verboten

Seit Wochen wer­den uns Experten (wie­so eigent­lich nur Männer?) prä­sen­tiert, die mit gewich­ti­gen Mienen und impo­san­ten Grafiken erklä­ren, was für uns gut und was ver­bo­ten ist.

Die sind offen­bar jetzt – und zwar unab­hän­gig von der Zahl der Infektionen – in ein­zel­nen Bundesländern und Kommunen äußerst unter­schied­li­cher Meinung. Kann es viel­leicht doch sein, daß gar nicht so sehr wis­sen­schaft­li­che Expertise den Ausschlag gibt, son­dern Profilierungs- und Machtgelüste der poli­ti­schen Entscheider?

"Normale" Geschäfte dür­fen öff­nen, wenn sie bis 800 qm Verkaufsfläche anbie­ten. Wer mag sich war­um die­se Zahl aus­ge­dacht haben?

Autohäuser dür­fen so groß sein wie sie wol­len, in NRW wer­den gro­ße Möbelhäuser öff­nen. Sind Kirchen und Moscheen für die Menschen gefähr­li­cher, weil es dort nichts zu kau­fen gibt?

Es sol­len die Innenstädte nicht "geflu­tet" wer­den, des­halb sind Kaufhäuser aus­ge­nom­men. Weil auf der grü­nen Wiese Corona nicht zuschlägt?

In Thüringen öff­nen Läden eine Woche spä­ter, dafür aber bereits Museen und Zoos, die über­all sonst geschlos­sen bleiben.

Für Läden gilt die Öffnung ab Montag (in Berlin noch spä­ter) – war­um müs­sen Friseure noch zwei Wochen war­ten und Massagepraxen geschlos­sen bleiben???

Vollends absurd sind die unter­schied­li­chen Demonstrationsverbote. Da denkt sich jede Landesregierung eige­ne Schikanen aus, die selbst­ver­ständ­lich alle, so ver­schie­den sie auch sind, mit Expertenmeinungen gestützt werden.

Ganz offen­sicht­lich gel­ten Religions- und Meinungsfreiheit sehr viel weni­ger als Geschäftsinteressen.

Update 20.4.: Ikea schafft es in NRW doch nicht, heu­te zu öffnen

Kalle verrennt sich

Kalle Kunkel hat als Gewerkschaftssekretär die Streiks zu Personalbemessung an der Charité in Berlin mit­or­ga­ni­siert. Er ist in der Kampagne „Krankenhaus statt Fabrik“ aktiv.

Im "Freitag" vom 15.4. publi­ziert er einen Artikel gegen ein Papier der Leopoldina von 2016, in dem die Schließung von Krankenhäusern in die Diskussion gebracht wur­de. Im Kern geht es dar­um, daß der Faktenfinder von tages​schau​.de der Meinung ist, dies sei sei­ner­zeit kei­ne Empfehlung, son­dern ein Diskussionspapier gewesen.

Kalle sagt: War es woll und argu­men­tiert fak­ten­reich gegen den Gedanken zur Krankenhausschließung.

Was er über­sieht: Wie immer man das Papier von 2016 ein­schät­zen mag, was die Leopoldina 2010 heu­te vor­schlägt, geht in eine völ­lig ande­re Richtung. Bedauerlicherweise gibt es aber nicht nur in den Mainstream-Medien, son­dern bis in die Linke hin­ein eine Verweigerung, die heu­ti­gen Vorschläge über­haupt zur Kenntnis zu neh­men. Sie befin­den sich damit in bester Gesellschaft mit der Regierung, die das heu­ti­ge von ihr ja beauf­trag­te Papier schlicht ignoriert.

So meint der Linken-Politiker Niema Movassat:

"Doch die Leopoldina macht knall­har­te neo­li­be­ra­le Forderungen: Schuldenbremse bei­be­hal­ten. Solidaritätszuschlag abschaf­fen (das nützt der gebeu­tel­ten Mittelschicht kaum, wohl aber den Topverdienern).

