Die Organisation teilt heute mit:
»Mit Blick auf die Gespräche der Welthandelsorganisation (WTO) am Freitag fordert Ärzte ohne Grenzen die beteiligten Regierungen auf, eine Initiative zum Aussetzen von geistigen Eigentumsrechten wie etwa Patenten im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu unterstützen. Die wegweisende Initiative war von Indien und Südafrika im Oktober auf den Weg gebracht worden. Fast 100 Länder unterstützen sie – nicht jedoch reiche Länder wie die USA, Japan oder auch die Staaten der Europäischen Union.
Hiernach wäre es allen Ländern erlaubt, die Durchsetzung des Rechts auf geistiges Eigentum von Medikamenten, Impfstoffen, Diagnosemethoden und weiteren Technologien, die wichtig gegen Covid-19 sind, bis zum Erreichen einer weltweiten Herdenimmunität auszusetzen. Dieser Ansatz hat bereits vor 20 Jahren viele Leben gerettet, als während der HIV- und Aids-Epidemie erschwingliche generische HIV-Medikamente auf den Markt kamen.
"Nicht einmal eine globale Pandemie kann Pharmakonzerne davon abhalten, ihren ‚Business-as-usual‘-Ansatz zu verfolgen. Deshalb müssen die Länder jedes verfügbare Instrument nutzen, um sicherzustellen, dass medizinische Produkte gegen Covid-19 für alle, die sie benötigen, zugänglich und erschwinglich sind", sagt Sidney Wong, der Co-Direktor der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. "Alle Entwicklungen im Zusammenhang mit Covid-19 sollten echte globale öffentliche Güter sein, frei von den Barrieren, die Patente und das Recht auf geistiges Eigentum schaffen. Wir appellieren an alle Regierungen, diesen bahnbrechenden Vorschlag dringend zu unterstützen, der in diesem für die globale Gesundheit kritischen Moment Menschenleben über Unternehmensgewinne stellt.“
Seit dem Beginn der Pandemie haben Pharmaunternehmen an ihrer bisherigen Praxis festgehalten und streng über ihr geistiges Eigentumsrecht gewacht. Das führt zur künstlichen Verknappung wichtiger Arzneimittel und zu von Firmen diktierten Preisen, die für viele Menschen insbesondere in ärmeren Ländern unerschwinglich sind. Es steht damit dem Ziel entgegen, Menschen vor Leid und Tod zu schützen und die globale Pandemie einzudämmen. Gleichzeitig versuchten die Firmen, geheime Monopol-Deals auszuhandeln, die viele Entwicklungsländer ausschließen. So hat etwa das Unternehmen Gilead restriktive bilaterale Lizenzvereinbarungen für Remdesivir abgeschlossen – eines der wenigen Medikamente, das einen potentiellen Nutzen bei der Behandlung von Covid-19 hat. Durch diese Vereinbarungen wurde nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung davon ausgeschlossen, von einem preissenkenden Generika-Wettbewerb zu profitieren.
In der Vergangenheit ist einiges passiert, um die Monopole zu überwinden, die es den Pharmafirmen ermöglichen, die Preise künstlich hoch zu halten. So wurde 2001, auf dem Höhepunkt der HIV- und Aids-Epidemie, die „Doha Declaration on TRIPS and Public Health“ unterschrieben. Sie ermächtigte Regierungen, Patente und andere Hürden zu umgehen, so dass die öffentliche Gesundheit über die unternehmerischen Interessen gestellt werden konnte. Die aktuelle Aufhebungsforderung an die WTO ist ein ähnlicher Schritt, um Covid-19 möglichst schnell zu bekämpfen.
„Dieser mutige Schritt der Regierungen bietet der Welt die Chance, eine Wiederholung der HIV ‑und Aids-Tragödie wie vor 20 Jahren zu vermeiden, als die Monopole auf lebensrettende Therapien dazu führten, dass Menschen in reichen Ländern Zugang zu HIV-Medikamenten erhielten, während Millionen in Entwicklungsländern dazu verdammt waren, daran zu sterben", erklärt Dr. Khosi Mavuso, Mediziner von Ärzte ohne Grenzen in Südafrika. „Eine Aussetzung der Monopole auf medizinische Mittel im Kampf gegen Covid-19 wird eine globale Zusammenarbeit ermöglichen, die die Produktion, die Versorgung und den Zugang für alle verbessert. Da bereits mehr als 1,3 Millionen Menschen aufgrund von Covid-19 ums Leben gekommen sind, können es sich die Regierungen nicht leisten, noch mehr Zeit damit zu verschwenden, auf freiwillige Maßnahmen der Pharmaindustrie zu warten“.