Vor 4 Jahren for­der­te die Leopoldina, 1300 Kliniken in Deutschland dicht zu machen. Wir kön­nen froh sein, dass nie­mand auf die­se Leute gehört hat. Ich fin­de: Wir soll­ten wei­ter nicht auf Marktradikale hören, auch wenn sie sich 'Wissenschaftsakademie' nennen."

In Wirklichkeit fin­den sich im Papier der Leopoldina sol­che Aussagen:

"Auf der Ausgabenseite lie­gen vor allem staat­li­che Investitionen sowie der Abbau kli­ma- und umwelt­schäd­li­cher Subventionen auf der Hand. Dabei soll­ten struk­tur­po­li­ti­sche Zielsetzungen, etwa im Hinblick auf die öffent­li­che Daseinsvorsorge und den Schutz von Gemeinschaftsgütern spe­zi­ell in den Bereichen Gesundheits‑, Klima- und Ökosystemschutz, vor­ran­gig berücksichtigt wer­den." „Kalle ver­rennt sich“ weiterlesen

Lock-Down fürs Militär!

tages​schau​.de von gestern:

"Mehr als 1000 fran­zö­si­sche Marinesoldaten haben sich an Bord des Flugzeugträgers 'Charles de Gaulle' mit dem Coronavirus infi­ziert. Die Quelle der Infektion ist unklar. Die Regierung unter­sucht den Fall.

Beim Ausbruch von Covid-19 auf dem fran­zö­si­schen Flugzeugträger 'Charles de Gaulle' haben sich mehr als 1000 Marinesoldaten mit dem Coronavirus infi­ziert. Das teil­te Verteidigungsministerin Florence Parly heu­te in Paris mit. Mehr als 2000 Soldaten sei­en gete­stet wor­den, 500 von ihnen zeig­ten Symptome der Krankheit, 24 von ihnen lägen im Krankenhaus, einer auf der Intensivstation. „Lock-Down fürs Militär!“ weiterlesen

Vorschlag an die 1. Mai-Demonstrierenden

Unter dem Titel "Ruhe im Karton" schrieb die taz bereits Anfang April:

"Es sind Szenen, die man nur aus auto­ri­tä­ren Polizeistaaten kennt: Eine ein­zel­ne Frau mit einem umge­häng­ten Protestschild wird am Sonntag vor dem Brandenburger Tor von Polizisten umringt. Sie muss ihre Daten abge­ben und erhält eine Anzeige wegen Verstoßes gegen die Coronaverordnung und das Versammlungsgesetz. Sie bleibt nicht die Einzige. Dasselbe pas­siert Menschen, die unter Einhaltung der Abstandsregelungen am Hamburger Fischmarkt mit Kreide ihre Botschaften für eine huma­ne Flüchtlingspolitik auf den Boden schrei­ben wollen.

In Frankfurt/Main wird eine Ansammlung von DemonstrantInnen im Rahmen des #LeaveNoOneBehind-Aktionstages zur Evakuierung der grie­chi­schen Flüchtlingslager auf­ge­löst, obwohl sie peni­bel einen Zwei-Meter-Abstand zuein­an­der ein­hal­ten. In Berlin unter­bin­den Polizisten sogar eine Auto-Demonstration. „Vorschlag an die 1. Mai-Demonstrierenden“ weiterlesen

Wer finanziert die WHO?

Zur Zeit über­schla­gen sich die Stellungnahmen unse­rer "guten" Politiker gegen den "bösen" Donald Trump. Jenseits des Umstands, daß eine Kürzung der Mittel an die Weltgesundheitsorganisation ver­bre­che­risch ist, bleibt doch die Frage, wie ernst die­se Worte zu neh­men sind.

Die Hilfsorganisation med­ico inter­na­tio­nal hat dazu am 15.4. unter ande­rem festgestellt:

"1. Die unge­si­cher­te Finanzierung der WHO gefähr­det ihre Eigenständigkeit „Wer finan­ziert die WHO?“ weiterlesen

Konrad-Adenauer-Stiftung phantasiert von Unruhen

Was im Beitrag Wie ein Oberstleutnant der Reserve Corona instru­men­ta­li­siert wie die Schrulle eines Militärs erscheint, ist in Wahrheit ein­ge­bet­tet in Denkmodelle ein­fluß­rei­cher kon­ser­va­ti­ver Denkfabriken.

Im Dezember orga­ni­sier­te die Konrad-Adenauer-Stiftung mit der Akademie für poli­ti­sche Bildung Tutzing einen Workshop "Der Nexus von Gesundheit und Sicherheit".

Die Tagesleitung hat­ten Dr. Anja Opitz von besag­ter Global Health Security Alliance und Daniela Braun von der KAS. Das Hauptreferat hielt Dr. Rolf von Uslar, Referatsleiter Führung Streitkräfte Sanitätsdienst 1, Grundsatz Gesundheitsversorgung der Bundeswehr im Bundesministerium der Verteidigung. (Foto)

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Jene Daniela Braun ver­öf­fent­lich­te am 1.4. ein Papier, in dem unter Bezug auf das Weißbuch der Bundesregierung zu lesen ist: „Konrad-Adenauer-Stiftung phan­ta­siert von Unruhen“ weiterlesen

Wie ein Oberstleutnant der Reserve Corona instrumentalisiert

Björn Stahlhut ist Experte für Global Health Resilience & Security für die Global Health Security Alliance (GloH-SA), was sich ver­dammt wich­tig anhört. Er ist Oberstleutnant der Reserve und ergeht sich im April-Newsletter des Deutsches Komitees Katastrophenvorsorge e.V. so:

"Als Stabsoffizier der Reserve weiß ich, dass es bei mili­tä­ri­schen Handlungen auf Präzision und Geschwindigkeit, auf der Grundlage einer mög­lichst umfas­sen­den Beurteilung der Lage ankommt. Wenn wir das auf die aktu­el­le Corona-Lage bezie­hen, heißt das, immer die rich­ti­ge Balance zwi­schen den kon­kre­ten Handlungserfordernissen vor Ort und den über­grei­fen­den Erfordernissen auf höhe­ren Ebenen zu fin­den… Dabei wird, nach mei­nem Eindruck, im Augenblick auf allen poli­ti­schen Ebenen sehr ange­mes­sen, trans­pa­rent, ehr­lich und, wo immer erfor­der­lich, mit Tempo agiert." „Wie ein Oberstleutnant der Reserve Corona instru­men­ta­li­siert“ weiterlesen

Morbidität / Mortalität / Letalität – was heißt das?

Morbidität:

die Häufigkeit einer Krankheit in einer Bevölkerung, unter­teilt wird dabei in Prävalenz (bereits Erkrankte) und Inzidenz (neu Erkrankte).

Mortalität (Sterblichkeitsrate):

eine auf die mitt­le­re Gesamtbevölkerung bezo­ge­ne Anzahl der im Bezugszeitraum Gestorbenen.

Letalität:

bezeich­net das Verhältnis der Zahl der Gestorbenen zu der­je­ni­gen der Erkrankten.

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social distancing in dieser Form Unsinn?

Der "Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen" ist ein Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums.

Zwei ehe­ma­li­ge Mitglieder des Gremiums haben mit ande­ren Fachleuten ein Papier ver­faßt, das gänz­lich ande­re Vorschläge zum Umgang mit Corona vor­legt als die gegen­wär­tig prak­ti­zier­ten. Wie alle Beiträge die­ser Art wer­den sie von der Bundsregierung schlicht igno­riert. Das Papier kann hier ein­ge­se­hen werden.

Berichte dazu hier und hier.

Sie schla­gen vor, "social distan­cing" auf gefähr­de­te Zielgruppen zu kon­zen­trie­ren: „social distan­cing in die­ser Form Unsinn?“ weiterlesen