Auf der letzten WTO-Tagung des TRIPS-Rates (Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights) am 15. und 16. Oktober sind Kenia und Eswatini gemeinsam mit Indien und Südafrika offiziell für die Verzichtsklausel eingetreten. Insgesamt 99 Länder haben die Verzichtserklärung begrüßt und ihre Unterstützung demonstriert. Der Vorschlag wird jedoch von zahlreichen reichen Ländern – den USA, Großbritannien, Japan, Kanada, Brasilien, Australien, Norwegen, der Schweiz und der Europäische Union – nicht unterstützt.
„Die Regierungen müssen sich fragen, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen wollen, wenn die Bücher über diese Pandemie geschrieben werden", erklärt Wong.«
Wenn es sich bei Corona um eine Pandemie handelte, wären das nachvollziehbare Gründe, wenn die Organisation auch spätestens auf halbem Wege Halt macht. Schließlich ist es die Aufgabe von Pharmakonzernen, Geld zu verdienen. Ihnen das verwehren zu wollen, ihre Existenz aber gleichzeitig zu akzeptieren, ist nicht schlüssig. Gesellschaftlich notwendige Forschungen dürfen nicht abhängig gemacht werden von Profitinteressen einiger Großkonzerne. Subventionen an sie sind widersinnig, wenn man diese Logik durchbrechen will. Anstatt Konzerne zum Verzicht bewegen zu wollen, wäre es sinnvoller, sie zu enteignen.
Was aber, wenn bei Definition und Ausrufung einer Pandemie genau diese Konzerne und die von ihnen organisierten "Wohltätigkeitsorganisationen" eine entscheidende Rolle spielen? Den Nachweis, daß es sich so verhält, findet man hier z.B. in
Wer finanziert die WHO?,
Einfluß von Konzernen, Banken, Hedgefonds auf "Corona-Hilfen",
Einfluß von Konzernen, Banken, Hedgefonds auf "Corona-Hilfen" (II).
Siehe auch
Ich weigere mich, Beglückung der Menschheit? Spekulation!,
Schnelles Geld mit Impfstoffen,
Wer sitzt im "Internationalen Beratergremium zu globaler Gesundheit" der Bundesregierung?,
Könnten Rüstungskonzerne Interesse an politischen Spannungen haben?,
Wohin die Forschungsgelder für Covid-19 fließen,
In Sachen BMGS traut Rundfunk sich selbst nicht,
Drostens Testlabor muß "nachhaltiges Wachstum" erzielen – Fragen an Charité / Vivantes.
@aa Herzlichen Dank für den Artikel! Über die Frage, ob Corona eine Pandemie ist oder nicht, kann man natürlich streiten – schön ist es allerdings, hier im Blog auch linke Positionen, wie die von aa propagierte Enteignung von Pharmakonzernen, zu lesen.
Auf dieser Basis (Beendigung der Orientierung an Profitinteressen, Ausgrenzung neofaschistischer Positionen, Orientierung an Wissenschaft/Wissenschaftsstreit, Bekämpfung des Irrationalismus) könnte eine Gesellschaft auch viel besser mit realen oder vermeintlichen Bedrohungen umgehen.
Der „Dritte Weg“ ist eine Sackgasse
Zivilgesellschaft kritisiert Vorstoß der neuen WTO-Führung
Hinweisschild Sackgasse Flensburg Soenke RahnÜber 240 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch die BUKO Pharma-Kampagne, haben sich in der vergangenen Woche mit einem offenen Brief an die neue WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala gewandt.
Das Schreiben kritisiert den von der Welthandelsorganisation jüngst lancierten sogenannten Dritten Weg, der eine Alternative aufzeigen soll zum weiterhin blockierten Prozess um den „Patent-Waiver“ von Indien und Südafrika.
Der Vorschlag der Generaldirektorin beruht vor allem darauf, freiwillige Lizenzvereinbarungen zwischen Firmen zu befördern und lediglich limitierten Technologietransfer zu ermöglichen.
In dem offenen Brief heißt es daher:
„Mit Nachdruck möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf die Einschränkungen lenken, die mit freiwilligen Maßnahmen von Firmen verbunden sind und die sich in dieser Pandemie bereits als unzureichend dargestellt haben.“[1]
Die Unterzeichnenden verweisen auch auf den weiterhin leeren Patentpool C‑TAP, der von der Pharma-Industrie ignoriert wird. Die Firmen setzen stattdessen primär auf freiwillige, bilaterale Lizenzvergaben, um vollständige Kontrolle über die Produktion zu wahren und die Märkte zu bedienen, die sie als lukrativ genug erachten.
https://bukopharma.de/de/newsarchiv/450-kritik-an-wto-fuehrung